Anlagestrategien: Wie sich die Profis für schwierige Zeiten rüsten

(c) Bloomberg (Martin Leissl)
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Aktien kaufen und auf steigende Kurse warten - das könnte heuer zu wenig sein, meinen Fondsexperten. "Die Presse" hat sich umgehört, warum die Anlageprofis mehr Turbulenzen erwarten - und wie sie sich darauf einstellen.

Wien. Die starken Börsenturbulenzen der vergangenen Monate haben ihre Spuren hinterlassen. Hatten die Teilnehmer am Wiener Fondskongress vor einem Jahr noch Optimismus an den Tag gelegt und zu Aktien geraten, da diese wesentlich attraktiver als Anleihen seien, so ist seitdem die Sorge gewachsen (siehe auch Seite 11).

Obwohl vielerseits betont wurde, dass eine Rezession in naher Zukunft ein unwahrscheinliches Szenario sei, so traut kaum jemand der jüngsten Erholungsbewegung an den Börsen. Jürgen Graf von Superfund Asset Management verglich bei seinem Vortrag auf dem diesjährigen Fondskongress die beiden Börsenrallyes von 2003 bis 2007 und von 2009 bis 2015. Was auf die erste Rallye folgte, war die Finanzkrise, als die Kurse in einer Dimension nachgaben, wie das bei der Korrektur zu Jahresbeginn noch längst nicht der Fall war.

Notenbanken trieben Börsen an

Doch hatte die US-Notenbank Fed zwischen 2003 und 2007 die Zinsen erhöht, und zwar schrittweise von einem auf fünf Prozent. Das konnte damals die Rallye nicht bremsen. Während der gegenwärtigen Hausse (2009 bis heute) hielt die Notenbank die Zinsen jedoch jahrelang bei nahezu null Prozent, erst im vergangenen Dezember gab es eine leichte Erhöhung auf eine Bandbreite von 0,25 bis 0,5 Prozent. Es stelle sich also die Frage, wie gesund der letzte Aufschwung war, der vor allem von der Geldpolitik der Notenbanken angeheizt gewesen sei, meint Graf.

Man müsse daher diversifizieren, aber nicht nur zwischen verschiedenen Assetklassen, Regionen und Branchen. Das greife zu wenig weit. Denn die Aktienmärkte der USA, Europas und der Schwellenländer wiesen eine starke Korrelation zueinander auf, es herrscht ein tendenzieller Gleichlauf, nur fallen die Bewegungen nicht immer gleich stark aus. Im Fall eines Börsenabsturzes würden sie alle nachgeben, wenngleich auch nicht alle gleich stark.

Man sollte daher auch Long- und Short-Strategien kombinieren, also auf steigende und fallende Kurse setzen. Dabei versuche man etwa, Aktien ausfindig zu machen, die sich besser halten sollten als der Gesamtmarkt. Diese kaufe man, und gleichzeitig setze man auf einen fallenden Index. Der Gewinn ist dann das Mehr an Performance, das die Aktie im Vergleich zum Index erzielt – unabhängig davon, ob die Märkte steigen oder fallen. Fallen die Märkte, kann man trotzdem ein Plus erzielen.

Steigen die Märkte, wäre man mit der Aktie allein besser dran gewesen, da man für eine Absicherung bezahlt hat, die man gar nicht gebraucht hätte. Doch gerade in unsicheren Zeiten sei es sinnvoll, eine Absicherung zu haben.

Ulrich Kaffarnik von der DJE Kapital AG rät dringend von „Buy-and-Hold“-Strategien ab, also von der Strategie, Aktien zu kaufen und lange liegen zu lassen. Die Volatilität werde heuer hoch bleiben, es könne immer wieder tief nach unten wie im Jänner gehen, und es könnte immer wieder zu starken Gegenbewegungen wie in den vergangenen Tagen kommen. Also sollte man antizyklisch agieren, also in guten Zeiten das Risiko reduzieren (Wertpapiere verkaufen), um in schlechten Zeiten wieder Geld für Zukäufe zu haben. Einige Trends sollte man dabei im Auge behalten, meint Kaffarnik: die Erholung der Rohstoffpreise, die Entwicklung der Leitzinsen in den USA (die wohl nicht so stark steigen dürften, wie viele Marktteilnehmer annehmen) und den Euro-Dollar-Wechselkurs, der in Richtung Parität gehen dürfte (was europäischen Unternehmen zupass käme).

Goldman-Sachs-Experte Dirk Schumacher hält die Sorgen, die die Märkte eingepreist hätten, für übertrieben – zumal insbesondere in den USA die Erholung des Arbeitsmarkts auf eine viel stärkere Wirtschaftsentwicklung schließen lasse, als die BIP-Zahlen nahelegten. Das große Fragezeichen sei allerdings China, wo viele Experten zweifelten, ob die offiziellen Wachstumszahlen stimmten.

Lage in Europa verbessert

Dort sinke die Nachfrage nach einigen Rohstoffen, die nach anderen Rohstoffen steige aber – was darauf schließen lasse, dass es sich vor allem um einen Wandel (von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft) handle und nicht nur um eine Wachstumsschwäche. In der Eurozone hätten sich die finanziellen Rahmenbedingungen verbessert. In Spanien und Italien würden etwa wieder mehr Kredite vergeben. „Die Bremsklötze der Vergangenheit sind nicht mehr da“, sagt Schumacher. Die Risken für Europa seien externer Natur: die Entwicklung in China und den USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2016)

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