Der Geschichte verpflichtet

Grätzelbesuch. Architekt Thomas Feiger wohnt und arbeitet im Cottageviertel. Als Präsident des Wiener Cottage-Vereins wacht er über dessen Entwicklung und bedauert manche Auswüchse.

Wenn man Thomas Feiger um eine Charakterisierung „seines“ Grätzels bittet, hält er sich gar nicht erst bei den Einzelheiten auf – die setzt er voraus. „Das Cottage Viertel ist eines der schönsten von Wien“, strahlt er. Was genau er damit meint, zeigt sich spätestens dann, wenn man durch die kleinen Gassen des im Norden von der Hartäckerstraße, im Süden von der Edmund-Weiß-Gasse, im Osten von der Gymnasiumstraße und im Westen vom Türkenschanzpark begrenzten Grätzels schlendert. Eine prachtvolle, historische Villa reiht sich an die andere, die einen sich mit ihren kunstvollen Türmen selbstbewusst gen Himmel streckend, die anderen verborgen hinter grünem Buschwerk, aber alle mit großzügigen Gartenanlagen, deren Umfang sich von der Straße aus nur erahnen lässt. „Hier ist es an den Wochenenden so ruhig, dass man mitten auf der Straße spazieren gehen kann“, schwärmt Feiger mit einer ausladenden Geste.

Wachen über Servitut

Dass es möglichst so bleibt, darüber wacht Feiger persönlich mit seinen Kollegen. Seit 2014 ist er Präsident des Wiener Cottage-Vereins, einer Interessengemeinschaft der Anwohner, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebens- und Wohnqualität im Cottage zu erhalten. „Ich bin erst der zweite Obmann, der auch Architekt ist. Als solcher kann man die Entwicklung natürlich auch in fachlicher Hinsicht besser begleiten“, sagt er. Der erste war Ringstraßen-Architekt Heinrich von Ferstel, der den Verein 1872 ins Leben rief und gleichzeitig auch die ersten Ein- und Zweifamilienhäuser in dem damals noch gänzlich unverbauten Gebiet zwischen Döbling und Währing initiierte. Als Vorbild fungierten die britischen Gartenstädte, und um eine möglichst hohe Wohnqualität zu erreichen, wurde das sogenannte Cottage-Servitut entworfen, ein grundbücherlich registriertes Regelwerk, das die künftigen Bewohner dazu verpflichtete, gewisse Regeln einzuhalten. Etwa, dass ein Mindestabstand zu den Nachbarvillen eingehalten und kein lärm- oder geruchsbelästigendes Gewerbe ausgeführt werden durfte. Geschäftsstraßen oder Nahversorger konnten sich aus diesem Grund in dem Grätzel nicht oder kaum etablieren und auch gastronomische Angebote haben Seltenheitswert. Eine Ausnahme bildet das Salettl, ein kleines, von üppigem Grün umwuchertes Szenelokal in der Hartäckerstraße, das Feiger in seinen Mußestunden besonders gern aufsucht: „Ländlicher und romantischer als hier kann man die Stadt nicht haben“, schmunzelt er. Weniger ländlich geht es in der Peter-Jordan-Straße zu. Sie ist, genauso wie die Hasenauerstraße – beide Durchfahrtsstraßen durchschneiden das Viertel in west-östlicher Richtung –, eines der Sorgenkinder des Vereinsobmanns. „Der Verkehr hier ist ein Wahnsinn“, klagt er. Dutzende Male habe er bei den beiden Bezirksvorstehern interveniert, um zumindest eine Geschwindigkeitsbegrenzung zu erreichen, erzählt er. „Ich habe sogar angeboten, einen dieser mobilen Geschwindigkeitsanzeiger auf eigene Rechnung zu kaufen, was aber leider abgelehnt wurde.“
Seine eigentliche Leidenschaft gehört aber dem Erhalt der historischen Bausubstanz. „Es gibt viel Spekulation in der Gegend“, kritisiert er und zeigt auf ein halb abgetragenes, dachloses Gebäude in der Hasenauerstraße. „Der Bauträger hat die Arbeiten vor zwei Jahren eingestellt und spekuliert jetzt wohl auf eine Abrissmöglichkeit. Und wir können – trotz Schutzzone und Cottage-Servitut – dagegen überhaupt nichts machen“, klagt er. Dabei hat er im Grunde gar nichts gegen Neubauten, „sofern sie architektonisch hochwertig ausgeführt werden und mit der historischen Bausubstanz des Viertels harmonieren“. Als positives Beispiel verweist er auf eine neue Wohnanlage in der Hartäckerstraße, wundert sich aber gleichzeitig darüber, dass trotz länger zurückliegender Fertigstellung bisher noch keine Wohnung bezogen wurde. Andererseits gelingen auch historische Sanierungen nicht immer: Den neuen Dachaufbau eines Nebengebäudes der Universität für Bodenkultur etwa kritisiert er als „scheußlich, da viel zu massig“. Die Sanierung des Hauptgebäudes hingegen findet seinen uneingeschränkten Zuspruch: „Ein Musterbeispiel dafür, wie sie im Grätzel gelingen können.“

Zu Ort und Person

Das Cottageviertel wurde auf Initiative des Architekten Heinrich von Ferstel nach dem Vorbild der britischen Gartenstädte ab 1872 verbaut. Ein grundbücherlich fixiertes Servitut legte dafür die Regeln fest, der eigens gegründete Wiener Cottage-Verein wacht bis heute über deren Einhaltung. Thomas Feiger ist dessen aktueller Präsident. Die Preise sind gehoben: Eigentum kostet in Döbling und Währing im Erstbezug zwischen 5100 und 5800 Euro/m22. www.cottageverein.at

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