Vom Salzgries bis zum Schottenring: Mehr Ruhe, mehr Möbel

Serie: Quartiere in Wien. Das frühere Textilviertel und mittendrin der Rudolfsplatz haben im Vergleich zu anderen Revieren im ersten Bezirk stark aufgeholt: an Angebot, Substanz, Infrastruktur und Image.

Wenn man heute rund um den Rudolfsplatz beziehungsweise im Schottenviertel unterwegs ist, versteht man nicht, warum die Gegend nicht schon immer den exklusiven Ruf anderer Teile des erstens Bezirks besaß: Es ist schön ruhig hier, dennoch gibt es gute Infrastruktur, sind genug interessante Geschäfte und Lokale vorhanden, die Bausubstanz ist meist historisch und in den allermeisten Fällen saniert, die Straßen sind großzügig angelegt, man bekommt noch einen Parkplatz, es gibt kleine Plätze und kleinere Grünflächen. Doch dieser nordwestliche Abschnitt des ersten Bezirks war früher nicht so gut beleumundet wie heute. Einst war die Gegend zwischen Salzgries und Schottenring das Territorium der Textilhändler, von denen nur noch wenige hier ansässig sind. In den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren war das sogenannte Textil- (gewöhnlicher: „Fetzenviertel“) eine Anlaufstelle für Partymenschen, es konnte wild und laut werden. So sehr, dass sich unter den Anrainern Mitte der Neunziger Proteste regten, die spätestens 2000 fruchteten. Bis heute rückt hier eine gehobenere Gastronomie nach. Vor allem aber Qualitätsmöbelhändler und anverwandte Branchen besiedeln die großen Erdgeschoßflächen. Sofern diese „nicht zu Garagen umgebaut wurden“, wie Horst Schwarzenberg, Leiter des Premium-Segments bei JP Immobilien erklärt. Schwarzenberg kennt die Gegend doppelt gut, er wohnt dort seit Jahren. „Die meisten Häuser am Rudolfsplatz befinden sich in Einzelbesitz, nur wenige in der Gegend sind parifiziert“, sagt er. Viele Objekte im Schottenviertel sind in institutioneller Hand, meist Versicherungen, erläutert Richard Buxbaum, Leiter Wohnimmobilienvermarktung und Zinshäuser bei Otto Immobilien. Wobei sich die Zahl der Eigentumswohnungen verstärken wird, die durch Sanierung oder Ausbau und Parifizierung auf den Markt kommen, wie Örag-Vorstand Stefan Brezovich schildert.

Sanierte Gründerzeitbauten

Es sei ein „sehr spannendes Viertel“ geworden, meint Buxbaum. Wobei das einstige Textilviertel lang „die am wenigsten nachgefragte“ und preislich am schwächsten entwickelte Gegend im ersten Bezirk war. Eine Initialzündung für den Imagewandel des Viertels sieht Buxbaum im Umbau des ehemaligen Palais Hansen am Schottenring zu einem Hotel – Kempinski –, in dessen Dachgeschoß die Wohnungen schon den Quadratmeterpreis von 24.000 Euro erzielen konnten. Auch der Bau der Garage in unmittelbarer Nähe des Kempinski sowie die Aufwertung des Börsegebäudes als hochwertiger Bürostandort sind für Brezovich Meilensteine der vergangenen Jahre, durch die dieser Stadtteil an Attraktivität gewonnen hat.

