Gold: Pures Eigentum statt gefährlicher Spekulation

Pures Eigentum statt gefaehrlicher
Pures Eigentum statt gefaehrlicher c APA ROBERT JAEGER ROBERT JAEGER
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Nur wer Gold in physischer Form kauft, kann die Vorteile des Metalls genießen und sich zurücklehnen, während an den Börsen Panik herrscht. Wer aber glaubt, dass Papier "so gut wie Gold" ist, könnte ein böses Erwachen erleben.

Wien. Der Goldkauf ist eine zeitlos simple Angelegenheit. Wer ein bisschen Geld (überschüssige Kaufkraft) besitzt, kauft sich eine hübsch glänzende Münze (oder einen Barren), sperrt sie weg und erfreut sich des Lebens. Das ist der Inbegriff des Sparens: die Speicherung von Vermögen für die spätere Verwendung. Warum Gold sich dafür eignet? Nun, weil es sich immer geeignet hat. Weil man weder ein Ökonomiestudium noch einen Taschenrechner oder einen Bankberater braucht, um Gold zu verstehen– in Wahrheit muss man dafür nicht einmal lesen oder schreiben können. Und weil es überall auf der Welt mit einem Lächeln akzeptiert wird. Wer ein anderes Asset kennt, das auf eine ähnliche, jahrtausendealte Geschichte als praktisch unzerstörbarer Wertspeicher verweisen kann, soll bitte vortreten. Niemand? Okay.

Der Mensch ist ein Sparer, kein Investor. Es geht ihm in der Regel nicht um die wundersame Vermehrung von Vermögen durch Zinsen, Rendite und allerlei Firlefanz. Der Sparer ist schon mit der einigermaßen sicheren Speicherung seines Vermögens zufrieden – für spätere Zeiten, für harte vielleicht. Das ist die Perspektive, die Oma und Opa haben, wenn sie von Gold erzählen. Sie haben in der Regel miterlebt, dass das glänzende Metall König in der viel gepriesenen „Realwirtschaft“ ist, wo echte Dinge den Besitzer wechseln und nicht nur Bits und Bytes.

Droht ein „Default“ der Comex?

Aber wegen eben dieser Bits und Bytes (zu denen am Ende des Tages auch Währungen wie Dollar oder Euro gehören) ist die Goldwelt heute ein wenig komplizierter als vor 1000, 100 oder 10 Jahren. Heute haben wir es tatsächlich mit zwei Goldmärkten zu tun: mit dem physischen Markt, wo Münzen und Barren die Besitzer wechseln, und mit dem Papiermarkt, wo Terminkontrakte und Ähnliches gehandelt werden.

Auf diesem Papiermarkt wird im wahrsten Sinne des Wortes mit „Derivaten“ gehandelt– mit Papieren also, die ihren Wert (theoretisch) aus dem Metall beziehen, für das sie stehen. Verträge, in denen eine Partei der Gegenpartei zusichert, so und so viel Gold an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Preis zu liefern. Die Comex in New York ist so eine Papierbörse. Der Milliardär und Goldinvestor Eric Sprott hat erst kürzlich vor einem „Default“, einem Bankrott dieser Börse gewarnt. Er war nicht der Erste.

Aber was bedeuten diese Warnungen? Wie kann eine Börse, ein Handelsplatz bankrottgehen? Und was bedeutet das für Goldanleger? Nun, an diesen Papiermärkten wird nicht „mit“ Gold spekuliert – sondern „auf“ Gold beziehungsweise den Goldpreis. Heißt: Der allergrößte Teil der Transaktionen wird in Dollars oder Euros abgewickelt, physisches Gold wechselt kaum den Besitzer. Die Marktteilnehmer sind keine Sparer, sondern an kurzfristigen und messbaren Gewinnen interessiert. Sparer, die sich von ihren Beratern zum Verkauf von Goldmünzen und dem Erwerb von „schlaueren“ Papierprodukten überreden haben lassen, könnten ein böses Erwachen erleben. Ebenso Investoren in Goldfonds.

Papiermarkt mit Achillesferse

Hier kommt der Clou: An der Comex und anderen Terminbörsen wird weit mehr Gold gehandelt, als überhaupt existiert. Man kann sich diese Terminkontrakte auch als Papierwährung vorstellen, die (angeblich) mit Gold gedeckt ist. Solange nur ein paar Investoren auf der physischen Auslieferung bestehen, ist die Welt in Ordnung. Aber wehe, es kommt zu einer Panik, einem „Bank Run“. Dann geht das physische Gold schnell aus – und diejenigen, die sich in Sachen Gold auf die Lieferung einer Gegenpartei verlassen haben, schauen durch die Finger. Sie werden gezwungen, sich in Cash auszahlen zu lassen – und stehen ohne Gold da.

