Schallschutz: Wohnen mit Wohlklang

In modernen Wohnkonzepten mit hohen Räumen, viel Glas und wenig Möbeln braucht die Akustik ein wenig mehr Aufmerksamkeit.

Das große Erwachen kommt spätestens beim ersten Abendessen mit Freunden: Das neue Domizil ist bezogen, die hohen Räume, die großen Glasfronten und der glatte Boden sorgen bei der Housewarming-Party für Begeisterung und die richtige Portion Neid. Aber leider kann der stolze Gastgeber kaum verstehen, was der Freund am anderen Ende des Tisches zu sagen hat, und nach einer halben Stunden fangen die ersten Gäste an, über Kopfschmerzen zu klagen.

Der Grund dafür ist unsichtbar und wird vor allem bei modernen Wohnkonzepten gern übersehen, denn das Thema Akustik haben viele beim Planen ihres Wohnumfeldes nicht auf der Agenda, und das kann sich rächen. Denn, wenn die Nachhallzeit in einem Raum über eine Sekunde beträgt, kann das dazu führen, dass man sein Gegenüber kaum versteht, von der verpuffenden Qualität der teuren Sound-Anlage ganz zu schweigen. „In einem Tonstudio hat man im Regieraum eine Nachhallzeit von 0,3 bis 0,5 Sekunden“, verdeutlicht Akustiker Franz Böcksteiner, „ganz so wenig braucht es für den Wohnraum nicht, alles bis zu einer Sekunde ist okay, darüber sollte es aber nicht gehen.“

Optik versus Akustik

Das ist bei modernen Wohnungen aber leichter gesagt als umgesetzt. „Die Kunden wollen viel Glas, viel Licht und hohe Räume“, weiß Architektin Sonja Bruckner-Gritsch von Anthrazit Architekten, „und oft auch einen durchgängigen Raum vom Keller bis ins Obergeschoß.“ Was zwar schön aussieht, aber nicht gut klingt. „Das kann beispielsweise dazu führen, dass man den Technikraum im ganzen Haus hört“, so die Architektin, und auch ein offener Kinderbereich, der an das Wohnzimmer angrenzt, will aus akustischer Sicht wohlüberlegt sein. Zumal dann, wenn zu den entsprechenden Raumkonzepten noch cooles Mobiliar mit glatten Oberflächen kommt und die klassisch schallabsorbierende Bücherwand in Kindle-Zeiten keinen Platz mehr im Wohnbereich findet. „Das Thema wird einfach immer wichtiger, weil es einen großen Einfluss auf die Lebensqualität hat“, betont auch Architekt Michael Buchleitner von lakonis architekten, „allerdings ist es ein schwieriges, weil es eine Querschnittsmaterie ist, die in so viele verschiedene Bereiche eingreift.“ Und eben unsichtbar ist, was es oft nicht leichter macht, den Kunden zu vermitteln, warum etwas, das man nicht sehen kann, so wichtig für das Raumkonzept ist.

Die Akustik will nämlich bereits bei der Raumgeometrie mitbedacht werden: „Wenn ich viel Glas, einen rechteckigen Grundriss und einen Boden parallel zur Decke habe, muss ich viel für eine gescheite Akustik tun“, erklärt Bruckner-Gritsch, die bei ihren Projekten immer einen Akustiker zu Rate zieht, „bei schrägen Wänden wird der Schall hingegen gestreut und reflektiert nicht zwischen den Räumen hin und her“. Ein Effekt, der sich beispielsweise mit textilen Schallschutzsegeln erreichen lässt, wie sie Buchleitner kürzlich in einem Projekt verwendet und damit einen Wettbewerb gewonnen hat. Auch Vorsprünge und Nischen können viel für eine bessere Geräuschkulisse tun: „Das ist wie in einem Theatersaal mit seinen Vorsprüngen und Rücksprüngen“, verdeutlicht der Architekt, „wenn es geneigte und gebrochene Flächen gibt, wird der Schall diffus gebrochen“.

