Wien Nussdorf: Klavierzimmer mit Barockgarten

Beethoven bezog in der Wiener Kahlenbergerstraße 26 ein Rokokohaus. Architekt Heinz Neumann restaurierte und baute es rund 200 Jahre später aus.

Die Liste der Wohnsitze Ludwig van Beethovens in Wien ist lang. Mag sein, dass der Komponist und Pianist nicht der einfachste Mieter war und seine Quartiergeber aufatmeten, wenn er wieder auszog. Das Genie dürfte infolge seiner Gehörkrankheit zunehmend laut und infolge seiner Verzweiflung zunehmend rastlos geworden sein.
Eine jener 36 Wiener Adressen, an denen sich Beethoven länger aufhielt, ist das Rokokohaus in der Kahlenbergerstraße 26 in Nussdorf. Hier hatte er im Sommer 1817 eine Wohnung im ersten Stockwerk mit Blick auf Innenhof und Garten bezogen: „Küche, Kammer und einen großen Eckraum, in dem das Klavier stand“, erzählt Architekt Heinz Neumann, der vor ein paar Jahren dieses denkmalgeschützte Rokokohaus gekauft und bis zum Vorjahr komplett restauriert hat. Im Komponierzimmer wurden im Zuge dessen auch Malereien freigelegt (nun geschützt hinter Glas), die eine genaue Zuschreibung der Räumlichkeiten zu Beethoven zuließen. Heute wohnen in dieser und den anderen Wohnungen neue Mieter oder Eigentümer.

Feucht und morsch

Der Zustand, in dem Neumann das Gebäude vorfand, hätte andere Bauherren oder Planer vielleicht abgeschreckt: Es glich mehr einer Ruine, nur eine von sechs Wohnungen im Haupthaus war belegt, das Nebengebäude bloß als Geräteschuppen genutzt. „Ursprünglich wurde das Haus 1674 von einem Farbenhändler errichtet, der Indigo hergestellt hat. Nachdem zwei Schiffe mit seiner Ware untergegangen waren, war er bankrott. Später wurde es zum Weinhof. Und es war dann eines der ersten Mietshäuser in der Gegend.“

Gelockt hat Neumann, der gern Bauaufgaben sucht, die Altes und Neues verbinden, die Möglichkeit, „etwas daraus zu machen“. Den Aufwand – bei aller Zufriedenheit über das Resultat – wünscht er sich nicht noch einmal. Eine Riesenherausforderung war schon die Trockenlegung des Mauerwerks: „Die Ziegel sind früher einfach auf die Erde gestellt worden, es gab keine Isolierung.“ Bis auf die Kellersohle musste aufgegraben, zudem ein Kanalanschluss errichtet werden, schildert Neumann. Ganz oben die nächste Baustelle: Holztrame und Träger waren morsch, es galt die Konstruktion, die schmalen Gauben und das verwinkelte Dach in der alten Form wieder aufzubauen – nicht aber zu kopieren. Was neu ist, soll als Neues sichtbar sein, ist Neumanns Überzeugung. Was aber intensivere Dialoge mit dem Bundesdenkmalamt bedingte, das sich sonst sehr kooperativ gezeigt hatte. Intensivere Abstimmungen waren auch wegen der Tiefgarage vonnöten – die Einfahrt sollte auf der spätbarocken Fassade nicht zu erkennen sein. Überdies war im Keller wenig Platz – so wurde unterhalb des Hauses durch die Gewölbetonne bis ins Erdreich durchgestochen. Darüber ließ Neumann im Übrigen einen barocken Garten anlegen, dessen Sektoren nun zu den Wohnungen im Haupthaus gehören. Die beiden Wohnungen, die Neumann in den Nebengebäuden als Maisonetten errichten konnte, haben eigenes Grün – in der früheren Einfahrt für die Fuhrwerke. Pool und Saunahaus teilen sich alle Bewohner.

Der Detailsinn und die Sammelleidenschaft des bekannten Architekten schlägt an vielen Stellen durch: So fanden im Eingangsbereich Steine einer abgebrochenen alten Fabrik ihren Einsatz. Die Türlaibungen aus Naturstein wurden restauriert, neue Kastenfenster eingesetzt, die originalen Teppichstangen auf den Treppen angebracht. „Die Büste des Komponisten, die im Hof steht, hab ich im Internet gefunden“, erzählt Neumann. Auch dass hinter mancher Tür alte schöne Ziegel lagern. Es ist anzunehmen, dass Neumann sie bald, bei der nächsten vergleichbaren Baustelle, gebrauchen kann.

INFO

Ludwig van Beethoven zog zwischen 1792 und 1827 zigmal in Wien um, Adressen unter: www.wien.gv.at/wiki

Heinz Neumann und sein Architekturbüro Neumann & Partner realisieren nebst großen Büro- und Wohnobjekten Projekte im Denkmalschutzkontext: Restauriert und umgebaut wurden z. B. Park Hyatt im Goldenen Quartier, Palais Fürth (1080), ehemalige Handschuhfabrik Zacharias in der Boschgasse (1190), www.neumannundpartner.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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