Bauen nach Vorlage: Nur fast so schön wie das Original

Manche wohnen eben gern im Weißen Haus, wie in Versailles oder im Stil der Munsters: Fakes für den Otto Normalmillionär.

Was sind schon acht Kilometer und 330 Jahre Altersunterschied, wenn es um ein barockes Wohngefühl geht? Das dürften sich zumindest die neuen Besitzer des Château Louis XIV. im Pariser Westen gedacht haben, die für ihr Luxusdomizil jüngst 275 Millionen Euro bezahlten und sich damit den Traum vom Leben à la Versailles erfüllt haben. Denn um diese Summe – mit der das Anwesen laut der Agentur Bloomberg mit 55.000 Euro pro Quadratmeter zum teuersten Haus der Welt wurde – hat ein Käufer jetzt eine erst vier Jahre alte Villa erstanden, die nur wenige Kilometer von der Mutter aller Barockschlösser entfernt steht und auch das Flair dieser Zeit versprühen soll. Unbeeindruckt vom europäischen Bedürfnis nach Authentizität hat der saudisch-französische Immobilienmogul Emad Khashoggi das Anwesen in barocker Pracht mit modernen Standards erbaut. Ersterer wird mit einem 23 Hektar großen Garten samt Marmorstatuen, goldgeschmückten Springbrunnen und dem unvermeidlichen Irrgarten Rechnung getragen; die Moderne findet sich in Annehmlichkeiten wie einem Privatkino, einer Disco, einem Hallenbad sowie einem mächtigen Aquarium – alles natürlich voll klimatisiert.

Weißes-Haus-Dublette

Etwas weniger Sonnenkönig und etwas mehr demokratische Pracht herrscht bei einem anderen Nachbau, der aktuell um vergleichsweise bescheidene 15 Mio. US-Dollar (knapp 14 Mio. Euro) in Dallas zum Verkauf steht. Wer hier den Zuschlag erhält, kann fortan im Weißen Haus residieren, und das, ohne die Strapazen eines Wahlkampfs auf sich nehmen zu müssen. Zugegeben, die Adresse „10777 Strait Lane, Dallas, Texas“ ist etwas weniger beeindruckend als die berühmte „1600 Pennsylvania Avenue, Washington, D. C.“, und auch bei einem Vergleich der Bäder etwa zieht der Nachbau mit seinen fünf Nasszellen klar den Kürzeren gegenüber dem Original, das 35 ebensolche vorweisen kann. Einigen Komfort bietet aber auch die in den 1990ern erbaute Kopie: So finden sich auf 1500 Quadratmetern – zum Vergleich: Das Original hat gute 5000 – neben einer Bibliothek, einem Heimkino und einer Bar vier Schlafzimmer im Inneren des säulengeschmückten Hauses. Besonderen Wert wurde dabei auf die Ausstattung mit europäischen Antiquitäten gelegt, so stammen etwa einige der acht offenen Kamine aus der Zeit Ludwigs XIII. Und auch auf dem 1,3 Hektar großen Grund finden sich mit einem Pool, dem unvermeidlichen Koi-Teich und einem Tennisplatz allerlei Symbole des Wohlstandes. Der am deutlichsten im Wohnzimmer zur Schau gestellt wird: der Raum mit der runden Fensterfront, der in dem Washingtoner Original als Oval Office genutzt wird.

Wohnen wie die Munsters

Nicht gar so altehrwürdig, dafür umso unterhaltsamer ist der Nachbau, mit dem sich Sandy und Charles McKee ihren Wohntraum erfüllt haben: Das Paar hat sein Eigenheim im texanischen Waxahachie um stolze 335.000 Dollar (circa 308.000 Euro) in eine Munster-Villa verwandelt und lebt nun auf 550 schaurig-schönen Quadratmetern originalgetreu wie die berühmte Filmfamilie. Wofür die McKees teilweise beträchtlichen Aufwand betrieben haben: Da es keine Pläne der Filmkulissen gab, hat das Paar alle 70 Munster-Folgen so lange angeschaut, bis sämtliche Details vermerkt waren; allein zehn Jahre hat es angeblich gedauert, die Bestandteile der Orgel zusammenzubekommen. Jeden Oktober öffnen die Munster-Fans ihr Zuhause für Besucher und eine Wohltätigkeitsveranstaltung, während des Rests des Jahres muss den Touristen die Möglichkeit, vom Tor aus Fotos zu machen, genügen.

Chinese Tower

Die eigentliche Hochburg des schamlosen Kopierens großer Bauten ist aber nicht Nordamerika – auch wenn in Nashville eine Kopie des Parthenons steht – sondern Asien. Allen voran die Volksrepublik China, wo sich unter anderem in Fuyang-City ein Kapitol findet, das jenem in Washington nicht unähnlich ist, während der „Harmony Clock Tower“ in Ganzhou nicht nur Eingeweihte an den Londoner Big Ben erinnert. Ebenfalls mächtig viel Londoner Flair verbreitet die „Tower Bridge“ in Suzhou, die aber mit gleich doppelt so vielen Türmen versucht, das Original zu übertrumpfen. Auch den Japanern ist das Kopieren großer Bauten nicht fremd, wobei hier eher verkleinert wird: So steht in Nikko ein Nachbau des Petersdoms, der im Maßstab 1:25 weniger mächtig daherkommt als das Original. Weshalb auch gleich entsprechend verkleinerte Menschenfiguren davor gesetzt wurden, um die Kirche nicht zu unbedeutend wirken zu lassen.

Maßstabsgetreu ist dagegen ein Nachbau des Taj Mahal in Bangladesch: Außerhalb von Dhaka wurde er von 2003 bis 2008 von dem Filmproduzenten Ahsanullah Moni um 58 Mio. Dollar errichtet. Dieser wollte seinen Landsleuten, die sich die Reise zum Original nicht leisten können, die Gelegenheit geben, die Schönheit des Bauwerks sehen zu können. Was indischen Offiziellen seinerzeit gar nicht gepasst haben soll. (SMA)

Was alles erlaubt ist beim . . . Architektur-Faken

Tipp 1

Keine falsche Bescheidenheit. Im Stilvorrat der letzten 2000 Jahre zu klau- ben ist keine Schande, die Postmodernisten haben das auch getan. Nur an der Ironie sollte man halt noch arbeiten.

Tipp 2

Nicht am falschen Ende sparen. Warum viel Geld in die Solidität der Immobilie verpulvern (Rustikamauern, Marmor, Ziegel), wenn sich das Chateau in Teilen vorproduzieren lässt? Bleibt mehr für die Bling-Bling- Ausstattung.

Tipp 3

Der Fantasie freien Lauf lassen. Anregungen sind überall: in der Historie, in Filmen, in Comics. Aber man soll die Eigner des Originals nicht zu sehr verärgern. Gut ist geografische Distanz.

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www.diepresse.com/meingeld

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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