Anders als sonst in der Inneren Stadt fehlt in dem flachen, donaukanalnahen Areal die ganz feudale Bausubstanz. Aber doch entstanden hier gutbürgerliche Zinshäuser mit großzügigen Grundrissen von namhaften Architekten wie etwa Anton Baumgartner oder Carl Tietz. Nur an wenigen Stellen mischt sich Nachkriegsarchitektur unter die kompakte Gründerzeitbebauung. Wenn es denn in seltenen Fällen zum Abbruch und Neubau kommt, dann wird es ein architektonisches Statement – wie etwa das Bürohaus in der Neutorgasse, in dem sich oben Eigentumswohnungen befinden. Zum Wohnen war das Schottenviertel bei den Locals stets beliebt. Zusehends stößt auch jene zahlungskräftigere Klientel auf das Viertel, die es bislang nicht so auf dem Radar hatte. Immerhin verzeichnen Immobilienexperten hier Angebot: ausgebaute Dachgeschoßwohnungen und große, sanierte Wohnungen im Regelgeschoß. Das umfangreichste Projekt, das hier demnächst Form annehmen soll, wird die einstige k. u. k. Telegrafencentrale am Börseplatz 1 sein, ein großformatiges Gebäude von 1870-73, das von Immovate nach Jahren des Leerstands entwickelt wird. Die exklusive Vermarktung übernimmt Otto Immobilien.

Zudem werden Altbaubüros zu Altbauwohnungen umgenutzt. „Die Mischung von Büro und Wohnraum ist gut“, befindet Brezovich. Die Attraktivität eines Standortes für Kanzleien oder Praxen bleibt freilich bestehen, es hat sich im Börseviertel – dem Areal rund um ebendiese – ein gleichnamiger Verein formiert, der die Interessen der Wirtschaftstreibenden und Büros dort bündelt.

Was den Preis angeht, hat das Stadtquartier aufgeholt beziehungsweise: „Es hat sich in den vergangenen fünf Jahren angeglichen“, so Schwarzenberg. Für eine klassische Altbauwohnung müsse man an die 10.000 bis 12.000 Euro hinlegen, für ein Dachgeschoß an die 15.000 Euro. „Günstiger sind die Bauten aus den 50er- und 60er-Jahren mit 5000 bis 8000 Euro pro Quadratmeter.“ Brezovich bemerkt speziell in diesem Teil des ersten Bezirks „eine recht große Spreizung, die von 5500 bis 15.000 Euro reicht“ – weil eben die Preise in einem Haus aus den 1960ern in der stärker befahrenen Salztorgasse naturgemäß ein anderer sei, als jener einer großzügig angelegten Altbauwohnung in der Gonzaga-, Eßling- oder Werdertorgasse. Wobei die Gegend nach wie vor mehr eine Option für Mieter ist – und man dort mit Kosten von zehn Euro (im Nachkriegsbau) bis zu 19 Euro (im topsanierten Altbau) pro Quadratmeter rechnen muss. Ob das Grätzel von einer vermögenden internationalen Klientel bereits ausdrücklich angefragt wird? „Man muss sie davon schon überzeugen“, so Schwarzenberg. Schön ist die Gegend, doch auf ganz offensichtliches Prestige kann sie verzichten.

Was man tun kann . . . im Schotten-, Börse-, Textilviertel

Tipp 1

Preislage im Detail checken. „Innenstadt ist nicht gleich Innenstadt“ konstatiert der neue „Wohnungsatlas“ von Otto-Immobilien (auch zu ordern): In diesem wurden sämtliche Daten des Grundbuchs und aller Nutzwertgutachten nach den historisch gewachsenen und analog der vier Tore benannten Vierteln in 1010 Wien (Stuben-, Kärntner-, Burg- und eben Schottenviertel) analysiert. Darin können die Transaktionen bei Eigentumswohnungen seit 2008 nachvollzogen werden. Die meisten Transaktionen im ersten Bezirk finden im Schottenviertel statt.

Tipp 2

Vor Ort umschauen. In den vergangenen Jahren haben sich in dem Stadtteil viele Möbelhersteller und Interieurausstatter (wie Cserni, B & B Italia, Poliform.Varenna, Neue Wiener Werkstätte, Vitra, Lederleitner, Scandinavian Design House, Poltrona Frau . . .) angesiedelt. Manche von ihnen arbeiten mit den Planern von Wohnungen ebendort zusammen. Atmosphärisch ist die Nähe zum Donaukanal noch nicht so entscheidend, aber es wird. Touristen sind hier weniger unterwegs, sofern sie nicht im Kempinski am Schottenring absteigen.

Mehr Tipps für Ihre persönlichen Finanzen:
www.diepresse.com/meingeld

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.