Alte Bretter in neuen Häusern

Altholz. Als Statussymbol des alpinen Lifestyles sind alte, vornehmlich von Hand behauene Hölzer in Nobelhotels und luxuriösen Zweitwohnsitzen längst Standard geworden. Doch Achtung: Man kann es auch übertreiben.

Was früher auf alten Bauernhöfen, in Ställen und Scheunen schlichte Funktionen hatte und lieblos entsorgt wurde, ist in den letzten Jahren zu einem begehrten, weil zeitlosen und optisch ansprechenden Rohstoff geworden: „Altes Holz in Privathäusern ist extrem gefragt“, erklärt Christof Fichtner, der mit seinem Betrieb im oberösterreichischen Gunskirchen viele zahlungskräftige Kunden vor allem in Kitzbühel beliefert. „Das hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt.“

Handgehackte Wände

Immobilien, die mit Altholz ausgestattet sind, werden von Käufern besonders bevorzugt. „Originales Altholz und kein Lookalike ist ein exklusives Produkt und wird daher in Immobilien gern für den Innenausbau verwendet“, bestätigt auch Wolfgang Böhm, geschäftsführender Gesellschafter von Engel & Völkers in Kitzbühel. Altes Fichtenholz für die Wandverkleidung und die Tischplatte, am besten handgehackt und damit besonders nostalgisch, Eiche für den Boden oder für die Treppe. Sogar die Küche und der Nassbereich werden mittlerweile mit Altholz auf nostalgisch-rustikal getrimmt.
Dieser Trend dürfte inzwischen die Spitze erreicht haben, meint Philipp Hoflehner, Creative Director bei Bernd Gruber, einem international aktiven Innenausbaubetrieb mit Sitz in Kitzbühel und Stuhlfelden. Gerade in Österreich gibt es zahlreiche Betriebe, die sich auf den Handel und die Aufbereitung des alten Holzes spezialisiert haben: Originale alte Fußbodenbretter, handgehackte und sägeraue Balken, wettergegerbte Außenbretter von alten Scheunen. Altes Holz gibt es in verschiedensten Ausführungen für unterschiedlichste Einsatzzwecke und muss in der Regel auch noch bearbeitet werden.
Das Holz wird gewaschen, dazu werden Nägel und Schrauben sowie verfaulte und wurmstichige Holzteile entfernt. Danach werden die Stücke in die gewünschte Form gebracht, bei Bedarf gebürstet, besäumt oder lackiert. Nicht ganz unproblematisch ist kontaminiertes Holz, das, wie es vor Jahrzehnten noch üblich war, ziemlich sorglos mit Chemikalien behandelt wurde. Ansonsten ist das Holz ein dankbarer Rohstoff: „Es ist ausgearbeitet, bewegt sich also nicht mehr und behält deshalb auch seine Form“, so Fichtner.

