"Ich wollte an einem ganz neuen Ort leben"

Viel im Kunstbetrieb unterwegs, schätzt die Galeristin Christine König die Ruhe ihrer Wohnung in einem Adolf-Krischanitz-Bau in Wien. Gäste kommen gern und oft.

Zur Lindengasse hin wirkt das große, von Architekt Adolf Krischanitz geplante Gebäude zurückhaltend. Im Innenhof zeigt es jedoch subtile Dynamik: Auf jeder Seite knickt die Fassade in der Mitte leicht nach außen, die Pfeiler zwischen den Loggien greifen dieses Spiel mit dem Konvexen und Konkaven überdies auf. Tiefe Logen blicken zu den organisch geformten Grün- und Wasserinseln im Hof hinunter, dem Bewohner wird Geschütztheit vermittelt. Geplant hat Krischanitz dieses Wohnhaus vor zehn Jahren, umgesetzt wurde es bis 2008, scheint aber über seine Zeit bereits erhaben.

„Ich wollte einmal an einem ganz neuen Ort leben, an dem noch niemand gelebt, geliebt, geflucht hat oder gar gestorben ist. Ich wollte neue, weiße Wände“, erklärt die Galeristin Christine König ihre Entscheidung, ihr Loft (eine Etage der früheren Wiener Werkstätten), in dem sie viele Jahre lebte, ihrer Tochter zu überlassen. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Wände in dem Neubau hochgezogen wurden, konnte sie sich eine Wohnung im sechsten Stock des Krischanitz-Baus sichern und nach ihren Vorstellungen umplanen. So steht in Königs Wohnung keine Wand mehr dort, wo ursprünglich vom Architekten vorgesehen. Dem großen, zentralen Wohnraum ist eine Bibliothek – gleich beim Eintritt – vorgelagert. In Nischen finden viele Dinge Platz – etwa die Küche als Bulthaup-Werkbank oder ein Kleider- und Schuhschrank (für eine disziplinierte Shopperin). Was die Galeristin nämlich gar nicht schätzt, sind frei stehende Kästen. „Hier gibt es nur Einbauten, teilweise mit Leinenvorhängen statt Türen. Das habe ich von Adolf Loos, von Josef Frank, den ich sehr verehre, und natürlich von Luigi Blau gelernt.“ Blau hat für sie einen besonderen Stellenwert, „weil er die Wiener Moderne auf so elegante Weise weiterführte“ und ihre erste Wohnung 1973, noch im Elternhaus, später ihre Galerie in der Schleifmühlgasse plante. So wie sie genaue Vorstellungen von der Architektur hat, hat sie diese auch vom Mobiliar. Selbstverständliche Umsetzung finden ihre Ideen bei ihrem Tischlermeister aus Pinkafeld, Karl Putz.

Kein Zufall, doch Fügung

Von zwei Balkonen flutet das Licht durch diesen ruhigen Ort. Auf der größeren, nach Norden ausgerichteten Terrasse gedeihen Flieder, Ginster, Schlehdorn, Hortensien und wilder Wein. Die Loggia liegt nach Süden, ist aber gut beschattet. Diesen Platz teilen sich die Kräutertöpfe und die professionelle Speiseeismaschine, die oft zum Einsatz kommt, weil die Hausherrin sehr gern zum Essen einlädt. Dann machen es sich die Gäste auf den Cherner Chairs rund um den langen Piet-Hein-Tisch gemütlich, verteilen sich auf den amerikanischen Sofas, die von halbhohen Bücherregalen eingefasst sind. Oder sie verplaudern sich im Badezimmer. Da die Gastgeberin derlei Okkupation ganz entspannt sieht und dieser nur leicht vom Schlafzimmer abgetrennte Raum eine eigene Atmosphäre hat. Was vermutlich damit zu tun hat, dass König bei dessen Planung Maß an einem Bild nahm – genauso breit wie die feine Zeichnung des Dichters Pierre Klossowski sollte der Duschraum werden.

Nichts sei zufällig, „alles ist mit Bedacht gewählt“, meint die Galeristin, die mit vier internationalen Künstlern auf der diesjährigen Biennale Venedig vertreten ist und an diesem Vienna Gallery Weekend in ihre Galerie einlädt. Das merkt man – und auch wieder nicht, denn die Möbel, Bücher und Kunstwerke vermitteln Selbstverständlichkeit. „Ich glaube, dass sich alles zusammenfügt, wenn man die Dinge liebt“ – etwa den Kleiderständer von Thonet, die Franz-West-Deckenlampe, die Kinderdecke aus Nepal, die kleine Giacometti-Zeichnung, den Blondinenwitz-Haiku in Neon über dem Herd. „Wenn das Repräsentative nicht im Vordergrund steht, fühlen sich die Leute wohl.“

ZUR PERSON

Christine König betreibt seit 25 Jahren eine Galerie in der Schleifmühlgasse in 1040 Wien und betreut heimische und internationale Künstler. Ihre Galerie ist wie 20 andere an diesem Wochenende am Vienna Gallery Weekend beteiligt: www.christinekoeniggalerie.com,

www.viennagalleryweekend.com.

Architekt Adolf Krischanitz plante das Objekt Lindengasse: www.krischanitz.ch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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