Österreich setzt auf niedrige Zinsen

PK OeSTEREICHISCHE NATIONALBANK 'GESAMTWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSE 2016 BIS 2018 - NACH VIER SCHWACHEN JAHREN - KONJUNKTURBELEBUNG 2016': NOWOTNY
PK OeSTEREICHISCHE NATIONALBANK 'GESAMTWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSE 2016 BIS 2018 - NACH VIER SCHWACHEN JAHREN - KONJUNKTURBELEBUNG 2016': NOWOTNYAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die Zinsen bleiben noch bis 2020 sehr tief, glauben die Österreicher. Die Inflation zieht aber wieder an. Eine Normalisierung der Zinspolitik könnte früher kommen als gedacht.

Wien. Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten, dass die Zinsen noch mindestens bis 2020 sehr niedrig bleiben. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung hervor, die die Oesterreichische Nationalbank am Freitag vorgestellt hat. Diese Einstellung schlägt sich auch im Kreditverhalten nieder. „Es ist allen klar, dass die Rahmenbedingungen für Kredite derzeit sehr günstig sind“, sagt Doris Ritzberger-Grünwald, die OeNB-Chefökonomin.

Das Ergebnis: Zum ersten Mal ist eine deutliche Verschiebung von variablen hin zu fixen Zinsen in den Kreditverträgen zu erkennen. Lag der Anteil an variabel verzinsten Krediten Anfang 2015 noch bei 90 Prozent, so sind es inzwischen nur noch 75 Prozent. „Die Haushalte wollen sich das niedrige Zinsniveau sichern“, so Ritzberger-Grünwald.

Allerdings: Erstens seien die Österreicher im internationalen Umfeld generell relativ gering verschuldet. Und zweitens geben immerhin 35 Prozent an, die Höhe des Leitzinses gar nicht zu kennen. Der Großteil der Bevölkerung hat auf die niedrigen Zinsen bisher gar nicht reagiert: „60 Prozent zeigen ein unverändertes Sparverhalten. Einige schichten um, in Sachanlagen, Gold oder Ähnliches.“ Auch der Investment-Volkssport der Österreicher, die Immobilien, sind weiterhin beliebt. So befinden sich die Immobilienpreise in Wien inzwischen fast 23 Prozent über dem von der OeNB auf Basis einiger Indikatoren (wie Baukosten etc.) ausgerechneten Fundamentalpreis.

11,7 Billionen Euro

Interessant: Seit Beginn des vergangenen Jahres haben sich auch die Immobilienpreise außerhalb der Hauptstadt von den Fundamentaldaten entfernt und steigen rasant. „Woher das kommt? Vor allem von der niedrigen Rendite bei den Staatsanleihen. Die Leute schichten um“, sagt Ritzberger-Grünwald. Und das ist nur eine Auswirkung der historisch niedrigen Zinsen und der extrem expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Inzwischen würden Staatsanleihen im Wert von 11,7 Billionen (11.700 Milliarden) Euro negativ rentieren, sagte OeNB-Chef Ewald Nowotny am Freitag. „In der Schweiz sind 100 Prozent der Staatsanleihen negativ, in Österreich etwa 32 Prozent. Auch die zehnjährigen deutschen Bundesanleihen haben negative Zinsen. Das ist eine Widerspiegelung des langfristig niedrigen Wachstums und der niedrigen Inflation.“

Der Notenbank-Gouverneur sorgt sich in diesem Zusammenhang vor allem um den Versicherungssektor und kapitalgedeckte Pensionssysteme. „Das muss man diskutieren“, so Nowotny. Allerdings scheint sich das Blatt in der Eurozone inzwischen tatsächlich gewendet zu haben. Nachdem die EZB inzwischen 80 Mrd. Euro pro Monat in Staats- und Unternehmensanleihen pumpt, scheint die Inflation tatsächlich anzuziehen. Zuletzt ist sie in der Eurozone wieder über den Nullpunkt gestiegen.

„Eine andere Welt“

„Es ist gelungen, das Eintreten einer Deflation zu verhindern“, so Nowotny. Zwar würden wir heuer noch eine sehr niedrige Inflation sehen, aber schon im kommenden Jahr sei in der Eurozone eine Inflationsrate von 1,3 Prozent zu erwarten. 2018 soll die Teuerung auf 1,8 Prozent steigen. „Das ist eine deutliche Wendemarke in den Voraussetzungen für die Geldpolitik, weil die Deflationsgefahr gebannt ist“, sagte Nowotny. „Wie die Geldpolitik reagiert, wird sich zeigen.“

Die EZB werde bis Ende des Jahres beschließen, ob die Liquiditätsprogramme wirklich im kommenden Jahr auslaufen. „Zuerst stehen die Programme zur Diskussion und dann die Zinsen. Wenn eine Normalisierung der Inflationsraten zu sehen ist, dann ist das schon eine andere Welt als die, die wir zuletzt hatten.“ (jil)

(Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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