Wiener Wohnungen stark überbewertet

(c) Clemens Fabry
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Die Preise in Wien steigen laut den Experten der Bank Austria weiter. Ein Platzen der Blase sei aber nicht in Sicht. Das Zinsrisiko sollte dennoch abgesichert werden.

Wien. „Derzeit ist der Immobilienzyklus in einer sehr positiven Phase. Davor sollte man keine Angst haben, aber man sollte es wissen“, eröffnete Reinhard Madlencnik vergangene Woche sein Resümee zur Entwicklung des heimischen Immobilienmarkts. Die Zinspolitik der Europäische Zentralbank nennt der Immobilienexperte der Bank Austria ein „Schlaraffenland“: „Im Umfeld extrem tiefer oder zum Teil sogar negativer Zinsen überzeugen Immobilien mit Erträgen, die deutlich über dem liegen, was zum Beispiel mit Staatsanleihen zu verdienen ist.“ 2015 wurde in Österreich mit einem Investitionsvolumen von 3,9 Mrd. Euro in kommerziellen Immobilien ein neuer Rekord aufgestellt. Karla Schestauber, Immobilienanalystin der Bank Austria, rechnet für 2016 mit einem ähnlich hohen Niveau.

Die starke Nachfrage aus dem In- und Ausland ließ die Spitzenrenditen absacken – bei Büros lagen sie im Frühsommer etwa nur noch bei vier Prozent. Dem Kaufinteresse bescherte das, wie man an der anhaltend hohen Investitionstätigkeit ablesen konnte, keinen Abbruch – die Renditen für Alternativanlagen wie Staatsanleihen entwickelten sich noch schlechter.

Vor allem auf dem Wiener Wohnungsmarkt ist in absehbarer Zeit keine Preisentspannung in Sicht. Dem Fundamentalpreisindikator der Nationalbank zufolge waren die Wohnungspreise in Wien im ersten Quartal um 23 Prozent überbewertet. Im Rest Österreichs lag die Überbewertung bei 6,3 Prozent. Der Immobilienpreisanstieg setzte nach einer kurzen Entspannung Ende des Vorjahrs wieder stärker ein und lag deutlich über Haushaltseinkommen, Verbraucherpreisen und Baukosten.

Wohnbau hinkt Nachfrage nach

Verschärft wird der Trend durch den steigenden Nachfrageüberhang. Laut dem Verband für gemeinnützige Bauvereine kam die Bauleistung von jährlich 51.100 neuen Wohnungen in den vergangenen drei Jahren – anders als in der Vergangenheit – nicht mehr dem Wohnbedarf nach. Bis 2020 werde er um jährlich 60.000 Wohnungen steigen. Laut Schestauber habe die Politik den Ernst der Lage erkannt. Auch Investoren würden sich aufgrund der günstigen Finanzierungsbedingungen seit Kurzem wieder vermehrt für den Wohnbau interessieren, die Bauträgerbranche habe im ersten Halbjahr von Umsatzzuwächsen berichtet. Derzeit gebe es zudem eine Tendenz, ehemalige Bürostandorte in Wohnraum umzuwandeln. Madlencnik sieht darin „einen Bereinigungsprozess“ – angefacht dadurch, dass man heute mehr mit Wohn- als Büroprojekten verdienen könne. Trotz allem betont Analystin Schestauber: „Die Nachfrage wird hoch bleiben.“

Sie fügt an: „Je länger die starke Nachfrage nach Immobilien mangels überzeugender Alternativen anhält, umso stärker ist das Risiko einer Preiskorrektur.“ Noch zögen sich die Profis aber nicht aus dem Wohnbaumarkt zurück. Das wäre ein deutliches Indiz für eine drohende Preiskorrektur, merkt Madlencnik an. Trotz der von der Notenbank festgestellten starken Überbewertung des Wiener Markts sehen die Experten der Bank auch keine Gefahr, dass die Immobilienblase in absehbarer Zeit platzt.

Diese Bedrohung würde laut Madlencnik erst dann konkreter werden, wenn die Zinsen wieder kräftig anstiegen. Er rät sowohl gewerblichen als auch privaten Immobilienkäufern zur Absicherung des Zinsrisikos ihrer Darlehen. Wobei die privaten Wohnungskäufer, die ohnehin die Absicht haben, die Immobilie länger zu halten, in den meisten Fällen einen Fixzinssatz zur Absicherung wählen. Gewerblichen Investoren rät Madlencnik in Fällen, in denen sie die Immobilie bald abstoßen wollen, zu dynamischen Instrumenten – etwa Caps, die vor steigenden Zinssätzen schützen. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2016)

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