Gold: Tiefster Stand seit Anfang 2010

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Bei kaum einem Thema haben sich die meisten Finanzanalysten so geirrt wie beim Gold. Nun herrscht Ratlosigkeit, wie es mit dem Goldpreis weitergehen wird.

Wien. Der Goldpreis ist ein typisches Beispiel dafür, dass es sich für Privatanleger nicht lohnt, jedem vermeintlichen Trend hinterherzulaufen. Gleich nach den Terroranschlägen von Paris gingen Investoren auf Nummer sicher und kauften Gold. Doch der Aufwärtstrend hielt nur kurz. Am Dienstagabend ging es mit dem Goldpreis wieder abwärts. Er fiel auf den tiefsten Stand seit fast sechs Jahren. Eine Feinunze kostete nur 1068 Dollar und damit so wenig wie seit Jänner 2010 nicht mehr. Am  Mittwoch gab es im Tagesverlauf kleinere Schwankungen.

Das zeigt, dass Gold derzeit ein Spekulationsobjekt für kurzfristige Investoren ist. Minimale Kursausschläge werden genutzt, um Gewinn zu machen. Blickt man auf einen längeren Zeitraum zurück, dann stellt sich heraus, dass viele Analysten beim Gold ziemlich danebengelegen sind.

Als die Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010 ihren Höhepunkt erreichte, lud die eine oder andere Bank zu Pressekonferenzen ein. Damals wurden glänzende Zeiten für das Edelmetall vorhergesagt. Es gab Prognosen, wonach der Goldpreis bis zum Jahr 2013 auf 2300 US-Dollar steigen soll. Doch es kam anders. Den Höhepunkt erreichte der Preis im Sommer 2011 mit 1825 US-Dollar. Seitdem ging es bergab. Allein in den vergangenen zwölf Monaten gab es auf US-Dollar-Basis ein Minus von zehn Prozent.

Starker Dollar schwächt Gold

Die derzeitige Goldschwäche hängt mit dem stärkeren US-Dollar zusammen. Denn das Edelmetall wird in US-Dollar gehandelt. Auf Eurobasis sieht die Lage freundlicher aus. Hier hat der Preis in den vergangenen zwölf Monaten um fünf Prozent zugelegt.
Ein Grund für den Dollar-Aufschwung ist die mögliche Zinserhöhung durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Steigen in den USA die Zinsen, wird Gold für Investoren weniger attraktiv, weil das Edelmetall im Gegensatz zu anderen Anlagen keine laufenden Erträge abwirft.

Viele Börsianer gehen davon aus, dass die Fed im Dezember erstmals seit fast einem Jahrzehnt wieder die Zinsen anheben wird. Auch Fed-Chefin Janet Yellen und weitere Notenbanker haben angedeutet, dass eine Erhöhung bei der Notenbank-Sitzung am 15. und 16. Dezember möglich sei. Der Grund dafür sind die meist positiven Wirtschaftsdaten in den USA. In der Eurozone sieht die Situation anders aus. Die EZB dürfte im Dezember ihre Geldpolitik noch weiter lockern. So sagte jüngst der Chefvolkswirt der EZB, Peter Praet, zur Nachrichtenagentur Bloomberg: „Es gibt Risken, und deshalb erwägen wir weiteres Handeln.“ Die niedrigen Inflationserwartungen und die schwache Wirtschaft seien „ein gefährlicher Cocktail“.

Analysten sind sich derzeit uneinig, wie es mit dem Goldpreis weitergeht. Einige meinen, dass es in den nächsten Wochen weiter bergab gehen könnte. Solange nicht klar ist, ob die US-Notenbank Fed die Zinsen tatsächlich anheben wird, dürfte die Unsicherheit anhalten. Andere raten dagegen, das niedrige Kursniveau für Zukäufe zu nutzen. Die gegenwärtigen Spekulationen um den Goldpreis zeigen, dass es wenig Sinn hat, Analysten mit langfristigen Kurszielen zu vertrauen. Denn niemand kann vorhersagen, wie die weltpolitische Lage und die Situation auf den Finanzmärkten in zwei oder drei Jahren aussehen werden.

Noch im Frühling war Griechenland das zentrale Wirtschaftsthema. Im Sommer beherrschten die Auswirkungen der Flüchtlingskrise und die Börsenturbulenzen in China die Schlagzeilen. Jetzt dreht sich alles um den Terror des Islamischen Staates.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2015)

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