Almhüttenfeeling 4.0

Vorreiter bei der Liebe zum alten Holz waren in Österreich vor allem die Hotels. Dort grassiert die Altholzleidenschaft schon seit zehn bis 15 Jahren. Wie man altes Holz mit modernem Mobiliar kombinieren kann, das zeigte sehr früh das Art & Ski Hotel Hinterhag direkt an der Skipiste bei Saalbach. „Das Zimmer in Altholz, in einem neuen Stil erschaffen: Das Holz wurde mühevoll von alten Bauernhöfen abgetragen, geschnitten, aufbereitet und dann in deinem Zimmer verbaut“, verspricht das Hotel seinen Gästen. Die ganz klassische Verwendung des nostalgischen Baumaterials wird sehr eindrucksvoll im Bergdorf Priesteregg in Leogang demonstriert, dessen 16 Chalets eine Kombination aus Luxus und Bergromantik bieten. „Wir hatten Angst, dass es als Fremdkörper wirken kann, wenn wir 16 neue Chalets auf die grüne Wiese pflanzen“, erklärt Hubert Oberlader die Entscheidung für das Altholz, „auch strahlt es eine gewisse Harmonie aus, die wesentlich zum Almhütten- und Bergfeeling beiträgt.“ Die Gäste jedenfalls sind sehr angetan. Die Wartezeiten für ein freies Chalet betragen mehrere Monate. Auch in dem überaus luxuriösen Chalet N in Oberlech, das zu den Preziosen des Immobilienmagnaten René Benko gehört, wurde reichlich Altholz in den verschiedenen Suiten verbaut, die im Gesamtpaket für einen stolzen Wochenmietpreis von 275.000 Euro angeboten werden. Dort wurde der archaische Werkstoff allerdings oft als Furnier verarbeitet, was nach den Architekten vor allem statische Gründe hat.
Besonders floriert die Liebe zum Altholz in und um Kitzbühel. Das bestätigt auch Hoflehner: „Dort müssen wir es nicht selten wieder zurückbauen, weil es Bauträger mit der Verwendung der alten Hölzer übertreiben.“ Gerade die Sehnsucht vieler Zweitwohnbesitzer nach alpiner Romantik treibt oft seltsame Blüten. „Da spielt dann Geld keine Rolle, und es zählt vor allem, dass man mehr hat als der Nachbar“, sagt Holzhändler Fichtner. Auch vor der Sauna macht das Altholz nicht halt. Nur könnte dort, so Hoflehner, die unbewusste Verwendung von kontaminierten, oft mit Klebstoff bearbeiteten alten Hölzern problematisch werden.
Die stark gewachsene Nachfrage hat auch dafür gesorgt, dass das Holz längst nicht mehr nur in Österreich und anderen Alpenregionen zusammengesucht wird. Alte verlassene Bauernhäuser und Stadel als Quelle für den gehobenen alpinen Lebensstil finden sich vor allem in osteuropäischen Ländern. Hierzulande zahlt man für Fußbodenbretter, wie sie von Bauernstuben und Dachböden entnommen werden, pro Quadratmeter etwa 30 bis 50 Euro. Sehr gefragt sind Balken aus Fichten und Tannen, die früher mangels Maschinen händisch aus runden Stämmen gehackt wurden und so individuelle Konturen bekommen haben. Ein Kubikmeter kann locker an die 500 Euro kosten.
Ähnlich populär sind auch handgehackte Seitenbretter, die aus alten Balken geschnitten werden und damit eine schöne alte und eine gesägte Seite besitzen, die dann als Unterseite verwendet wird. Die Preise dafür liegen auf einem ähnlichen Niveau wie die Fußbodenbretter. Fichten und Tannen sind die üblichen Hölzer, Eiche ist seltener, weil das harte Holz bei händischer Verarbeitung viel Mühe gemacht hat.

Aus neu mach alt

Kein Wunder, dass der Altholzboom auch dafür gesorgt hat, dass man Neuware künstlich altern lassen kann. Das erledigen nicht nur Experten, das kann man auch eigenhändig dank Videoanleitung im Internet versuchen. Dazu wird empfohlen, auf die Holzteile mit einem Beutel voller Nägel und Schrauben einzuschlagen, der Oberfläche mit einem Hammer Furchen beizubringen und schließlich mit einem dünnen Schraubenzieher künstliche Wurmlöcher zu stechen. Danach wird das Holz mit Vaseline beschichtet und mit Stahlwolle, Essig und Schleifpapier bearbeitet. Je nach Geschmack und Ausdauer kann man die einzelnen Schritte beliebig ausbauen und wiederholen.
Von solch künstlicher Alterung hält ein Experte wie Fichtner wenig: „Die Ausstrahlung des echten Altholzes erreicht das nie.“

Was man erfahren sollte über . . . Altholz

Tipp 1

Echte Ware. Neues Holz auf alt getrimmt, das kann gar nichts. Also lieber doppelt prüfen, ob die 200 Jahre alte Eichendiele nicht etwa im Zeitraffer nachgereift ist. Denn – neben der falschen Altersangabe – wird dazu meist grundsätzlich schlechte Holzqualität verwendet.

Tipp 2

Mit Stil. Mehr ist besser? Wer sich nicht sicher ist, kann sich von zahlreichen Publikationen inspirieren lassen. Etwa von der „Living in Style“-Serie von teNeues, „Country“ oder „Mountain Chalets“ (je 50 Euro) oder „Chalets: Trendsetting Mountain Treasures“ von Braun Publishing (45 Euro).

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