Das ist die Achillesferse des Papiergoldmarktes. Und das ist auch, was Eric Sprott meint, wenn er vor einem „Default“ der Comex warnt, der auch Besitzer von physischem Gold durchrütteln würde. Denn weil an den Terminmärkten so viel mehr Gold gehandelt wird, als existiert, sind sie auch maßgeblich für den Goldpreis verantwortlich. Der aktuelle Goldbullenmarkt seit 2001 ist in diesem Sinne ein „Papierbulle“. Sollte es zu einem Panikabverkauf solcher Derivate kommen (wie zum Teil 2008 geschehen), dann werden wir einen sinkenden Goldpreis sehen. Im ärgsten Fall einen regelrechten Kollaps. Aber Vorsicht! Der Triumph der Goldskeptiker wird nur von kurzer Dauer sein. Entscheidend ist in diesem Fall die Frage: Und was kostet physisches Gold jetzt? Die Antwort: Im Falle eines plötzlichen Kollapses des Papierpreises verschwindet das physische Gold vom Markt. Der Mehrheit der physischen Investoren (Asiaten, Arabern und inflationsbewussten Deutschen) ist der Preis nämlich insofern egal, als dass sie fallende Kurse höchstens zum Nachkaufen verwenden– sicherlich aber nicht in Panik geraten und den Markt mit ihrem Metall fluten.

Gold – und ein bisschen mehr Gold

Das ist der Unterschied zwischen einem Papiergoldinvestor und einem Goldanleger: Zweiterer kauft Gold nicht, um durch einen steigenden Preis Euros zu erwirtschaften. Er kauft Gold – und dann kauft er ein bisschen mehr Gold. Weil das glänzende Metall pures Eigentum verkörpert, nicht die gefährliche Spekulation auf die Vertrauenswürdigkeit einer Gegenpartei.

Ein solcher Goldbesitzer checkt den Goldpreis nur, um das Auf und Ab der Währungen zu sehen. Er weiß, dass Gold schon vor dem Dollar und dem Euro da war, und versteht die Besessenheit der „Investoren“ vom „Goldpreis“ gar nicht so recht. Dasselbe gilt für die anderen großen Käufer (und Halter) von physischem Gold: die Zentralbanken. Deswegen verhält der physische Markt sich auch anders als der Papiermarkt. Wenn der Papiermarkt austrocknet, ist das ein negatives Zeichen, weil es nur nachfrageseitig geschehen kann. Das Angebot an „Papiergold“ ist ja theoretisch unbegrenzt.

Trocknet aber der physische Markt aus, wird kein physisches Gold mehr verkauft, ist das ein „bullishes“ Signal: Die Halter des Metalls sind nicht bereit, zum aktuellen Preis zu verkaufen – also muss ein neuer (höherer) Preis gefunden werden. Im Falle einer Panik, in der die Papiermärkte wegen Vertrauensverlustes in die Gegenparteien austrocknen und der physische Markt gleichzeitig von so viel Geld überschwemmt wird, dass er einfach stehen bleibt, werden diejenigen als „Sieger“ übrig bleiben, die schon zuvor physisches Gold gekauft und beiseitegelegt haben.

Aus welchem Grund sie das getan haben, ist dann im Prinzip egal. Ob sie nun den Unterschied zwischen Papier- und physischem Markt verstehen. Ob sie einfach ihre Bankberater und deren „schlaue“ Fonds nicht leiden können. Oder ob sie nur Gold gekauft haben, weil es so schön glänzt.

Auf einen Blick

Es gibt zwei Goldmärkte: die Terminbörsen, an denen auf den Goldpreis gewettet, aber kaum mit Gold gehandelt wird. Und den physischen Markt, bevölkert vor allem von Asiaten, Arabern, Deutschen und Zentralbankern. Der Papiermarkt hat eine Achillesferse: Es wird dort mehr Gold gehandelt, als eigentlich existiert. Solange ein Großteil der Kontrakte in Cash ausgezahlt wird, ist das kein Problem. Aber wenn zu viele Investoren gleichzeitig nach physischem Gold verlangen, könnte das den Markt sprengen. Und die Investoren werden merken, dass Papierderivate nie „so gut wie Gold“ sein können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2013)


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