Analysten schließen jetzt Notierungen unter 1000 Dollar nicht mehr aus. Halter von "Papiergold" verlassen in Scharen den Markt.
Prognosen sind immer ein unsicherer Blick in die Glaskugel, aber der Goldpreis hat sich zuletzt erstaunlich exakt an den an dieser Stelle vor vier Wochen skizzierten Fahrplan gehalten: Eine Nach-Crash-Gegenbewegung zurück an die knapp unter 1500 Dollar liegende Unterkante des gültigen Abwärtstrends – und danach wieder eine Drehung nach unten. Tatsächlich hat das Edelmetall Ende April einen Anstieg bis 1477 Dollar je Feinunze geschafft. Ab da ging es langsam bergab– und in der abgelaufenen Woche war die Notierung schon wieder unter 1400 Dollar. Das, obwohl die Anlegernachfrage nach physischem Gold ungebrochen hoch ist.
Allerdings kommt auch viel Gold auf den Markt: Weil die Halter von „Papiergold“ in Scharen den Markt verlassen, geben Exchange Traded Funds (ETFs) tonnenweise Gold ab, mit dem sie ihre Papiere „unterlegt“ hatten. Offenbar kompensiert das die hohe physische Nachfrage weitgehend.
Internationale Analysten werden deshalb für das Edelmetall immer pessimistischer. Zumindest kurz- bis mittelfristig dürfte der Preisverfall wohl weitergehen. Und zwar deutlich tiefer, als bisher angenommen worden war. In der abgelaufenen Woche sind erstmals Prognosen über dreistellige Notierungen in der Neunhunderter-Region aufgetaucht. So dick wird es möglicherweise nicht kommen, aber dass der Preis in den nächsten Monaten an der 1100-Dollar-Grenze kratzt, wird unterdessen von vielen Marktbeobachtern für wahrscheinlich gehalten. Die Entscheidung fällt, wie hier schon angedeutet, in der Gegend von 1300 Dollar. Hält diese Grenze nicht, dann ist der Weg nach unten frei.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2013)