Anleihenmarkt: Liquidität sinkt

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Unternehmensanleihen sind beliebt wie lange nicht. Doch im Schnitt wechseln die Papiere viel seltener den Besitzer als vor der Finanzkrise. Ein schlechtes Zeichen.

Wien. Unternehmensanleihen haben Hochkonjunktur. Firmen holen sich billiges Geld vom Kapitalmarkt, und Investoren freuen sich über die vergleichsweise höheren Zinsen. Für beide Seiten eine vermeintliche Win-win-Situation.

Doch im Windschatten dieser Entwicklung ist eines förmlich untergegangen: nämlich, dass die Liquidität auf dem Markt für europäische Unternehmensanleihen seit der Finanzkrise um rund 70Prozent zurückgegangen ist.

Dabei ist die Zahl der Neuemissionen in diesem Jahr um mehr als 25 Prozent auf rund 565Mrd. Euro gestiegen. Und auch das Gesamtvolumen des Markts ist gewachsen, wie Daten der Royal Bank of Scotland zeigen. Doch ist relativ dazu das Handelsvolumen gefallen. Eine europäische Unternehmensanleihe wurde RBS zufolge vor zehn Jahren fünf Mal so häufig gehandelt wie heute.

Die Europäische Zentralbank (EZB) ebenso wie die Bank von England (BoE) zeigen sich darüber besorgt. Sollte die Stimmung umschlagen, kann es passieren, dass alle Bondinvestoren sich gleichzeitig von ihren Papieren trennen wollen. „Der Ausstieg wird zu einer Herausforderung werden, das ist die Sorge jedes Portfoliomanagers– und wenn sie es nicht ist, dann sollte sie es sein“, sagt Vermögensverwalter Gary Kirk von Twentyfour Asset Management.

Banken ziehen sich zurück

Für die Strategen Stephane Deo und Ramin Nakisa von der UBS in London ist das Verhältnis von Emissionen zu täglichem Handelsumsatz ein „besorgniserregendes Zeichen“. Der Mangel an Liquidität sei ein Schlüsselthema und könne zu einer scharfen Überreaktion auf dem Markt führen, schrieben sie in einem Bericht Mitte Juli. „Wir hegen ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit der Marktmacher, in einem volatilen Szenario für Liquidität zu sorgen“, hieß es weiter.

Höhere Handelskosten führen auch dazu, dass es für Banken interessanter wird, sich entweder ganz aus dem Markt zurückzuziehen oder sich nur noch auf bestimmte Sektoren zu konzentrieren. Die Schweizer UBS beispielsweise hat den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen angekündigt und will sich aus dem größten Teil ihres Anleihehandels zurückziehen.

Die Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, besser bekannt unter dem Namen BBVA, konzentriert sich unterdessen auf einige lateinamerikanische Länder, die südlichen US-Bundesstaaten sowie Südeuropa, wie Oscar Alvarez, Leiter Credit weltweit mit Sitz in London, berichtet.

Historisch niedrige Renditen, gestützt von den beispiellosen geldpolitischen Anreizen der Zentralbanken, haben bei vielen die Besorgnis ausgelöst, dass sich eine Blase auf dem Bondmarkt bildet. Aufsichtsinstanzen und Analysten haben bereits vor künftiger Instabilität gewarnt.

Immer mehr Investoren kaufen derzeit Unternehmensanleihen mit schlechtem Rating. Das könnte ihnen eines Tages zum Verhängnis werden. (Bloomberg/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)


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