Ein bisschen kleiner und gern ein wenig erreichbarer

Toplagen Wien. Wie und wo es sich in der Hauptstadt am gediegensten wohnt.

Egal ob die Fifth Avenue in New York City, die Avenue Montaigne in Paris oder das berühmte Goldene U im Herzen Wiens, echte Toplagen haben eines gemeinsam: Sie überdauern Jahrhunderte oder zumindest Jahrzehnte und ändern sich fast nie. So haben in den Tuchlauben schon im 13. Jahrhundert die Tuchhändler ihre Waren feilgeboten; an der Avenue Montaigne stand schon zur Weltausstellung 1855 der Palast der Schönen Künste, ehe in den 1980er-Jahren die Modeschöpfer sie zu ihrem Hauptquartier erkoren; und die Fifth Avenue war in den 1920er- und 1930er-Jahren die Adresse, an der die ersten Penthouses der Welt zu finden waren.

Eine Frage der Zufahrt

Aber manchmal, ganz manchmal verschieben sich die Dinge doch ein wenig – nicht gewaltig, aber eben doch. So gehören nach wie vor die Bezirke eins, 13, 18 und 19 sowie die direkt an den Ring angrenzenden Lagen zu den Topadressen der Hauptstadt, aber innerhalb dieser ändern sich bei manchen Luxuskunden die Prioritäten, wie Ernst Thomas, Inhaber von Thomas Immobilien, in letzter Zeit beobachtet hat: „Bei manchen Käufern haben mittlerweile die Lagen direkt um die Oper herum einen höheren Stellenwert als jene im Goldenen U“, berichtet der Makler. „Dort gibt es nämlich Zufahrtsmöglichkeiten, die im Goldenen U sehr beschränkt sind – und die Zufahrt ist heute ein wichtiges Kriterium.“ Auch in anderen Bezirken seien ähnliche Tendenzen zu beobachten, so Thomas weiter. Die Anbindung zum Flughafen beziehungsweise an die U-Bahn sei ein immer wichtigeres Thema, wovon unter anderem die Toplagen im Dritten profitierten, während der Achte und Neunte diese nun einmal nicht in gleichem Ausmaß vorzuweisen hätten. Und auch Hietzings seit einigen Jahren zu beobachtenden Dornröschenschlaf führt der Makler nicht zuletzt auf das gewachsene, aber auch veränderte Mobilitätsbedürfnis zurück: „Trotz der U-Bahn brauche ich vom 13. fast die doppelte Fahrzeit in die Stadt wie aus dem 19.“, rechnet er vor. „Und die Anbindung Richtung Westen ist heute nicht mehr von so großem Interesse wie einst.“ Denn viele, die seinerzeit zur Sommerfrische mit dem Auto in Richtung Salzburger Seen aufgebrochen seien, wollten heute lieber schnell beim Flughafen sein.

Der ewige Glanz der 1010

Von diesen leichten Verschiebungen abgesehen ist die Welt der Luxuslagen in Wien aber in Ordnung: Die magische Zahl heißt nach wie vor 1010, und dort gibt es auch die teuersten und prestigeträchtigsten Projekte des Landes. „Die alte Regel von der ,Lage, Lage, Lage‘ zahlt sich nach wie vor aus“, weiß Maklerin Elisabeth Rohr, Inhaberin des gleichnamigen Immobilienunternehmens und Eigentümervertreterin der Signa-Holding beim Goldenen Quartier. „Inzwischen sind bis auf eine Wohnung alle Wohnungen im Goldenen Quartier verkauft.“ Und auch Martin Müller, Geschäftsführer von JP-Immobilien, freut sich über den Erfolg des neuesten Babys seines Unternehmens, dem No. 10 an der Renngasse, in dem derzeit 73 hochwertige, aber für das Luxussegment sehr kleine City-Apartments entstehen: „Wir haben gerade damit angefangen, die Garage auszubaggern, und in den ersten dreieinhalb Monaten seit Verkaufsbeginn schon 20 Wohnungen verkauft“, berichtet der Makler. Andere große Luxusprojekte, wie beispielsweise der Ausbau der K. K. Telegrafen Centrale am Börseplatz oder des Palais' Schottenring, zeugen ebenfalls davon, dass das Potenzial und die Nachfrage im Ersten ungebrochen sind. Auch wenn die Goldgräberstimmung von vor fünf Jahren, als von 30.000 Euro auf dem Wohnquadratmeter geträumt wurde, verflogen ist und stattdessen die Nachfrage nach kleineren Einheiten steigt. „Realistisch spielt sich die Wahrheit im Ersten zwischen 10.000 und 15.000 Euro auf dem Quadratmeter ab“, so Müller. „Für ganz spezielle Liebhaberobjekte auch mal über 20.000, aber in der Größenordnung gibt es vielleicht vier bis sechs Transaktionen pro Jahr.“

