"Das süße Gift der Währungsabwertung"

(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Die aktuelle Phase der fallenden Inflationsraten ist schlecht für den Goldpreis. Aber die Gegenspieler des Goldes, die Papierwährungen, sehen auch nicht topfit aus - denn die Geldexperimente der Zentralbanken werden immer verzweifelter.

Wien. Es gibt sehr viel Papier auf der Welt – aber nur sehr wenig Gold. Eine Analyse des Goldmarktes, die sich bloß auf Angebot und Nachfrage bei physischem Gold sowie die Förderkosten in den Minen beschränkt, muss also unvollständig sein. Dazu kommt, dass Gold dank der Futures-Märkte selbst in Papierform gehandelt wird – also zu Spekulationszwecken.

Und wenn man bedenkt, dass da mindestens das Hundertfache des tatsächlich vorhandenen Goldes virtuell hin und her geschoben wird, dann sollte schnell klar sein: Mit der Philharmoniker-Münze, die der Enkel zu Weihnachten bekommt, hat die Entwicklung des Goldpreises relativ wenig zu tun.

Und genau da ist das Problem. Denn anders als physische Goldmünzen sind weder Märkte noch Währungen in einem sonderlich stabilen Zustand. „2008 wäre das globale Finanzsystem fast kollabiert, was knapp verhindert werden konnte. Aber inzwischen befinden wir uns im siebenten Jahr weltweiter Notenbankexperimente“, sagt Ronald Stöferle, der gemeinsam mit seinem Incrementum-Kollegen Mark Valek vergangene Woche seinen jährlichen „Goldreport“ vorgelegt hat. Der Report gilt als seriöses Standardwerk in einer Branche, der es an Scharlatanen und Rattenfängern wahrlich nicht mangelt.

Disinflation drückt Preis

Nach sieben Jahren Krise lasse der sich selbst tragende Aufschwung weiter auf sich warten, so Stöferle. Weshalb die Zentralbanken noch weit vom Ausstieg aus ihrem Billiggeld-Experiment entfernt sind: „Global gesehen werden Notenbanken heuer noch mehr Basis-Geld schöpfen als bereits in den Jahren zuvor.“

Das Problem: Nicht nur der Aufschwung, auch die von den Zentralbanken erhoffte Inflation bleibt bisher aus. Es gibt auch keine Deflation. Was es gibt, ist Disinflation. Also fallende Inflationsraten. Heißt: Die Preise steigen, aber langsamer als zuvor. „Die disinflationären Kräfte haben bereits seit 2011 klar die Oberhand“, heißt es im Report von Stöferle und Valek, der mit fast 140 Seiten heuer so dick ausgefallen ist wie noch nie.

Kursziel bleibt 2300 Dollar

Diese Phase der Disinflation ist nicht ohne Grund mit dem Rückgang des Dollar-Goldpreises von 1900 Dollar pro Unze auf derzeit rund 1200 Dollar einhergegangen. Disinflation ist eigentlich die schlechtest mögliche Umgebung für Gold. Historisch entwickelt sich das Metall sowohl in Phasen der Deflation als auch der Inflation hingegen besser.

„Auch wenn wir nicht mit einer dermaßen langen Korrekturphase gerechnet hatten, so teilen wir definitiv nicht die Meinung vieler anderer Analysten, wonach 2011 ein säkularer Bärenmarkt begonnen habe.“ Heißt: Zu einer Zeit, in der die Mainstream-Analysten sich mit immer niedrigeren Goldpreisprognosen unterbieten, hält Stöferle an seiner langfristigen Preisprognose von 2300 Dollar fest. Das wäre dann der inflationsbereinigte Höchststand von 1980, als Gold auf damals 800 Dollar gestiegen ist. Bei der Timing-Frage will er sich freilich nicht festlegen.

Es gibt heute einen wichtigen Unterschied zu 1980: „Zum Ende dieses letzten großen Bullenmarktes wollte die Fed mittels restriktiver Geldpolitik den steigenden Inflationstrend beenden. Heute setzen Notenbanker rund um den Globus hingegen alles daran, steigende Teuerungsraten zu erzeugen“, so Mark Valek: „Die permanenten Kunstgriffe der Währungspolitik sind inzwischen eine Notwendigkeit geworden, um den Fortbestand des Geldsystems zu ermöglichen.“ Deswegen wollen Stöferle und Valek auch nicht so recht daran glauben, dass die Fed die Zinsen heuer deutlich anheben kann. Und selbst wenn sie das tut, dürfte es eher Show sein, meinen sie.

„Japan ist ein Beispiel, das sich Verteidiger der geldpolitischen Experimente ungern näher ansehen. Das Land ist ein Musterschüler der aggressiven Geldpolitik. Seit 18 Jahren gibt es dort eine de facto Nullzinspolitik. Jeder Versuch, die Zinsen anzuheben, scheiterte innerhalb weniger Quartale und musste wieder zurückgenommen werden. Durch die Niedrigzinspolitik konnte sich der Staat derart hoch verschulden, dass ein signifikanter Zinsanstieg nun endgültig illusorisch erscheint“, heißt es in dem Report. Und: Insofern sei es kein Zufall, dass der Goldpreis in Yen nahe seiner Allzeithochs notiert. In Rubel sieht das Bild nach der heurigen Russland-Krise ähnlich aus. Und dank der Loslösung des Franken vom Euro konnte der Goldpreis auch hierzulande heuer bereits wieder kräftig zulegen.

Derzeit hält er sich hartnäckig rund um 1050 Euro pro Unze; Höchststand 2011: rund 1300 Euro. „Das süße, epidemische Gift der Währungsabwertung hat nun – nach Japan – auch auf die Eurozone übergegriffen“, so Stöferle. Aber: „Würde eine Schwächung der Währung langfristig Wohlstand und Prosperität erzeugen, so müssten Zimbabwe und Venezuela an der Spitze und die Schweiz am Ende der Wirtschaftsrankings stehen.“

Ein günstiger Einstiegspunkt?

Seit 2008 hat sich also nicht viel getan. Außer, dass das Pulver der Zentralbanken verschossen wurde. Das Ergebnis: Die weltweite Gesamtverschuldung ist von 142 auf 199 Billionen Dollar gestiegen. Das entspricht fast 300 Prozent des weltweiten globalen BIP. Das ist die Welt aus Papier, der insgesamt gerade mal 175.000 Tonnen physisches Gold gegenüber stehen.

Stöferle und Valek gehen davon aus, dass die Notenbanken die gewünschte Inflation irgendwann bekommen werden. Ihre eigenen Indikatoren weisen darauf hin, dass die Teuerung schon wieder anzieht. Der Goldpreis widerspricht dem nur auf den ersten Blick, denn er sinkt nur in Dollar, Pfund und Franken. Gemessen mit einem allgemeinen Währungskorb steigt er sogar schon seit Herbst 2014 wieder deutlich.

Fazit: „Die Wettbewerbsposition von Gold hat sich in den vergangenen Monaten gegenüber Papiergeld und anderen Anlageklassen erheblich verbessert.“ Aber das werden nur diejenigen hören wollen, die nach einem günstigen Einstieg suchen („Buy low“). Großes Thema wird Gold erst wieder sein, wenn die Inflation anzieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2015)

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