Eurozinsen bereits unter japanischem Niveau

EZB-Neubau in Frankfurt
EZB-Neubau in Frankfurt(c) APA/dpa
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Die Europäische Zentralbank fährt eine außerordentlich lockere Geldpolitik. So locker, dass es für den japanischen Yen bereits höhere Zinsen gibt als für den Euro. Wer muss die Zeche für die Krise zahlen?

Wien. Die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB) treiben ihre extrem lockere Geldpolitik auf die Spitze. Angesichts des Zinsniveaus sollte man wohl sagen: auf einen Tiefpunkt. Die Zinssätze in der Eurozone haben in den vergangenen Monaten ständig neue Tiefstände erreicht. Das spürt der österreichische Sparer. Denn auf einem täglich fälligen Sparbuch bekommt er nur noch einen Zinssatz von 0,125 Prozent bei heimischen Filialbanken. Also praktisch nichts.

Die EZB versucht mit aller Gewalt, eine Deflation in der Eurozone zu verhindern, mit billigem Geld die Konjunktur zu stimulieren und den Außenwert des Euro zu drücken. Ja, die Eurozone befindet sich in einer veritablen Wirtschaftskrise. Dem kann sich auch Österreich nicht mehr entziehen. Mittlerweile warnen die Ökonomen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), dass der heimischen Wirtschaft schon bald eine Rezession droht. Ein deutlicher Indikator, dass sich die Eurozone im Krisenmodus befindet, sind die Geldmarktzinssätze.

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Spekulation aufgegangen

Diese Zinssätze hat die EZB in den vergangenen Monaten extrem gedrückt. Auch um die Investitionsfreudigkeit anzukurbeln. Gleichzeitig hat die EZB mit ihrer Geldpolitik aber auch für eine außerordentliche Konstellation auf den Zinsmärkten gesorgt, von der Ökonomen wohl nicht einmal zu träumen gewagt hätten.

Die Eurozinsen befinden sich nicht nur praktisch auf dem gleichen Niveau wie die Schweizer-Franken-Zinsen. Das Euro-Zinsniveau liegt nun sogar unter den Yen-Zinsen. Ein Beispiel: Vor dem Ausbruch der Krise lagen die Eurozinsen (gemessen am Referenzzinssatz Euribor 3 Monate) bei vier bis fünf Prozent. Im gleichen Zeitraum bewegten sich die Yen-Zinsen (gemessen am Yen-Libor 3 Monate) bei einem Prozent. Dazwischen gab es also eine Zinsdifferenz von drei bis vier Prozentpunkten. Das haben viele heimische Kreditnehmer ausgenutzt. Nämlich jene, die sich im japanischen Yen verschuldet haben. Zum Beispiel: Wer einen endfälligen Yen-Kredit zum Gegenwert von 100.000 Euro laufen hatte, hatte 2007 eine monatliche Zinsbelastung von etwas mehr als 200 Euro (inklusive einer Kreditmarge von 1,50 Prozent). Im gleichen Zeitraum hätte man für die gleiche Finanzierung im Euro rund 480 Euro monatlich an Zinsen bezahlt. Die Zinsdifferenz lag damit bei fast 300 Euro pro Monat. Über die Jahre haben sich diese Yen-Schuldner viel an Zinsen erspart: Seit Anfang 2000 bis jetzt rund 35.000 Euro. Heute gibt es keine Zinsersparnis mehr im Yen. Im Gegenteil, eine variable Eurofinanzierung auf Basis der Drei-Monats-Zinssätze wäre bei gleicher Kreditmarge sogar etwas teurer, der Euribor liegt bei 0,08 Prozent, der Yen-Libor bei 0,11 Prozent.

Den Yen-Schuldnern kann es heute egal sein. Vor allem jenen, die sich zur Jahrtausendwende verschuldet haben. Wenn diese Kreditnehmer den Yen-Kredit heute in ein Euro-Darlehen umwandeln würden, hätten sie neben der Zinsersparnis von 35.000 Euro einen Währungsgewinn von 25.000 Euro erzielt. Die Zeche für die gegenwärtige Krise muss jemand anderer zahlen: der Sparer. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)


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