Anlagestrategie: Investieren gegen den Mainstream

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Der Contrarian-Ansatz verfolgt die Annahme, dass man bei Aktien erfolgreich ist, wenn man gegen den Strom schwimmt. Dennoch muss man genau hinsehen.

Wien. „Kaufen, wenn an der Börse die Bären ihr Unwesen treiben, und verkaufen, wenn der breite Markt vom Aktienfieber erfasst wird“ – so lässt sich die Strategie der Contrarian-Investoren beschreiben. Dahinter steht die Überzeugung, dass man an der Börse nur dann erfolgreich sein kann, wenn man sich anders verhält als die Masse. Dabei greift der Contrarian-Ansatz auf einige Erkenntnisse aus der Behavioral-Finance-Theorie zurück. Deren Hauptaussage: Die Marktteilnehmer handeln aufgrund von eingeschränkten Informationsverarbeitungskapazitäten irrational.

„Implizit muss jede Einzeltitelselektion zu einem gewissen Grad einen Contrarian-Ansatz in sich haben“, sagt Christoph Olbrich, Leiter der Aktienfonds bei der Bank Gutmann. Schließlich gehe es immer darum, Unternehmen zu suchen, die aus verschiedenen Gründen vom Markt nicht gesucht werden. Bei einer Aktie, die in Ungnade gefallen ist, müsse man allerdings die Frage stellen, ob die Qualität des Unternehmens und des Geschäftsmodells vom Markt fair bepreist sei oder nicht. Wichtig sei es daher, zwischen zyklischen – etwa konjunkturellen – und strukturellen Problemen zu unterscheiden. Außerdem sollte man genau analysieren, was der Grund für eine Underperformance sei.

Als Musterbeispiel für ein Unternehmen, das aus strukturellen Gründen ins Straucheln gekommen ist, wird gern Nokia ins Spiel gebracht. Der frühere finnische Mobiltelefon-Krösus wurde lange Zeit als Contrarian-Play eingestuft, weil er den Smartphone-Boom – Stichwort iPhone – verschlafen hatte und von der Konkurrenz überholt wurde. „Viele haben damals erwartet, dass es gelingen würde, den Rückstand über neue Produktentwicklungen aufzuholen, doch das gelang nicht, da sich die Branche strukturell verändert hatte“, erklärt Olbrich.

Die Masse ignorieren

Bei Raiffeisen Capital Management fließen diverse Werkzeuge aus der Behavioral Finance und damit auch Contrarian-Elemente in den Investitionsprozess ein, wie Herbert Perus, Leiter der Abteilung Aktien und entwickelte Märkte, bestätigt. So schaue man sich unter anderem das Analysten-Sentiment gegenüber einem Unternehmen an. „Empfehlen alle Analysten eine Aktie zum Verkauf, so wird sie tendenziell steigen und umgekehrt“, sagt er. Das Problem am Contrarian-Investing sei jedoch, dass man sich, wenn man sich gegen die Masse stelle, von dieser abhängig mache. „Aus unserer Sicht ist es am besten, weder der Masse zu folgen noch das Gegenteil zu tun, sondern sie zu ignorieren.“

Fonds, die sich mit dem Etikett „Contrarian“ schmücken (wovon es nicht wenige gibt), sehen Experten kritisch. „Bei einem Basket solcher Unternehmen stellt sich die Frage, wie erfolgreich man letztlich ist, da viele berechtigterweise vom Markt abgestraft werden“, sagt Olbrich. Hier bestehe die Gefahr von Value Traps. Für Perus hat sich der Contrarian-Ansatz auf längere Sicht nicht bewährt. „Einschlägige Fonds weisen die gleiche Performance auf wie der Markt“, erklärt er. Grundsätzlich sei es erfolgversprechender, unabhängig zu sein und auf Basis eigener Kriterien zu investieren. Dazu zählt er etwa steigende Dividenden, Produkte, die man verstehe, sowie gutes Management.

Dass diese Strategie – zumindest teilweise – dennoch sinnvoll ist, bestätigt die Tatsache, dass viele Asset-Manager darauf zurückgreifen. Bei der Bank Gutmann würden 90 Prozent eines Portfolios nach den üblichen Strategien gemanagt, erklärt Thomas Neuhold, Leitung Anleihefonds. „In dem restlichen Spezialanteil kommen auch Contrarian-Ansätze zum Einsatz.“ Dieser sollte in normalen Jahren underperformen. In schlechten Marktphasen könne er betragen, eine schlechte Entwicklung auszugleichen. Huub van der Riet, Manager des NN (L) European Equity Opportunities, investiert in ausgewählte europäische Aktien, die von definierten Investmentthemen profitieren. „Es kann aber vorkommen, dass wir unbeliebte und unpopuläre Aktien halten – solang sie zu unserem thematischen Zugang passen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)


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