Immobilien-Boom mangels Alternativen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Betongold liegt weiterhin im Fokus der Investoren. In Deutschland rechnen Experten mit einem neuen Rekord beim Transaktionsvolumen. Im Vergleich zu deutschen gelten österreichische Immobilienaktien als unterbewertet.

Wien. Betongold steht in der Gunst der Investoren hoch. Laut dem Immobilienberatungsunternehmen CBRE ist das Transaktionsvolumen allein auf dem europäischen Gewerbeimmobilienmarkt im zweiten Quartal 2015 zum mittlerweile 13. Quartal in Folge gestiegen und liegt im Jahresverlauf bei mehr als 120 Milliarden Euro. Der am meisten gefragte Investmentmarkt ist Deutschland – die CBRE-Experten gehen von einem neuen Rekordjahr aus. „Die Pipeline für das Schlussquartal ist prall gefüllt, einer Jahresendrallye steht nichts im Wege, sodass wir 2015 mit einem Transaktionsvolumen von 50 Milliarden Euro und mehr rechnen“, so Jan Linsin, Head of Research bei CBRE Deutschland.

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist klar: das anhaltende Niedrigzinsumfeld und der damit verbundene Mangel an attraktiven Anlagealternativen. Für Immobiliengesellschaften selbst bedeutet das Zinsniveau wiederum niedrige Finanzierungskosten. Von diesen Rahmenbedingungen haben vor allem die Aktien vieler Unternehmen profitiert – damit besteht eine Möglichkeit für Kleinanleger, mit vergleichsweise geringen Beträgen am aktuellen Boom zu partizipieren. Wie Matthias Meyer, Head of Liquid Real Assets, Asia & Europe Deutsche Asset & Wealth Management erklärt, hätten Immobilienaktien den besonderen Reiz, deutlich liquider zu sein als Direktinvestments. „Zwar besteht ein Bezug zum Aktienmarkt, über einen längeren Zeitraum vergeht das Beta aber immer mehr und die Immobilien kommen durch“, sagt er. Dazu komme eine höhere Dividende als der Gesamtmarkt.

Gute Chancen sieht Meyer in den USA und Europa. „In Asien sind wir etwas vorsichtiger wegen der Lage in China“, meint er. Dennoch sieht er auch im „Sorgenkind Asien“ Möglichkeiten – wenngleich auch nur sehr selektiv. Was Europa betreffe, so gelte es laut dem Experten, zwischen Großbritannien und Zentraleuropa zu unterscheiden. Während nämlich REITs (für Real Estate Investment Trusts) und Immobilienaktien eine lange Tradition hätten, wären sie in den meisten Ländern noch nicht in den Indizes gelistet. „In diesem Zusammenhang muss man berücksichtigen, dass weniger Investoren auch eine geringere Liquidität bedeuten“, so Meyer. Deshalb freue es ihn, dass mit Vonovia (vormals Deutsche Annington) kürzlich ein Immobilienunternehmen in den DAX aufgenommen wurde. Nachsatz: „Das macht das Thema interessant.“

Heimische Immo-Aktien mit Potenzial

Gut geschlagen haben sich deutsche Wohnwerte wie Deutsche Wohnen, LEG Immobilien, TAG Immobilien oder Grand City Properties. Sie sind allerdings nicht mehr gerade günstig – im Gegensatz zu den meisten österreichischen Immobilienaktien: Sie werden mit Abschlägen von rund 30 Prozent auf den NAV gehandelt. Erste-Group-Analystin Martina Valenta sieht das größte Aufwärtspotenzial bei heimischen Gewerbeimmobilienwerten – zu ihren Top-Picks zählt sie Immofinanz, S Immo, CA Immo und UBM. „Im aktuellen Umfeld ist die UBM als Entwickler sehr attraktiv und hat auch von allen Wiener Immo-Werten das größte Upside zum Kursziel (49 Euro, Anm.)“, sagt sie. Ein wesentlicher Kurs-Trigger für die Aktie wäre ein Verkauf des rund 700 Millionen Euro schweren – und aus 18 Objekten bestehenden – Portfolios, das vor allem seitens institutioneller Investoren auf großes Interesse stoße.

Zu den bevorzugten Wiener Immobilienaktien von Christine Reitsamer, Analystin bei der Baader Bank, zählt ebenfalls die UBM und darüber hinaus auch Conwert. „Die UBM profitiert vom starken Transaktionsmarkt in Deutschland, ist aber auch in Österreich und Westeuropa gut aufgestellt“, so die Expertin. Conwert bleibe ein Übernahmekandidat und sei eine interessante Möglichkeit, um in den boomenden deutschen Wohnmarkt einzusteigen. Auch für Reitsamer machen die Abschläge zum NAV österreichische Immobilienaktien interessant, sie empfiehlt Anlegern aber, den Gesamtkontext nicht aus den Augen zu verlieren. Wichtig seien die Portfolioqualität, die Bewertung im Vergleich zur Peer-Group, die Profitabilität gemessen am FFO sowie Soft-Faktoren, wie eine nachvollziehbare Strategie.

Meyer legt Anlegern ein weltweit – über verschiedene Assetklassen – diversifiziertes Portfolio ans Herz. Dabei sollten Fremdkapitalquote und Mietduration berücksichtigt werden: Je höher die Fremdkapitalquote, desto anfälliger sei ein Unternehmen – auch für Zinsänderungen. „Gut für Investoren ist etwa, dass sich immer mehr Immo-Gesellschaften Verschuldungsgrenzen auferlegen“, so Meyer. Die Dauer der Mietverträge würden wiederum die Zahlungsströme bestimmen, die eingenommen werden. Hier gebe es, je nach Assetklasse, mitunter große Unterschiede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2015)

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