Hektische Jagd nach Anleihezinsen

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Unternehmensanleihen. Anleger stürzen sich auf Firmenanleihen, weil diese bessere Zinsen als die meisten anderen Zinsprodukte bieten. Tut sich hier die nächste Blase auf?

Wien. Die Finanzchefs der Unternehmen reiben sich die Hände. Sie können sich derzeit günstig Geld von Investoren leihen. Mit dem Resultat, dass Unternehmensanleihen derzeit einen Boom erleben. Allein die Zahl der europäischen Unternehmen, die sich überhaupt erstmals Geld an der Börse geholt haben, ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Seit Jahresbeginn gab es an der Börse mehr als 50 Anleihendebütanten. In Summe haben sich diese Firmen mehr als 20 Mrd. Euro bei Investoren ausgeliehen (im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 14 Mrd. Euro).

Anscheinend sind alle mit dieser Situation glücklich: Unternehmen können sich zu guten Konditionen auf dem Kapitalmarkt verschulden. Und auch solche Firmen, die nur schlechte oder gar keine Ratings haben, kommen relativ einfach zu Geld – und sind nicht nur von den zurückhaltenden Kreditinstituten abhängig. Die Investoren freut es auch: Sie stürzen sich auf alles, was mehr Zinsertrag als verlustbringende Niedrigsparzinsen bringt. Auch die Verantwortlichen der Europäischen Zentralbank (EZB) könnten theoretisch zufrieden sein: Die Unternehmen füllen ihre Kassen auf. Mit Geld, das sie investieren können und damit die Konjunktur antreiben.

So schön der Anschein auch ist, so sehr ist Skepsis angebracht. Es stellt sich die Frage, ob sich bereits eine Anleihenblase auftut. Offensichtlich ist, dass Anleger alles kaufen, was auf den Markt geworfen wird, unabhängig davon, wie unbekannt Emittenten sind. Bei der hektischen Jagd nach Rendite werden Risken vernachlässigt. Emittenten könnten nach Lust und Laune Anleihen begeben, und die Sachen würden gekauft, sagte kürzlich David Newman von Rogge Global Partners, einem international agierenden Vermögensverwalter. Auch einige Zentralbanker haben mittlerweile ihre Zweifel.

Und die Privatanleger? Für jene, die kein allzu großes Risiko eingehen wollen, gibt es derzeit auch bei Unternehmensanleihen (mit dem Gütesiegel Investmentgrade) nur eine Rendite von durchschnittlich rund 1,5Prozent. Da sind aber Kosten und Steuer noch nicht berücksichtigt. Womit klar ist, dass die Anleger mit diesen Papieren die Kaufkraft ihres angelegten Geldes bei Weitem nicht erhalten können. Viele gehen daher ein höheres Risiko ein und kaufen „Ramschanleihen“. Weltweit sind bereits hochriskante „Ramschanleihen“ im Volumen von mehr als 230 Mrd. Euro ausgegeben worden. Das ist das größte Volumen, seit Bloomberg im Jahr 1999 mit der Datenerhebung begonnen hat. Diese Anleihen beinhalten hohes Risiko, aber bringen im Durchschnitt eine Rendite von rund 3,5 Prozent. Nach Abzug der Steuer und Kosten könnte der Anleger damit die Inflation abdecken, wenn er Glück hat. Und wenn die Unternehmen die Anleihen bedienen können.

Aufschwung an Wiener Börse

Der Anleihentrend ist auch an der Wiener Börse nicht vorübergegangen. Seit Jänner notieren 20 neue Unternehmensanleihen in Wien – mit einem Gesamtvolumen von drei Mrd. Euro. Die Hälfte der Anleihen kommt von ausländischen Unternehmen, die meisten werden im „Dritten Markt“ gehandelt. Also dort, wo sich eher unbekannte Firmen herumtreiben und keine strikten Regeln wie etwa im Leitindex ATX herrschen.

Die relativ neue Anleihe von Kelag notiert im höheren Segment der Börse (ISIN: AT0000A17Z60) und wirft einen Kupon von drei Prozent jährlich ab (Laufzeit bis 2026). Das Papier kostet aber mittlerweile rund 106Prozent des Nennwerts, daher macht die jährliche Rendite nur noch rund 2,4 Prozent aus (sofern sie der Anleger heute kauft). Was bleibt ihm unter dem Strich übrig? Schließlich muss man den Zinsertrag um Transaktionskosten, Depotgebühren und die Kapitalertragsteuer reduzieren. Unter dem Strich bleibt dem Anleger eine jährliche Rendite von rund 1,3 Prozent. Auch damit wird er nach Abzug der Inflation einen Realverlust einfahren. Dieser ist aber weniger groß als bei risikolosen Sparbüchern. Und das Risiko bei der Kelag ist zumindest im Vergleich zu den vielen anderen Anleihen überschaubar. (ker)

Aktien

AktieUnternehmensanteil, der oft an der Börse gehandelt wird.

AnalystExperte, der Aktien daraufhin untersucht, ob sie gemessen am Unternehmensgewinn oder an ihren Marktaussichten billig oder teuer sind.

KurszielFairer Preis, den eine Aktie nach Meinung eines Analysten hat.

Neutral, Hold, HaltenBewertungen, die anzeigen, dass der Analyst einer Aktie weder große Chancen zutraut noch eine große Absturzgefahr sieht. Hat man eine solche Aktie, lohnt sich demnach der Verkauf wegen der Spesen nicht.

Sell, VerkaufenBewertungen, die anzeigen, dass ein Analyst Kursrückgänge erwartet oder die Aktie verglichen mit anderen Papieren für sehr unattraktiv hält.

Strong Buy, Buy, KaufenBewertungen, die anzeigen, dass eine Aktie nach Meinung des Analysten Kurspotenzial nach oben hat. Generell sind Kaufempfehlungen eher häufig. Bevor man einem solchen Rat Folge leistet, sollte man auch auf andere Kriterien achten, etwa, wie der Analyst seine Kaufempfehlung begründet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2014)


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