Flucht in „sichere“ Zinsen

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Analyse. Staatsanleihen sicherer Staaten sind eigentlich ein sicheres Verlustgeschäft. Trotzdem steigen deren Kurse seit Wochen. Ein Zeichen, dass die Eurozone sich im Krisenmodus befindet.

Wien. Hände weg von Staatsanleihen – sie bringen derzeit nichts ein, hört man seit Wochen und Monaten von Experten, Anlagestrategen oder Bankberatern (die dann vielleicht im gleichen Atemzug dem Kunden einen Investmentfonds anbieten).

Zugegeben, Staatsanleihen bringen derzeit wirklich nichts ein. Zumindest jene Papiere, die von sicheren (oder als sicher geltenden Staaten) herausgegeben werden. Aber: Die Investoren und Anleger schauen darüber hinweg. Europa befindet sich im Krisenmodus. Deswegen warnen heimische Ökonomen, dass Österreich schon bald in eine Rezession schlittern könnte. Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), sprach sich seinerseits in der Vorwoche schon wieder offen über Anleihekäufe aus: Die EZB will ihre Geldschleusen weiter öffnen. Und in Deutschland hat die Commerzbank zugegeben, einen Strafzins für die Guthaben großer Konzerne einzuführen.

In einem derart unsicheren Umfeld bleiben die als sicher eingestuften Staatsanleihen weiterhin attraktiv. Und zwar deswegen, weil sie bereits seit Jahresbeginn einen ordentlichen Aufschwung erleben.

Ein Beispiel: Eine österreichische Staatsanleihe mit Laufzeit bis März 2026 und einem jährlichen Kupon von 4,85 Prozent hat seit Anfang Jänner um fast 15 Prozent an Wert gewonnen und notiert derzeit bei über 140 Prozent (ISIN: AT0000A0DXC2).

Eine deutsche Bundesanleihe mit Laufzeit bis 2024 und einem Kupon von 109Prozent (ISIN: DE000110233) hat seit Jänner um neun Prozent zugelegt.

Sicheres Verlustgeschäft

In den vergangenen Wochen wurden die langlaufenden Staatsanleihen wieder stärker nachgefragt. Der Anleihekurs der österreichischen Anleihe mit der Laufzeit bis 2026 ist seit Mitte September bis heute um rund drei Prozent gestiegen. Da es sich um eine festverzinsliche Anleihe handelt, lässt der steigende Preis die Rendite für alle abfallen, die dieses Papier heute kaufen würden.

Die Bruttorendite liegt mittlerweile nur noch bei einem Prozent – vor Abzug der Kapitalertragsteuer und Kosten. Wenn man beides abzieht, kommt man auf einen Ertrag von unter 0,5 Prozent p.a. Es wäre somit also ein sicheres Verlustgeschäft, da die Inflationsrate auf lange Sicht hierzulande bei weit über 0,5 Prozent liegen wird. Zuletzt erreichte sie einen Wert von 1,6 Prozent.

Die gleiche Befürchtung hat aber schon zu Jahresbeginn gegolten. Das hat die Investoren aber nicht abgeschreckt. Offensichtlich war das Bedürfnis nach einem sicheren Hafen größer. Oder die Aussicht nach ordentlichen Kursgewinnen. Die Rechnung ist bis heute aufgegangen. Für Privatanleger bleibt es aber ein gewagtes Geschäft: Entweder sie kaufen derzeit teuer eine sichere Staatsanleihe und halten sie bis zum Ende der Laufzeit – dann ist ein realer Verlust garantiert. Oder sie stoßen sie während der Laufzeit wieder ab und erzielen im positiven Fall einen Kursgewinn. Wie gesagt, ein riskantes Unterfangen angesichts des aktuell hohen Preisniveaus. Aber das war es am Beginn des Jahres auch schon. (red.)

AUF EINEN BLICK

Langlaufende Anleihen von sicheren Staaten wurden im bisherigen Jahresverlauf – zur Überraschung aller Experten – stark nachgefragt. Zuletzt sind die Kurse der Staatsanleihen wieder stark gestiegen, nachdem die Europäische Zentralbank eine weitere Lockerung der Geldpolitik angekündigt hat und Ökonomen negative Konjunkturprognosen verkündet haben. An der Entwicklung der Anleihekurse für Staatspapiere erkennt man, dass sich die Eurozone im Krisenmodus befindet. Wenn die Rendite einer Anleihe fällt, dann steigt ihr Kurs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2014)


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