Staatsanleihen: Fluchtpunkt Deutschland

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Die Rendite österreichischer Staatsanleihen rutscht erstmals unter zwei Prozent. Für zweijährige deutsche Schuldscheine akzeptieren Anleger sogar Negativrenditen.

Wien. Zum Wochenausklang kochte die Eurokrise noch einmal richtig hoch – mit allen bekannten Symptomen: Die Aktienmärkte gingen ebenso auf Talfahrt wie der Ölpreis. Profitieren konnten einmal mehr die „sicheren Häfen“, allen voran deutsche Bundesanleihen. Erstmals in der Geschichte akzeptierten Anleger für zweijährige Schuldscheine des Landes negative Renditen. Für kurze Zeit notierten die Papiere mit einem Zins von minus 0,002 Prozent.

Auch Österreich ist seit einiger Zeit wieder ein Profiteur der Krisenstimmung. Die Skepsis, die Anleger der Alpenrepublik vor Kurzem noch entgegengebracht haben, ist wieder verflogen. Die Rendite für zehnjährige Anleihen unterschritt am Freitag erstmals die Schwelle von zwei Prozent. Am Nachmittag rutschte sie auf bis zu 1,920 Prozent. Das ist ein absolutes Rekordtief. Auch französische und niederländische Anleihen erreichten neue Allzeittiefs. „Die Zinsen zeigen, dass die Angst dort draußen groß ist“, sagte Andrew Richman vom Vermögensverwalter Sun Trust zur Agentur Reuters.

Die Flucht der Anleger in sichere Anlagen ist schon länger zu beobachten. Am Mittwoch auktionierte Deutschland zum ersten Mal Anleihen mit null Prozent Zinsen. Unter Berücksichtigung der Inflation nehmen Anleger mit solchen Papieren herbe Verluste auf sich. Warum kaufen sie sie trotzdem? „Weil sie müssen“, erklärt Harald Preißler, Leiter des Anlagemanagements bei der Fondsgesellschaft Bantleon, die sich auf Staatsanleihen spezialisiert hat. „Es gibt viele Investoren wie Lebensversicherungen und Pensionsfonds, die keine andere Wahl haben, als ihre liquiden Mittel anzulegen.“ Oft zwingen die Vorschriften diese „institutionellen Anleger“ dazu, besonders sichere Investments zu wählen. Und bei denen ist die Auswahl momentan nicht gerade groß.

Blase oder keine Blase?

Inwieweit diese Bewertungen gerechtfertigt sind, ist nicht leicht zu beurteilen. Unter normalen Umständen sollte die Rendite einer Staatsanleihe ungefähr bei der Wachstumsrate eines Landes plus der Inflationsrate liegen. „Das hieße für die Kernländer der Eurozone etwa 2,7 Prozent“, so Preißler.

Alles, was jetzt darunter liegt, könne als Sicherheitsprämie aufgefasst werden. Von einer Blase will der Experte deswegen nicht sprechen: „Es ist nicht so, dass die Investoren voller Begeisterung auf irgendeinen Zug aufspringen. Sie suchen einfach nur Sicherheit.“

Grafik: Die Presse

Michael Markovic von der schweizerischen Credit Suisse ist sich da nicht so sicher. Zumindest im Fall von eidgenössischen Staatsanleihen sieht er die Gefahr, dass die Preise für die als ausfallsicher bewerteten Papiere wegen der großen Nachfrage blasenartig steigen werden. Seiner Ansicht nach spielen Anleger schon mit dem Gedanken einer Währungsreform: „Was auch immer für Umschuldungs- oder Ausstiegsszenarien zustande kommen – für jene Währungen, die danach bevorzugt werden, gibt es auch eine größere Nachfrage nach entsprechenden Staatsanleihen“, sagte er zur Agentur Bloomberg.

Sparer in der Bredouille

Eidgenössische Staatsschulden mit zehnjähriger Laufzeit rentieren inzwischen mit einem halben Prozent. Das ist nochmal deutlich weniger, als deutsche Anleihen abwerfen. Preißler sieht darin den Beweis, dass es auch mit den Renditen der Bundesanleihen noch kräftig bergab gehen kann. Früher habe man auch gedacht, Renditen könnten überhaupt nicht negativ werden. „Das hat sich als falsch erwiesen. Nichts ist unmöglich.“

Ein Problem ist das niedrige Zinsniveau vor allem für Sparer und Besitzer einer Lebensversicherung. Ihre Geldanlagen werfen immer weniger Zinsen ab, da die Versicherer oft keine andere Möglichkeit haben, als in sichere Geldanlagen zu investieren. Und auch die Banken können ihren Kunden keine attraktiven Konditionen mehr bieten. Die private Altersvorsorge wird so zu einer großen Herausforderung. Gewinner der Situation sind die Kreditnehmer: Für sie hält sich die Belastung wegen der niedrigen Zinsen in Grenzen.

Was Sie beachten sollten bei... Staatsanleihen

Tipp 1

Ertrag. Anleihen sind mit einem Kupon ausgestattet, der jährlich gezahlt wird (bei zehnjährigen österreichischen Anleihen: 3,65Prozent). Der Gesamtertrag errechnet sich aber auch aus dem Kaufpreis der Anleihe, denn zurückgezahlt wird nur die „Nominale“, also z.B. 1000 Euro je Anleihe. Hat man diese für 1100 Euro gekauft, schmälert das den Ertrag.

Tipp 2

Risiko. Wer jetzt einsteigt, muss sich bewusst sein, dass die Rendite auch sehr schnell wieder steigen kann. Klettert sie bei deutschen Anleihen wieder auf 2,2Prozent, bedeutet das einen Kursverlust von zehn Prozent. Gleichzeitig kann es aber auch sein, dass die Kurse noch weiter klettern. Die Entwicklung der Eurokrise wird entscheiden, wie es kommt.

Tipp 3

Effekte. Indirekt sind von den niedrigen Zinsen viele Anleger betroffen. Lebensversicherungen investieren einen Großteil des Kapitals in sichere Staatsanleihen. Das schmälert die Rendite beträchtlich. Auch auf dem Sparbuch ist nicht mehr viel zu holen. Es ist zudem nicht unwahrscheinlich, dass die Leitzinsen noch weiter gesenkt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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