Niemand fürchtet sich vor Zinserhöhungen

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Zinserhöhungen würden die Anleihenmärkte sehr stark treffen. Allerdings rechnet niemand damit, dass es in Europa in nächster Zeit zu solchen kommen könnte. Deswegen liegen Anleihen in der Anlegergunst noch immer ganz vorn.

Wien. Die Anleihenmärkte legten im Vorjahr eine Rallye hin, die ihresgleichen suchte. Vor wenigen Wochen setzte die Europäische Zentralbank noch eines drauf. Mit ihrem monatlich 60 Milliarden Euro schweren Ankaufprogramm drückte sie die Renditen für Staatsanleihen weiter nach unten (das bedeutet, dass die Kurse steigen).

Den Staaten kann das nur recht sein. Sie können sich zu rekordniedrigen Zinsen verschulden, ohne Reformen auf den Weg bringen zu müssen. Gleichzeitig hat das niedrige Zinsniveau dazu geführt, dass immer mehr Regierungen (und Unternehmen) Anleihen mit längerer Laufzeit begeben.

Risiko bei langen Laufzeiten

Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge waren Ende Februar langfristige Staatsanleihen im Wert von 2,4 Billionen Dollar weltweit negativ verzinst. 80 Prozent der Papiere wurden in der Eurozone aufgelegt. Ja länger die Duration einer Anleihe (gewichteter Mittelwert der Zeitspannen, bevor der Anleger Zahlungen aus einem Wertpapier erhält) und je niedriger das Zinsniveau, desto sensibler reagieren Anleihekurse auf Zinsänderungen.

Demnach stieg die Duration beim US-Anleihenindex Barclays US Aggregate Government/Credit Index im Jahr 2014 von 5,6 auf 6,13 Jahre, wie Zahlen der Investmentgesellschaft MFS Investment Management zeigen.

Ein einprozentiger Zinsanstieg im Jahr 2014 hätte zu einem Verlust an den Anleihenmärkten im Ausmaß von 6,1 Prozent geführt. „Investoren sollten sich fragen, ob sie sich mit dem allgemeinen Risiko auf den Anleihenmärkten wohlfühlen“, stellt MFS Investment in den Raum. Anleger sollten die Zinssensitivität ihrer Rentenanteile kennen und auch verstehen, so MFS.

Doch noch scheint man an den Anleihenmärkten getrost investieren zu können. Dieser Ansicht ist zumindest David Zahn, Chef für europäische Anleihen bei Franklin Templeton. Die niedrige Inflation und moderates bzw. niedriges Wirtschaftswachstum würden für solche Papiere sprechen. Zumindest, solange die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld flutet. Die Kapitalbindungsdauer seines Anleihenportfolios liegt derzeit bei sieben Jahren. „Das ist lang, aber angemessen“, sagt Zahn. Heute dürfe man Anleihen aber ohnedies nicht mehr nur halten. „Man muss das Risiko managen.“

Der Experte setzt in erster Linie auf Schuldtitel mit einer Laufzeit von drei bis 15 Jahren. Vor allem italienische und spanische Staatsanleihen findet Zahn interessant. Beide Länder hätten in der Vergangenheit Reformen auf den Weg gebracht und würden angemessene Renditen zahlen. Auch in Polen investiert er. Die Renditen der zehnjährigen Bonds liegen bei 2,3 Prozent. Fundamentaldaten und Rating seien gut. „Polen als Nicht-Eurozonen-Mitglied erfüllt mehr positive Kriterien als so manches Eurozonen-Mitglied“, sagt Zahn.

Finger weg von Frankreich

Von französischen Titeln lässt Zahn hingegen die Finger. Die Regierung sei wichtige Maßnahmen nicht angegangen. Doch dafür seien die Zinsen zu weit unten. „Die Renditen sollten eigentlich näher bei jenen von Italien oder Spanien liegen.“

Auch Thomas Neuhold, Leiter des Anleihemanagements bei der Bank Gutmann, hält Anleihen aus Spanien oder Italien für attraktiver als solche aus Schwellenländern. Bei Letzteren seien die Risken durch fallende Rohstoffpreise, steigende Dollar-Zinsen oder politische Krisen deutlich höher.

Was „sichere“ Staatsanleihen wie jene aus Deutschland betrifft, so rät Neuhold von langen Laufzeiten (20 oder 30 Jahre) ab– auch wenn man dafür etwas höhere Renditen erhält. Bei bis zu zehnjährigen Anleihen sei das Risiko geringer: Sollten Krisenängste aufkommen und die Aktienmärkte einbrechen, könnten Staatsanleihen zwischenzeitlich Kursgewinne verzeichnen. [ iStockphoto]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)


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