Lagen für Liebhaberobjekte

Rund um den Prestigebezirk Nummer eins liegen die Preise zwischen 5500 und 8000 Euro, je näher am Ring, desto höher. Aber auch hier sind in ganz speziellen Mikrolagen Ausreißer nach oben möglich, wenn sich der richtige Käufer in ein Objekt verliebt. „Solche gibt es etwa im Servitenviertel im Neunten oder beispielweise an der Strudelhofgasse oder im Fünften bei der Zeinlhofergasse. Lagen im Zweiten, die direkt an den Augarten anschließen, gehören ebenfalls dazu. Dort werden durchaus Liebhaberpreise gezahlt“, weiß Müller. In solchen Speziallagen seien dann auch Preise jenseits der 9000 Euro möglich, wobei diese Wohnungen fast nie auf den freien Markt kommen. Vereinzelt finden sich Luxusobjekte inzwischen auch außerhalb der Klassiker, beispielsweise an der Gumpendorfer Straße, wo in den vergangenen beiden Jahren mehrere Luxusprojekte fertiggestellt und auch verkauft wurden.

Die Kraft des Faktischen

Dass die Meile im Sechsten damit schon in die Liga der Luxuslagen aufgerückt ist, wird aber noch bezweifelt. „Natürlich sorgt allein die normative Kraft des Faktischen dafür, dass solche Projekte auch nach außen rücken“, so Rohr, „aber viele sind nach wie vor sehr auf die 1010 fokussiert.“ Außerdem spiele die Möglichkeit, zu Fuß innerhalb eines netten, möglichst ruhigen Grätzels Geschäfte und Restaurants erreichen zu können, eine große Rolle, zumindest im innerstädtischen Bereich. Geht es hinaus ins Grüne, sind die Prioritäten naturgemäß wieder andere. Hier sind es ruhige Aussichtslagen, große Gärten und natürlich die prestigeträchtigen Cottage-Lagen oder Alt-Hietzinger Adressen rund um Hietzinger Hauptstraße, Neue Welt- und Stösslgasse, die Spitzenpreise erzielen. Wobei der Unterschied zwischen dem 13. und den Bezirken 18 und 19 spürbar ist: Während in Hietzing der Plafonds bei 4500 bis 6000 Euro erreicht ist, sind im Cottage 5000 bis 9000 zu erzielen. Sofern sich ein Käufer findet, denn derzeit ist die Auswahl für potenzielle Luxuskunden im 18. und 19. groß.
Wer sich auf die Suche nach Objekten mit einem Preisschild von über einer Million Euro macht, kann hier unter knapp 200 Angeboten wählen. Kompromisse muss in dieser Gegend derzeit also niemand machen – und das wissen die Käufer auch. (SMA)

Toplagen-Trends

In der Liga der echten Toplagen tut sich traditionell wenig, nur sehr selten werden neue Kandidaten aufgenommen oder alte verstoßen. Veränderungen passieren hier eher leise und innerhalb der Grenzen. So ist die legendäre 1010 als Postleitzahl ungebrochen populär, inzwischen dürfen die Luxuswohnungen dort aber gern ein wenig kompakter sein. Und für die Möglichkeit, mit dem Auto zufahren zu können, rücken manche auch gern an den Rand.

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