Franken-Schuldner: Eile ist geboten

(c) EPA (Martin Ruetschi)
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Wer über die Risken von Fremdwährungskrediten nicht ausreichend informiert wurde, kann Ansprüche wegen Fehlberatung durchsetzen. In vielen Fällen drängt die Zeit.

Wien. Wenn ab 2014/2015 Franken-Kredite in größerer Zahl abreifen werden, dürften nicht wenige Kreditnehmer große Augen machen: Durch den starken Anstieg des Franken-Kurses ist die Kreditsumme in Euro bei den meisten um mehr als ein Drittel gewachsen. Gleichzeitig hat die Finanzkrise die meisten Tilgungsträger, mit denen auf die Abstotterung der endfälligen Fremdwährungskredite angespart wird, schwer in Mitleidenschaft gezogen. Mit anderen Worten: Bei vielen Franken-Kreditnehmern klafft bei der Rückzahlung eine Deckungslücke, die gut die Hälfte des ursprünglichen Kreditbetrags ausmacht.

Eine unerquickliche Situation. Denn viele Franken-Kreditnehmer wollten mit dem Fremdwährungskredit ja nicht eine „komplexe Spekulation“ (wie der Oberste Gerichtshof eine solche Konstruktion in einem Erkenntnis mit der Zahl 8 Ob 66/12g bezeichnete) eingehen, sondern schlicht eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus finanzieren. Stattdessen sitzen sie jetzt auf gewaltigen Finanzlücken, die erst einmal gestopft werden müssen.

Dreijährige Verjährungsfrist

Vielen war schlicht nicht bewusst, dass sie mit ihrer scheinbar so lukrativen Finanzierung eine Mehrfachspekulation (etwa auf Zinssätze und Währungskurse) eingehen. Was auf Fehlberatung beim Abschluss hindeutet.

Kann man dagegen jetzt noch etwas unternehmen? Ja, zumindest in vielen Fällen, meint der Wiener Anlegeranwalt Ingo Kapsch im Gespräch mit der „Presse“. Allerdings sollte man schnell sein, denn die Verjährungsfrist läuft unerbittlich. Wer glaubt, noch Ansprüche wegen Fehlberatung durchsetzen zu können, sollte seine Unterlagen also möglichst rasch bei einer unabhängigen Stelle, etwa dem Verein für Konsumenteninformation oder einem Anwalt, checken lassen.

Entscheidend ist die Frage, wann der Kreditnehmer vom möglichen Schaden erfahren hat. Ab dann beginnt nämlich eine dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Dass solche Fristen überhaupt noch laufen – der Franken-Kreditboom hat in den Neunzigerjahren begonnen, schon 2008 hatte die Nationalbank den Banken die Vergabe von Fremdwährungskrediten wieder abgedreht – hängt damit zusammen, dass die Beratung während des Franken-Booms oft eher euphorisch als objektiv war.

Kapsch sieht den Hebel im Wertpapieraufsichtsgesetz: Dieses schreibe Prognoserechnungen vor, die auch Worst-Case-Szenarien berücksichtigen müssen. Sobald ein Tilgungsträger im Spiel sei – also so gut wie bei allen Franken-Finanzierungen – sei dieses Gesetz anzuwenden. Den Kreditwerbern hätten also schriftlich Prognoserechnungen vorgelegt werden müssen, die die Volatilität des Franken-Kurses in den vorangegangenen 15 Jahren und das theoretische Verlustpotenzial des Tilgungsträgers hätten berücksichtigen müssen. Kurzum: Man hätte den Kreditwerbern auch schriftlich detaillierte Horrorszenarien vorlegen müssen, die im schlimmsten Fall eine deftige Deckungslücke zum Ablauf des Kredits prophezeit hätten. Das, so der Anwalt, sei durchgehend nicht geschehen, man habe die Kreditwerber nur in allgemein gehaltenen Merkblättern auf mögliche Verluste hingewiesen.

Aber: In den vergangenen Jahren hätten die Banken Franken-Kreditnehmer in großem Stil zu Gesprächen eingeladen, ihnen die drohende Deckungslücke erläutert, die Konvertierung in Euro (manchmal sogar spesenfrei) angeboten und darüber Gesprächsprotokolle angelegt. Spätestens mit der Unterschrift unter dieses Protokoll beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Wer glaubt, Ansprüche wegen Fehlberatung zu haben, sollte seine persönlichen Chancen also bald abklären.

Österreichisches Problem

Das Volumen der aushaftenden Franken-Kredite ist in Österreich seit dem Stopp der Neuvergabe zwar um fast 20 Mrd. Euro gesunken (unter anderem wegen massenhafter Konvertierungen), ist mit mit rund 28 Mrd. Euro aber noch immer sehr hoch. Es ist ein stark auf österreichische Banken fokussiertes Problem: Zwei Drittel der in der EU aushaftenden Fremdwährungskredite sind von österreichischen Banken vergeben worden, ein beträchtlicher Teil auch in Osteuropa. (ju)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2013)

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