"In Wien sind Fortschritte zwangsläufig kleiner"

Ernst Vejdovszky
Ernst Vejdovszky(C) S-Immo/ Screenshot Webseite
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S-Immo-Vorstandschef Ernst Vejdovszky freut sich über den anhaltenden Immobilienboom in Berlin, setzt auf Sicherheit und Stabilität und fürchtet auch eine bevorstehende Zinswende nicht.

Die Presse: Geldanlage wird für viele zur Qual. Selbst der Vermögenserhalt birgt mittlerweile Risiko.

Ernst Vejdovszky: Die Zeit ist von vielen Unsicherheiten geprägt. Und in so einer Zeit ist es wesentlich schwieriger abzuschätzen, was passiert. Und darum geht es ja bei der Anlage. Geld zu investieren, um zumindest eine Werterhaltung zu erzielen.

Als hätte man früher gewusst, was am nächsten Tag passierten wird.

Man hat zumindest geglaubt, dass man es weiß. Es geht ja immer darum, welchen Zeitraum man betrachtet. Wenn alles seinen gewohnten Gang geht, kann man kurzfristig ganz gut hochrechnen, wohin die Reise geht. Dann kann man auch abschätzen, wie die Welt etwa in drei Jahren aussehen wird. In einer Welt, die sich in einigen Bereichen massiv ändert, ist diese Vorhersage schwieriger.

Viele Anleger denken ohnehin langfristig. Sie wollen das Ersparte einfach nur verzinst haben. Doch es scheint, als würde nicht einmal dieser Mindestanspruch einfach zu erzielen sein.

Es gibt in einer Phase der Unsicherheit vor allem ein Rezept: Streuung. Es wird ein Investment besonders gut gehen, ein anderes schiefgehen. Und natürlich muss man seinem persönlichen Risiko-Appetit entsprechend investieren.

Aber am Beginn eines Investments dominiert ja der Appetit auf eine möglichst hohe Rendite.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung ist jeder – auch wenn er noch so Riskantes macht – felsenfest davon überzeugt, dass genau das eintreten wird, worauf er spekuliert. Und wenn es nicht eintritt, muss ein anderer daran schuld sein.

In solchen Zeiten müsste es die S-Immo doch leichter haben. Eine Immobilienaktie ist ein relativ einfaches Produkt, es assoziiert vor allem Stabilität und Sicherheit.

Ja. Zudem ist unser Geschäftsmodell auch von einem unserer großen Gesellschafter geprägt, der Vienna Insurance Group. Und Versicherungen haben einen besonders großen Anlagehorizont. Unsere Strategie geht von einer hohen Risikostreuung aus. Das geht von Zinshäusern in Berlin bis – in kleinerem Umfang – zu einem Shoppingcenter in Bukarest.

Was macht Berlin derzeit so interessant?

Es gibt ja den berühmten Satz des früheren Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit: „Wir sind arm, aber sexy.“ Viele hoch gebildete, engagierte, junge Leute sind nach Berlin gezogen. Daraus ist eine Kultur entstanden und aus dieser Kultur entstehen nun Unternehmen.

Wenn Berlin arm, aber sexy ist, wie würden Sie dann Wien definieren?

Ach Gott! (lacht) Die Berliner sind vielleicht noch sexy, arm sind sie mittlerweile nicht mehr. Wien hat einen völlig anderen Charakter, ist sehr etabliert. In Wien sind die Fortschritte zwangsläufig kleiner.

Wo sehen Sie in Wien noch Chancen auf dem Immobilienmarkt?

Wir sind natürlich stark am neuen Hauptbahnhof engagiert, sind dort an vier Büroprojekten beteiligt. Wir entwickeln aber auch im fünften Bezirk eine Immobilie. Wien bietet vor allem Stabilität, klarerweise sind die Ertragschancen nicht so riesig wie in Berlin.

In Südosteuropa hat die S-Immo so ziemlich alle Phasen durchgemacht . . .

Da sind wir ziemlich am Boden in all diesen Märkten. Und zwar auf einem Niveau, dass ein Ausstieg keinen Sinn hat.

Dort kann es also nur noch . . .

. . . Richtung Norden gehen. Wir haben in Zentral- und Osteuropa in Summe 190 Millionen Euro an Abschreibungen durchgeführt. Da ist der Boden erreicht, es kann nur noch besser werden, diese Entwicklung ist meiner Meinung nach unumkehrbar.

Oft steckt das Risiko nicht nur im Investment selbst, sondern auch in der Finanzierung.

Wir haben immer die Linie vertreten, dass wir eine Immobiliengesellschaft sind und keine Bank. Wir spekulieren nicht auf die niedrigen Zinsen von heute. Ich weiß nicht, wann die oft beschriebene Zinswende kommt. Wir haben uns das niedrige Zinsniveau für die nächsten zehn Jahre gesichert.

Das heißt, Sie zahlen jetzt etwas höhere Zinsen als üblich, aber dieser fixe Zinssatz schließt böse Überraschungen aus.

Was immer die US-Notenbankchefin Janet Yellen entscheidet: Es kann uns egal sein. Wir zahlen im Durchschnitt 1,17 Prozent Zinsen. Damit ist man im Immobiliengeschäft auf der sicheren Seite.

Wer ist unberechenbarer – die Konjunktur oder der Staat, der immer häufiger die Rahmenbedingungen ändert?

Ich kann an die Politik nur den Appell richten, Gesetze zu schaffen, die länger als zwei Jahre halten. Also lieber vorher länger nachdenken, als im Nachhinein reparieren.

ZUR PERSON

Ernst Vejdovszky ist Vorstandsvorsitzender der S Immo AG. Zuvor war er viele Jahre für die Erste-Bank-Gruppe tätig. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Die S Immo AG erzielte per 30. Juni 2015 ein Ebit von 48,9 Mio. Euro. Der Wert des Immobilienportfolios beläuft sich auf 1,8 Milliarden Euro. Der Vermietungsgrad liegt bei 91,6 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015)


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