Klagswelle rollt auf Goldbanken zu

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Das tägliche Gold-Fixing ist längst ein Anachronismus. Aber die Goldbanken sehen sich jetzt mit bis zu 20 Klagen konfrontiert. Der Verdacht: Manipulation des Goldpreises.

Wien/London/New York. Und plötzlich waren es nur noch vier. Nach 20 Jahren wird die Deutsche Bank, das größte deutsche Geldinstitut, am heutigen Dienstag zum letzten Mal am sogenannten Gold-Fixing teilnehmen. Und erstaunlicherweise wird die Deutsche in diesem Gremium auch nicht ersetzt werden – weil sich kein Käufer für den Sitz am Goldtisch in London gefunden hat.

Die Gründe für das mangelnde Interesse sind aber leicht gefunden. Denn auf die Banken, die am Gold-Fixing teilnehmen, rollt eine Welle von bis zu 20 Klagen zu. Der Verdacht: Die Banken hätten ihre privilegierte Position missbraucht, um den Goldpreis zu manipulieren. Und neben den verbleibenden internationalen Großbanken Barclays, Scotiabank, HSBC und Société Générale wird sich auch die Deutsche Bank diesen Klagen noch stellen müssen.

Das Londoner Gold-Fixing ist freilich längst ein Anachronismus aus vergangenen Zeiten. Erfunden 1919, fand es ursprünglich einmal täglich in den holzgetäfelten Büros von N.M. Rothschild & Sons in London statt, um einen Referenzpreis zu ermitteln, der wiederum den Handel erleichtern sollte. Heute findet das Fixing freilich am Telefon statt: um 10.30 Uhr und um 15 Uhr Londoner Zeit.

Handel während der Preiskonferenz

Dabei ist zu beachten: Der Preis sollte bei diesem Fixing nie festgelegt, sondern bloß festgestellt werden – als Mittelwert aller von den Goldbanken durchgeführten Goldtransaktionen der vergangenen 24 Stunden. Die Telefonkonferenzen dauern von zehn Minuten bis zu einer Stunde – und es ist diese Zeit, die die Vertreter der Kläger besonders interessiert.
Laut „New York Times“ konzentriert sich eine der Klagen auf die Handelsaktivitäten der Banken während der Fixing-Verhandlungen. „Der fatale Fehler des Gold-Fixing-Prozesses ist, dass die Mitgliedsbanken die Informationen aus der Telefonkonferenz nutzen können, um mit Gold und Goldderivaten zu handeln, noch während die Konferenz läuft – und so den Preis für Gold und Goldderivate manipulieren, noch bevor das Ergebnis des Goldfixings der breiten Öffentlichkeit bekannt gegeben wird“, heißt es in der Klagsschrift.

Es geht also um einen unfairen Informationsvorsprung – wie so oft bei Manipulationsverdacht an den Märkten. Zu den Klägern gehören Hedgefonds, Privatpersonen und institutionelle Investoren wie der Pensionsfonds von „Alaska Electrical“.

Die Klagen stützen sich auf eine Reihe von Studien, die Unregelmäßigkeiten beim Goldpreises festgestellt haben, welche auf Manipulationen hindeuten könnten. Viele Goldexperten, die solche Unregelmäßigkeiten seit Jahren anprangern, fühlen sich jetzt bestätigt. Oder, wie es der ehemalige Goldhändler und einer der ersten Kläger Kevin Maher gegenüber der „New York Times“ ausdrückte: „Viele Verschwörungstheorien haben sich als Verschwörungstatsachen herausgestellt.“

Tatsächlich wurde die Bankenwelt schon vergangenes Jahr ordentlich durchgerüttelt, als Manipulationen am Referenzzinssatz Libor festgestellt wurden und eine Reihe von internationalen Großbanken zu Milliardenstrafen verdonnert wurden. „Wir wissen, dass der Libor in London manipuliert wurde und auch, dass es am Währungsmarkt übel riecht. Warum sollte es beim Gold anders sein?“, fragt Maher. Den Verdacht der Kläger bestätigt auch eben jene Forscherin, die geholfen hat, den Libor-Skandal aufzudecken.

Rosa M. Abrantes-Metz, Professorin an der Stern School of Business der New York University, hat die Entwicklung des Goldpreises über zehn Jahre analysiert und vor allem ab 2004 eine Häufung verdächtiger Preisbewegungen festgestellt – und zwar besonders während der täglichen Fixing-Konferenzen. An Tagen, an denen sie deutliche Preisveränderungen während der Telefonkonferenz entdeckte, gingen diese in mindestens zwei Drittel der Fälle abwärts, 2010 gingen sie sogar in 92 Prozent der Fälle nach unten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

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