Wände, Decken und Mobiliar

Führt an geraden Wänden und Decken kein Weg vorbei, lässt sich mit deren Oberflächen einiges erreichen, wie Böcksteiner erklärt: „Da gibt es Materialien wie beispielsweise Glasblähsteine, die flächig auf die Wand geklebt und spezialverputzt werden, sodass man sie kaum sieht“, so der Akustiker. Mit einem viel stärker sichtbaren Schallkonzept für die Wände ist seit Kurzem das junge Unternehmen Florawall erfolgreich, das in Büro- und Privatgebäuden mit vertikalen Gärten und seit Kurzem auch mit Wandelementen aus Moos für einen besonderen Schallschutz – und bei der Florawall als schönen Nebeneffekt auch noch für eine bessere Luftbefeuchtung – sorgt. „Früher stand bei unseren Kunden dieser Aspekt der Luftfeuchtigkeit im Vordergrund, mittlerweile merken wir aber, dass die akustischen Eigenschaften mehr und mehr gefragt sind“, berichtet Geschäftsführer Marek Kocher von einem wachsenden Bewusstsein.

Eine andere Option sind Deckenabhängungen: „Durch die Wohnraumlüftung gibt es in vielen Häusern oft abgehängte Decken, die sind für die Akustik ganz super“, so Bruckner-Gritsch. Noch besser wirkten diese mit gelochten Trockenplatten, aber da sei vielen dann die Optik doch wieder wichtiger als die Akustik.

Am einfachsten – vor allem im Nachhinein – lässt sich aber mit der Inneneinrichtung etwas für ein besser klingendes Zuhause tun. „Das Konzept der großen, hohen Räume wird nicht gern aufgegeben“, weiß Buchleitner, „dann kommen aber zum Beispiel Teppiche wieder ins Spiel oder textile Wandbeläge wie Loden oder Leder statt glatter Spachtelungen“. Vorhänge können ebenfalls viel zum Wohlklang beitragen, obwohl sie nicht immer sofort auf Begeisterung bei den Bauherren stoßen: „Vorhänge sind einfach tolle Schallabsorber“, meint Bruckner- Gritsch, „auch wenn viele sie anfangs nicht wollen“.

Aber neben den guten Eigenschaften zur Schallvermeidung wissen manche auch die haptischen Eigenschaften, die sie mitbringen, wieder zu schätzen. Und ein wenig von der guten alten Gemütlichkeit durch Bücherwände und dicke Teppiche schadet auch loftigen Glaspalästen nicht.

Was Sie beachten sollten für eine . . . gute Akustik

Tipp 1

Hohe Räume und offene Konzepte: Gerade Wände und ganz glatte Oberflächen können akustisch zum Problem werden. Abhilfe schaffen hier beispielsweise Mauervor- und Rücksprünge, schräge Wände oder Decken – und auch ganz schlichte Türen, beispielsweise zum Kinderbereich oder dem Technikraum.

Tipp 2

Decken und Wände: Abgehängte Decken sind eine große Hilfe, wenn es um die Vermeidung von Nachhall geht. Höchst effektiv sind sie, wenn sie mit Lochungen oder Schlitzungen versehen sind. An den Wänden sorgen Spezialmaterialien wie Glasblähsteine oder Wandbeläge (Textiltapeten, Loden und Leder statt glatter Verputze) für bessere Akustik.

Tipp 3

Bei der Einrichtung: Die gute alte Bücherwand eignet sich als klassische Wunderwaffe im Kampf gegen den Schall. Aber auch schwerere Heimtextilien wie Teppiche oder Vorhänge sorgen genauso für eine schönere Klangkulisse wie beispielsweise schwere, stoffbezogene Sitzmöbel. Hinzu kommen Pölster und anderes Textiles.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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