Ist die Immobiliensteuer verfassungswidrig?

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Vertrauensschutz. Bei der Einführung der Immobilienertragsteuer für Altvermögen hat der Gesetzgeber nicht lang gefackelt, Eigentümern blieb kaum Zeit für Dispositionen. Eine Betroffene wandte sich deshalb an den Verfassungsgerichtshof.

Wien. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wird die Immobilienertragsteuer zu einem Fall für den Verfassungsgerichtshof. Erst kürzlich hat das Bundesfinanzgericht einen Antrag auf Gesetzesprüfung gestellt, und zwar wegen des Abzugsverbots für Werbungskosten. Eine weitere Beschwerde stellt nun die Verfassungsmäßigkeit der Steuer an sich infrage. Jedenfalls, so weit sie Altvermögen betrifft – also Liegenschaften, die vor dem 31. März 2002 angeschafft wurden.

Für diese war am Stichtag für die Neuregelung, dem 31. März 2012, die zehnjährige Spekulationsfrist bereits vorbei. Nach der alten Rechtslage hätten sie steuerfrei verkauft werden können, nach der neuen, die am 1. April 2012 in Kraft trat, nicht mehr.

Der Anlassfall betrifft eine Pensionistin, die 1989 eine Wohnung in Wien gekauft hatte und sie rund 23 Jahre später wieder veräußerte. Im Jänner 2012 beauftragte sie einen Makler, im April kam das Kaufanbot, im Mai wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Dass das nicht rascher ging, war Pech für sie: Wäre der Verkauf bis zum 31. März über die Bühne gegangen, hätte sie keine Steuer zahlen müssen – die Wohnung war schon seit 13 Jahren nicht mehr „steuerverfangen“. Ab 1. April war aber plötzlich alles anders.

Eingeführt worden sei die Ertragsteuer auf Altvermögen „buchstäblich über Nacht“, kritisiert Rechtsanwalt Raoul Wagner, der die Beschwerdeführerin vertritt. Erst am 28. März 2012 wurde das Gesetz im Nationalrat beschlossen. Schon das Begutachtungsverfahren war denkbar kurz gehalten worden: Das Begleitschreiben zum Gesetzesentwurf war mit 17. Februar 2012 datiert, zehn Tage später endete die Frist für die Stellungnahmen.

Das Tempo, mit dem diese laut Wagner „faktisch rückwirkende“ Steuerbelastung durchgepeitscht wurde, ist nun einer der Anknüpfungspunkte für die Beschwerde beim VfGH: Die Belastung von Altvermögen mit der Immobilienertragsteuer stelle einen „völlig unberechenbaren und unvorhersehbaren Akt des Gesetzgebers“ dar, heißt es da. Dass ein im Vertrauen auf die Rechtslage angeschafftes und in diesem Fall sogar bereits seit dreizehn Jahren nicht mehr steuerverfangenes Vermögen über Nacht wieder für steuerverfangen erklärt worden sei, verletze das verfassungsrechtliche Vertrauensschutzprinzip. Den Betroffenen sei nicht einmal Zeit für etwaige Dispositionen gelassen worden – was der Gesetzgeber eventuell sogar beabsichtigt habe, „nur um kurzfristig irgendwelche Budgeteinnahmen zu generieren“.

Unsachliche Differenzierung?

Dass es für Liegenschaftseigentümer, die zur selben Zeit eine Immobilie erwarben, steuerlich einen Unterschied macht, ob sie sie im März oder im April 2012 verkauft haben, sei außerdem unsachlich. Fazit: Die Neuregelung verletze den Gleichheitssatz. Budgetnöte lässt Wagner nicht als hinreichenden Grund dafür gelten: Verfehlte Budgetpolitik sei keine Rechtfertigung für rückwirkend belastende Steuergesetze.

Die Beschwerde stützt sich auch auf bisherige VfGH-Judikatur in Steuersachen, zum Beispiel auf die Entscheidung G172/99. Zum Vertrauensschutz heißt es dort unter anderem, dass der Gesetzgeber zwar durchaus die Rechtslage für die Zukunft ungünstiger gestalten darf, dass man aber in bestimmten Fällen Gelegenheit bekommen muss, sich rechtzeitig darauf einzustellen – etwa dann, wenn ein Investitionsanreiz gestrichen wird.

Die Aussicht, eine Immobilie nach zehn Jahren steuerfrei verkaufen zu dürfen, könnte für etliche Käufer tatsächlich ein Anreiz gewesen sein. Nun heißt es abwarten, wie die Verfassungsrichter das bewerten werden. Und ob sie die Ansicht teilen, dass es hier faktisch um eine rückwirkende Verschlechterung geht. Eine solche ist nur bei besonderen Rechtfertigungsgründen verfassungskonform. [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2014)


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