Ausblick: Intelligenter, teurer, schöner und smarter

Veränderungen im Wohnbau finden eher gemächlich statt, erst langfristig sind tief greifende Veränderungen merkbar. Vier Experten wagen Prognosen, wie Häuser und Städte 2048 aussehen könnten.

Sieht man von einigen mutigen Experimenten ab, hat sich beim Wohnbau in den letzten 33 Jahren formal nur wenig geändert. Große Fortschritte wurden allerdings bei Wohnqualität und Funktionalität erzielt. 1982 etwa war vom Niedrigenergie- oder Passivhaus kaum die Rede, heute sind diese Bauformen fast schon Standard. Es gab damals im städtischen Bereich einen riesigen Bestand an Altbauwohnungen ohne Bad und mit Toilette am Gang – mittlerweile eine zu Recht vom Aussterben bedrohte Kategorie. Man dachte an die Revitalisierung dieser alten Häuser und – heute noch aktuell – an mehr Grün in der Stadt. Single- und Seniorenwohnungen waren ebenso wenig ein Thema wie betreutes Wohnen. Und was werden die nächsten 33 Jahre bringen? Wird es ebensolche Veränderungen geben? Das meinen Experten unterschiedlicher Profession:

► Der Architekt: „Intelligente Strukturen.“ Viele Details weiß man noch nicht, meint Jakob Dunkl von Querkraft Architekten: „Im Jahr 2048 gibt es Benutzergruppen, die wir heute noch nicht kennen. Wie viele Kinder hat eine Familie? Wer will in einer WG wohnen? Wer arbeitet zu Hause – fast alle oder niemand mehr? Welche Lebenserwartung haben wir 2048? Sind wir reich oder arm?“, fragt sich der Planer. Da heute niemand verlässliche Antworten liefern kann, lauten seine Schlussfolgerungen: „Wir müssen flexibel bleiben. Wir brauchen intelligente Strukturen, die vieles ermöglichen. Zugleich brauchen wir Baukultur. Einen langweiligen Betonblock mit kleinen Fenstern wird niemand mehr wollen. Helle, freundliche Häuser, die Lebensfreude ausstrahlen, werden länger überleben.“

Dem Leben in der Stadt prophezeit Dunkl eine schöne Zukunft: „Mobilität und Wohnen werden noch enger verknüpft werden.“ Der Architekt, der selbst das Fahrrad bevorzugt, meint, 2048 werden im Straßenraum oder in teuren Tiefgaragen herumstehende Individualfahrzeuge Geschichte sein.

Dunkl glaubt an leisere, sauberere Städte, in denen Öffis, Fahrräder und Elektrotaxis das Stadtbild prägen: „Die Erdgeschosse werden wieder bewohnt sein. Auf unseren Straßen wird wieder gelebt, gespielt, geplaudert werden. Der Wiener Gürtel wird das deutlichste Beispiel der Entwicklung sein. Wer hätte gedacht, dass er 2048 zur begehrtesten Wohnadresse geworden ist?“, sagt er mit Blick nach vorn.

► Der Immobilienexperte: „Wohnen wird teurer.“ Das Bevölkerungswachstum und vor allem der Zuzug in urbane Zentren werden weiter anhalten. Das erfordere dichteres Bauen in den Städten, meint Mathias Mühlhofer von der Immobilienrendite AG: „Die alten Wiener Zinshäuser werden zunehmend durch höhere Neubauten ersetzt“, so seine Schlussfolgerung. Was auch Folgen für das Umland haben wird: „Die Speckgürtel werden einerseits exklusiver werden, wie man heute am Beispiel Mödling beobachten kann. Sie werden andererseits aber auch wachsen. Wo hochrangige Verkehrsinfrastruktur für eine schnelle Anbindung an die Stadt sorgt, etwa im Tullnerfeld, werden zunehmend mehr Menschen wohnen wollen.“

Und wie werden sich die Preise für das Wohnen entwickeln? Mühlhofer rät, man solle sich nicht auf den Staat verlassen. „Auch das System des sozialen Wohnbaus wird langfristig nicht für alle sorgen können, die Bauleistung geht zurück. Eines Tages werden sogar die derzeit günstigen Altbaumieten nicht mehr unverändert bleiben, zumindest bei Neuverträgen.“ Mühlhofer erwartet, dass für das Wohnen künftig auch in Österreich ein größerer Teil des Einkommens ausgegeben werden muss.

► Der Marktforscher: „Wohnen sichert Lebensqualität.“ Wohnen wird weiter an Bedeutung gewinnen, davon ist Werner Beutelmeyer, Vorstand des Linzer Market-Instituts, überzeugt: „Die Konjunktur des Wohnthemas ist in engem Zusammenhang mit der steigenden Risikosensitivität der Bevölkerung zu sehen.“ Er verweist auf den deutschen Soziologen Ulrich Beck, der ein zunehmendes Risikobewusstsein ortet. Beutelmeyers Schlussfolgerung: „Lebensrisiko lässt sich am besten absichern, indem man gut wohnt“. Gutes Wohnen schaffe außerdem eine finanzielle Vorsorge.

„Außerdem ist gutes Wohnen eine der letzten Zapfstellen für Lebensenergie in einer stressgeplagten Highspeed-Gesellschaft“, meint Beutelmeyer. Eine weitere Zukunftsdimension betrifft seiner Meinung nach den Megatrend der Individualisierung: „Wohnen wird zunehmend zur Bühne des Ichs.“ Hier werden nach Ansicht von Beutelmeyer fast alle Wohnszenarien von Hightech bis Urban Farming möglich sein.

► Der Technikexperte: „Wohnen wird smart.“ Intelligente Gebäude, wie sie im Industrie- und Verwaltungsbau heute schon Realität sind, werden nach Ansicht von Adalbert M. Neumann von Busch-Jaeger Elektro in Zukunft auch den Wohnbau, den privaten und den staatlichen, prägen: „Im Wohnungsbau ist intelligent vernetzte Haustechnik der Schlüssel zu Sicherheit, Komfort und Effizienz“, sagt er.
Auch die aktuellen Diskussionen über den Klimawandel, über regenerative Energien, die steigenden Energiekosten und die Themen Energieeffizienz und Elektromobilität werden den Trend zum Bau intelligenter Häuser beschleunigen, ist der Experte überzeugt.

Auf Einen Blick

Die Wohnzukunft
Wohnbauten, die ein Megadrucker in wenigen Tagen errichtet. Intelligente Häuser, die ihre Nutzer erkennen, das Raumklima nach ihm ausrichten, ein Musikprogramm und das Abendessen vorschlagen. Solche Zukunftsszenarien werden nach Meinung der Experten 2048 die Ausnahme und nicht die Regel sein. Primär wird die Funktionalität und Flexibilität der Wohnbauten weiter steigen. Und natürlich wird 2048 jeder Neubau ein Plusenergiehaus sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.