Anleihen: Woher kommt die Volatilität?

European Central Bank President Mario Draghi Announces Interest Rate Decision
European Central Bank President Mario Draghi Announces Interest Rate Decision(c) Bloomberg (Martin Leissl)
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An den Anleihemärkten macht sich zunehmend ein Liquiditätsengpass bemerkbar. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Regulatoren daran nicht ganz unschuldig.

Wien. Liquidität – bis zum Jahr 2008 war die rasche Verfügbarkeit von Geld kaum je ein Thema. Die Banken versorgten einander bis zum Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers stets mit ausreichend Kapital. Doch danach sah die Welt anders aus. Statt Geld bei einem rivalisierenden Geldhaus zu parken, transferierten die Institute ihre Einlagen zur Europäischen Zentralbank, aus Angst, es ginge bei einem ihrer Konkurrenten verloren.

Inzwischen hat sich die Vertrauenskrise in den Bankhäusern zwar wieder entspannt. Doch obwohl an den Kapitalmärkten ausreichend Geld vorhanden ist, gibt es bei den Banken wieder ein Problem: Nach der Finanzkrise wurden ihnen strenge Regularien auferlegt, die es für die Banken unattraktiv gemacht haben, Eigenhandel zu betreiben. Bei einem solchen geht die Bank Finanzgeschäfte auf eigene Rechnung ein. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass „es Marktbereiche gibt, in denen die Liquidität sehr knapp geworden ist, was wiederum zu hohen Schwankungen führt“, wie Adam Lessing von Fidelity sagt. Dies trifft im Allgemeinen auf den Anleihehandel und dort im Speziellen auf Schuldverschreibungen von Unternehmen zu. Denn ein Unternehmen hat in der Regel nicht nur eine einzige Anleihe auf dem Markt, sondern zahlreiche, für die ebenso ein Preis gestellt werden muss. „In einem tiefen Markt habe ich normalerweise einen Händler, der einen Preis macht“, sagt Lessing. Doch wenn dieser nicht mehr da sei, stellt sich die Frage, zu welchem Preis man eine Anleihe bekommt. Die Spanne zwischen dem Angebots- und dem Nachfragepreis steige in illiquiden Märkten.

Als große Fondsgesellschaft, wie Fidelity eine ist, bekomme man im Vergleich zu kleineren Häusern aber jedenfalls einen Preis auf dem Markt. „Das Thema ist bei uns dennoch viel wichtiger geworden“, sagt Lessing. „Wir müssen schließlich imstande sein, unseren Kunden etwas anzubieten.“ Der Rückzug der Händler hat Lessing zufolge auch noch eine andere Auswirkung: Werden Anleihefonds zu groß, kann es schwierig werden, Positionen zu verkaufen. Geraten die Märkte aber in Panik, ist genau das wichtig. Denn dann will im Normalfall jeder aus seinen Produkten aussteigen. Im schlechtesten Fall findet sich kein Käufer, wenn doch, bekommt der Verkäufer wohl keinen guten Preis.

Was machen die Notenbanken?

Doch nicht nur schwindende Händler sind ein Problem. Auch die Europäische Zentralbank hat durch ihr monatliches Eingreifen auf dem Markt zu gewissen Verwerfungen beigetragen. Bei ihrer Zinssitzung im März kündigte die Notenbank neben dem bestehenden Kauf von Staatsanleihen auch den Erwerb von Unternehmensanleihen mit guter Bewertung an. Es ist fraglich, welche Auswirkungen das langfristig haben kann.

Bei Staatsanleihen hat sich eines jedenfalls bemerkbar gemacht: Die EZB kauft von jeder Emission einen großen Anteil auf, einen beachtlichen Brocken schnappen sich die Versicherungen, und „dann ist nur noch wenig im Markt übrig“, sagt Friedrich Strasser von der Bank Gutmann.

Bei großen Staaten wie Deutschland gibt es zwar kein Liquiditätsproblem, trotzdem waren in den vergangenen Wochen merkliche Schwankungen bei den Kursen des Bund-Futures zu bemerken, sagt Strasser.Die Marktteilnehmer hängen nicht nur an den Lippen der Zentralbanken, sondern sie sorgen sich auch wegen allerlei Probleme: etwa wegen des Austritts der Briten aus der EU und der Präsidentschaftswahlen in den USA. Der niedrige Ölpreis, die Terrorgefahr und Chinas Konjunktur tragen ihr Übriges bei.

Da ist jedoch noch etwas: Börsengehandelte Indexfonds (ETF) sorgen zusätzlich für Volatilität. Früher habe man sich ein Aktienportfolio angesehen und sich Gedanken über einzelne Papiere gemacht. Heute verkaufe man einfach seinen ETF auf den deutschen DAX, erklärt Strasser. „Egal, ob man Daimler mag oder nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2016)


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