Investoren gehen mehr Risken ein

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Die niedrigen Zinsen machen die Anleger ratlos. Sie flüchten seit Jahresbeginn in Hochzinsanleihen, weil sonst nur maue Renditen zu holen sind.

Wien. Null Prozent Rendite auf Staatsanleihen? Vor Jahren noch undenkbar, ist das heute gelebte Realität. Von Deutschland über Japan bis hin zur Slowakei verlieren Anleger derzeit Geld, wenn sie den Staaten ihr Geld leihen.

Auf der Suche nach Rendite strömen Anleger derzeit vor allem in börsenotierte Fonds (ETFs) auf Hochzinsanleihen. Sie gelten unter den festverzinslichen Papieren als die riskantesten. Seit Jahresbeginn flossen weltweit rund neun Mrd. Dollar in solche Fonds – bei einem Gesamtmarkt von 44,4 Mrd. Dollar.

Auch sehr konservative Gesellschaften wie Zurich Insurance oder die Generali planen erstmals Investments in Anleihen unterhalb der Güteklasse Investmentgrade. Einer der bekanntesten Anleiheinvestoren, Jeffrey Gundlach, sieht Junkbonds gar als die bessere Anlage, da bei deutschen Bundesanleihen nur noch mit Wetten gegen die Papiere Gewinne erzielt werden können. „Die Zentralbank zwingt die Anleger, mehr Risiko einzugehen“, sagt Jens Vanbrabant, Vermögensverwalter bei ECM Asset Management. „Sie versuchen, ihre Investmentparameter an die neue Situation von Renditen nahe oder sogar unter null anzupassen.“

Null Zinsen für 2,36 Billionen

Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken verzerrt die Anleihemärkte auf der ganzen Welt. Bloomberg-Daten zufolge liegt die Rendite bei weltweit rund 2,36 Billionen Dollar an Staatsanleihen im negativen Bereich. Bei rund einem Dutzend Staaten zahlen die Investoren dafür, dass sie ihnen Geld leihen. Besonders im Euroraum macht sich dies bemerkbar: Rund 40 Prozent der deutschen Staatsanleihen rentieren derzeit unter null. Investoren weichen daher verstärkt auf Anleihen wenig kreditwürdiger Emittenten aus. Der französische Versicherer AXA will etwa seine Positionen bei „illiquiden“ Anlagen wie Immobilien und Infrastrukturprojekten von im Vorjahr 15 Prozent auf nun 20 Prozent ausbauen. Die Gesellschaften veränderten ihre Strategien, weil sie mit den Papieren in ihrem Bestand nicht genug Erträge erzielen könnten, um die zugesagten Leistungen zu erbringen.

Eine zunehmende Zahl an Investoren hat nur noch wenig Wahlmöglichkeiten, da die seit sechs Jahren anhaltende lockere Geldpolitik der Zentralbanken die Preise bei so ziemlich jeder Anlage aufgebläht hat. Bei einer im April veröffentlichten Umfrage der Bank of America unter professionellen Investoren bezeichneten 84 Prozent der Befragten Anleihen als überbewertet – so viele wie nie zuvor. Mehr als die Hälfte der Befragten betrachtete Anleihen wie Aktien als zu teuer. Auch das ist ein beachtlicher Wert – nämlich der höchste seit zwölf Jahren. (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)


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