Wer profitiert, wenn die Zinsen steigen?

Janet Yellen And Christine Lagarde Speak At Institute For New Economic Thinking Conference
Janet Yellen And Christine Lagarde Speak At Institute For New Economic Thinking ConferenceBloomberg
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Geldpolitik. Unter einem steilen Zinsanstieg würden Anleihen und Aktien leiden. Doch könnten sich Versicherer besser halten als Versorger.

Wien. Auch wenn der erwartete Zeitpunkt der ersten US-Leitzinserhöhung seit der Finanzkrise zuletzt nach hinten verschoben wurde– kaum jemand bezweifelt, dass die US-Notenbank Fed diesen Schritt vor den meisten anderen großen Notenbanken gehen wird. Ökonomen erwarten den Schritt noch heuer, wenngleich „wahrscheinlich nicht vor September“, wie aus einem Bericht des Black Rock Investment Institute (BII) hervorgeht.

Zinserhöhungen führen im Normalfall dazu, dass es attraktivere Anlagemöglichkeiten gibt; so erhält man etwa höhere Zinsen für Anleihen. Das klingt leider nur beim ersten Hinhören erfreulich. Denn die höheren Coupons gibt es nur für neue Anleihen, also für Schuldverschreibungen, die nach der Zinserhöhung emittiert werden. Für bereits ausgegebene Anleihen bleiben die Zinsen niedrig.

Die Inhaber der Papiere haben dann zwei Optionen: Sie können die Anleihen bis Laufzeitende halten und sich jahrelang mit niedrigen Zinsen zufriedengeben, während andere Investoren längst höhere Renditen erhalten. Oder sie verkaufen die Anleihen vorzeitig. Dann müssen sie jedoch Käufer für die niedrig verzinsten Anleihen finden. Das funktioniert nur, wenn sie den Käufern höhere Renditen bieten, also Kursverluste akzeptieren.

Angst vor dem Unerwarteten

Auch für Aktionäre sind Zinserhöhungen grundsätzlich wenig erfreulich. Während derzeit etwa eine Dividendenrendite (Gewinnausschüttung gemessen am Kurs) von drei Prozent sehr attraktiv scheint, schaut das in Hochzinsphasen anders aus. Dann muss man den Käufern ebenfalls höhere Renditen bieten, im schlechtesten Fall, indem man einen geringeren Preis akzeptiert. Im besseren Fall geht die Zinserhöhung mit einem Wirtschaftsaufschwung einher, und auch Gewinne und Dividenden steigen.

In der Vergangenheit schossen die Anleiherenditen nach der ersten Zinserhöhung innerhalb eines Zinszyklus in die Höhe, vor allem 1994, als die Fed raschere Zinsschritte setzte als erwartet. Steigende Renditen bedeuten fallende Anleihekurse. Aktien verteuerten sich jedoch in den folgenden zwölf Monaten. Nur 1994 gaben sie leicht nach. Das Fazit der Black-Rock-Experten: Globale Aktien verteuern sich jeweils in den zwölf Monaten vor und nach einer Zinserhöhung– wenn die Anhebungsschritte langsam und erwartet erfolgen. Das war 1999 und 2004 der Fall.

Bleibt die Frage, ob das auch diesmal so sein wird. Die Experten gehen von drei möglichen Szenarien aus: Eines beinhaltet eine globale Wachstumsschwäche, wenn etwa die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan damit scheitern, ihre Konjunktur zu beleben. Das wäre schlecht für Aktien und Unternehmensanleihen, einzig Staatsanleihen sollten dann profitieren. Erholt sich die US-Wirtschaft wie erwartet weiter und startet die Fed mit moderaten Zinsanhebungsschritten, würden Aktien profitieren. Unternehmensanleihen sollten sich dann besser halten als Staatsanleihen, da die Risikoaufschläge (Aufschläge zu Staatsanleihenrenditen) zurückgehen sollten; das schützt ein wenig vor Kursrückgängen.

Banken versus Konsumfirmen

Von einem unerwartet schnellen oder hohen Zinsanstieg wären alle Märkte negativ betroffen. Sein Vermögen breit auf Aktien und Anleihen verteilt zu haben würde dann nur bedingt helfen, da beide Märkte gleichzeitig korrigieren könnten. Versorger-, Konsum und Telekomaktien korrelierten zuletzt stark mit Anleihekursen. Bei steigenden Renditen fielen sie – und umgekehrt.

Wer auf Branchen setzen will, die positiv auf steigende Renditen reagieren, sollte auf Banken und Versicherungen setzen. Zinserhöhungen würden deren Ergebnisse positiv beeinflussen.

AUF EINEN BLICK

Aktien wie Anleihen wären von einer unerwartet starken Zinserhöhung negativ betroffen, wie der historische Vergleich zeigt. Unter einer Anhebung im Rahmen der Erwartungen leiden für gewöhnlich nur Anleihen, nicht aber Aktien. Letztere profitieren vom Wirtschaftsaufschwung, der meist Anlass für die Notenbanken ist, die Zinsen anzuheben. Wirtschaftsflauten nützen hingegen den Staatsanleihen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2015)


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