Anleger weichen auf Spanien aus

(c) APA/Boris Roessler
  • Drucken

Die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen pendelt um null Prozent. Die Investoren haben jetzt Spanien entdeckt. Die Renditedifferenz fiel auf Jahrestief.

Wien/Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am vergangenen Donnerstag bekannt gegeben, dass sie ihre geldpolitischen Anreize unverändert lassen will. Zunächst sollen die negativen Auswirkungen des Brexit-Votums der Briten auf die Wirtschaft eingeschätzt werden, hieß es. Der EZB-Rat hält den Hauptrefinanzierungssatz bei null, den Einlagenzins bei minus 0,4 Prozent und das Anleihenkaufprogramm bei monatlich 80 Milliarden Euro.

Das bedeutet, dass die Niedrigzinsphase in der Eurozone noch eine Weile anhält und Inhabern von Anleihen zumindest von dieser Seite keine Gefahr droht. Denn steigen die Zinsen, fallen oft die Kurse älterer Anleihen, da Anleger dann neuere Papiere mit höheren Zinsen kaufen können. Wer seine älteren Anleihen bis Laufzeitende hält, braucht sich über die zwischenzeitlich niedrigeren Kurse zwar nicht zu ärgern, er verzichtet in diesem Zeitraum aber auf höhere Erträge, die er bei einem anderen Investment erhielte.

Die Rendite ist aber ohnehin nicht der einzige Grund, warum Anleger Staatsanleihen kaufen. In Zeiten hoher konjunktureller oder politischer Unsicherheit sehen Anleger Staatsanleihen als sichere Häfen. Bei deutschen zehnjährigen Papieren akzeptierten sie kürzlich bereits Renditen unter null. (Bei Papieren mit kürzerer Laufzeit tun sie das schon länger.)

Nach der Entscheidung der EZB drehte die Rendite der zehnjährigen deutschen Anleihen aber wieder leicht in den Positivbereich, am Freitag pendelte sie um die Nulllinie. Bei spanischen Papieren fiel die Rendite dagegen zwischenzeitlich auf 1,14 Prozent.

Sicherer als Italien

Noch vor fünf Jahren rentierten solche „Peripherie“-Anleihen mit mehr als sieben Prozent. Doch in der Vorwoche ist der Renditeunterschied zwischen spanischen und deutschen Anleihen auf den niedrigsten Stand seit Jahresbeginn gefallen. Das bedeutet, dass man für das Risiko, das man mit spanischen Papieren eingeht, immer weniger bezahlt wird.

Grund ist die Tatsache, dass das Land derzeit in Relation zu Italien, das mit einer Bankenkrise zu kämpfen hat, gut dasteht. Investoren, die nach Chancen in der Euroraumperipherie suchen, konzentrieren sich daher auf Spanien.

„In Spanien haben die politischen Risken zumindest in gewissem Umfang nachgelassen“, sagte Jan Von Gerich, Chefstratege bei Nordea Bank AB in Helsinki. „Die Nachfrage nach den neuen Zehnjährigen war ein sehr positives Zeichen. Auch die Sorgen in Italien können diesmal als stützend für Spanien angesehen werden, da italienische und spanische Bonds in gewissem Umfang um dieselben Investoren konkurrieren.“ Für italienische Papiere erhält man derzeit eine Rendite von 1,27 Prozent.

In den beiden kleineren Peripherieländern gibt es noch deutlich höhere Renditen: Zehnjährige portugiesische Papiere rentieren mit drei Prozent, griechische mit 7,8 Prozent. (Bloomberg/b. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2016)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.