Norman Boersma: "Wir machen keinen Bogen um China"

Man looks at electronic boards displaying various Asian countries´ stock price indexes outside a brokerage in Tokyo
Man looks at electronic boards displaying various Asian countries´ stock price indexes outside a brokerage in Tokyo(c) REUTERS (TORU HANAI)
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Vom China-Crash lässt sich Norman Boersma, Fondsmanager des Templeton Growth Fund, ebenso wenig abschrecken wie vom niedrigen Ölpreis.

Die Presse: Herr Boersma, einige Anleger fürchten einen neuen Börsencrash. Wären Sie für neue Rücksetzer gewappnet?

Norman Boersma: Grundsätzlich halten sich die Verluste im Templeton Growth Fund in negativen Phasen meist in Grenzen. Das Portfolio hat einen starken Fokus auf solide, etablierte Titel, sogenannte Value Aktien. Einzig im Jahr 2008, als mein Vorgänger eine relativ hohe Bankengewichtung hatte, belasteten die Finanzkrise und die Rezession besonders schwer. Mit einem Crash rechnen wir jetzt ohnedies nicht.

Was macht Sie so sicher?

Der Aufwärtstrend hält zwar schon eine ganze Weile an. Aber die Zuwächse bei den Kursen sind noch nicht so kräftig wie im langfristigen Schnitt, geschweige denn in Übertreibungsphasen. Seit zehn Jahren liegt das durchschnittliche Plus im S&P 500 bei jährlich 7,5 Prozent. In den vergangenen 180 Jahren legten die Kurse um jährlich neun Prozent zu, kurz vor dem Crash von 2008 sogar um 19,2 Prozent jährlich – rückblickend ab 1998.

Die Sorgen um Chinas Wachstum lasten aber schwer auf den Finanzmärkten.

Jenes im Reich der Mitte verlangsamt sich zwar, dafür zieht das Wachstum in Europa und den USA allmählich wieder an. Allein in Europa legen der Konsum sowie das Preisniveau bei den Immobilien wieder zu. Allerdings sind US-Aktien bereits sehr gut gelaufen, wir haben sie im Fonds deshalb untergewichtet. Rohstoffexportierende Länder wie Australien und Brasilien leiden allerdings unter dem Nachfrageeinbruch aus China.

Weshalb die hohe Gewichtung von Telekom- und Gesundheitsaktien wie etwa Pfizer, Roche und Comcast?

Der Grund sind die attraktiven Dividendenrenditen. Auch einige Ölmultis schütten viel aus, einer der Gründe dafür, dass wir im Zuge des Ölpreisverfalls BP, Chevron, Shell und Total kauften. Im Frühjahr haben wir sogar aufgestockt. Die Aktien sind derzeit günstig, viele Anleger befürchten Dividendenkürzungen angesichts der niedrigen Preise. Das war aber bei den großen Konzernen fast nie der Fall. Sie generieren eine Menge Cash und können die Investitionen reduzieren. Auch bei Ölfeldausrüstern wie Halliburton sind wir eingestiegen, hier gibt es eine Konsolidierungswelle. Wir rechnen damit, dass sich der Ölpreis bei 80 Dollar einpendelt.

Dividendenrenditen sind nur ein Teil der Investmentstory?

Im Gesundheitssektor gab es eine große Veränderung. Früher dominierte die Entwicklung chemischer Arzneimittel. Zahlreiche wichtige Patente sind zudem ausgelaufen. Inzwischen verschiebt sich die Entwicklung auf Biotech-Medikamente. Viele Firmen liefern da gute Ergebnisse. Gilead Sciences hat etwa ein Medikament zur Heilung von Hepatitis C entwickelt. Große Pharmakonzerne restrukturieren und diversifizieren ihr Geschäft etwa anhand von Übernahmen.

In der Telekombranche weht aber noch immer ein scharfer Wettbewerbswind.

In den USA haben sich die Konzerne gut gehalten. In Europa ist die Lage hingegen schwieriger. In Österreich wird sich noch zeigen, ob Carlos Slim mit dem Kauf der Telekom Austria seine Ziele im Inland und in Osteuropa tatsächlich umsetzen kann. Eine Marktkonsolidierung ist in Europa freilich notwendig. Wir sind allerdings weder in Aktien der Telekom noch in anderen österreichischen Aktien investiert, da wir derzeit keine günstigen Kaufgelegenheiten sehen.

Warum sind Sie nicht in Versorgeraktien investiert? E.On und RWE bringen nach den Kursverlusten besonders hohe Dividendenrenditen – und Strom wird auch immer benötigt.

In Europa hat die öffentliche Hand ihre Anteile an Versorgern oft dazu verwendet, die Staatskassen aufzufüllen. Die Versorger stehen im Wettbewerb mit zahlreichen Energiekonzernen. Tatsächlich beobachten wir aber einige Werte auf diesen tiefen Niveaus genauer. Möglicherweise könnte sich die eine oder andere Chance ergeben.

Sie sind nicht nur in entwickelten Märkten, sondern auch mit rund sechs Prozent in Südkorea investiert. Was reizt Sie dort?

Uns gefällt Samsung sehr gut, die Aktien haben eine der größten Gewichtungen im Fonds. Damit investiert man eigentlich in ein Unternehmen der Industrienationen und nicht der Schwellenländer. Samsung ist sehr günstig bewertet mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von sechs. Der langfristige Durchschnitt liegt bei zehn. Jetzt wird der Konzern allerdings dem neuen iPhone 6 von Apple Paroli bieten müssen. Langfristig ist der Konzern gut aufgestellt, zumal er Geld mit speziellen Chips verdient.

Sollte man hingegen um China einen Bogen machen?

Ganz im Gegenteil. Wir haben die schweren Kursrückgänge genützt, um selektiv in den Markt einzusteigen. Allerdings sind wir sehr vorsichtig. Der Markt schwankt heftig, wir wollen nicht zum falschen Zeitpunkt kaufen. Es gibt einige interessante Werte, vor allem aus den Bereichen Telekom, Versicherung und Energie.

Viele Anleger fürchten nicht nur um China, sondern auch eine Trendwende bei den US-Zinsen.

Sie macht uns keine Sorgen. Letztlich wird das ohnedies nur ein Sektor wirklich spüren, und zwar die Banken. Sie wären positiv betroffen. Steigen die Zinsen, verbessert sich die Zinsmarge für die Banken zwischen Krediten und Spareinlagen. Zudem haben viele Marktteilnehmer viel zu lange auf die Taten der Notenbanken geschielt und fundamentale Bewertungen bei Aktien ignoriert. Vielleicht kehrt dann in Zeiten steigender Zinsen wieder ein wenig Vernunft ein.

ZUR PERSON

Norman Boersma ist Chief Investment Officer der Templeton Global Equity Group und unter anderem der leitende Portfoliomanager des Templeton Growth Fund (für europäische Anleger gibt es eine eigene Tranche mit der ISIN LU0114760746). Boersma schloss sich 1991 dem Konzern an, zuerst als Analyst. Zudem absolvierte er einen B.A. in Volkswirtschaft sowie in Politikwissenschaft an der York University und einen M.B.A. an der University of Toronto.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

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