Wie der Goldpreis geschmiedet wird

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Wird der Goldpreis gedrückt? Ja, sagt Dimitri Speck: exakt seit dem 5. August 1993. Specks Buch "Geheime Goldpolitik" ist wahrscheinlich die nüchternste Untersuchung zum Thema überhaupt - und gerade deswegen so relevant.

Wien. Manipulation! Verschwörung! Frechheit! Gold war immer schon mehr als ein glänzendes Metall. Gold ist Emotion. Auch deswegen werden die Goldfans von ihren intellektuellen Gegnern seit Langem als „Goldbugs“ belächelt – für ihre Liebe zum gelben Metall und die vielen kruden Geschichten, Mythen und Theorien, die sich um das Gold ranken. Die beliebteste dieser Theorien: Der Goldpreis werde manipuliert. Seit Jahrzehnten.

Aber seit einiger Zeit geschehen sonderbare Dinge. Eine ganze Reihe von ehemals kruden Theorien hat sich als Wahrheit herausgestellt. Wer 2010 am Stammtisch behauptet hätte, wir würden alle überwacht („Von der NSA!“), der wäre nur belächelt worden. Nach den Enthüllungen von Edward Snowden lächelt niemand mehr. Auch nicht die (ebenfalls überwachte) deutsche Kanzlerin.

Vergangenes Jahr haben Aufsichtsbehörden dann weltweit Milliardenstrafen über eine Reihe von Großbanken verhängt, weil diese den Referenzzinssatz Libor manipuliert hatten – der wahrscheinlich größte Skandal in der Finanzgeschichte. Und just jene Wissenschaftler, die die Libor-Ermittlungen durch ihre Untersuchungen ausgelöst haben, legen jetzt ein neues Papier vor. Die Aussage: Der Goldpreis werde manipuliert. Seit zehn Jahren. Nach unten.

Muster der Preisdrückung

Aber selbst diese Studie von der New Yorker Professorin Rosa Abrantes-Metz und von Albert Metz, einem Managing Director bei der Ratingagentur Moody's, dürfte nicht einmal die halbe Geschichte erzählen (bei der Studie handelt es sich um keine Moody's-Studie). Ihre Untersuchung beschränkt sich auf die Tradition des Londoner Goldfixings, bei dem die Großbanken im Goldgeschäft zweimal täglich einen Referenzpreis feststellen – ähnlich, wie es beim Libor geschieht. Gold ist aber mehr als ein Rohstoff – es war jahrhundertelang auch Geld, und bis heute wird ein beachtlicher Teil des vorhandenen Goldes (rund 30.000 Tonnen) als Reserve von Zentralbanken gehalten.

Der deutsche Marktanalytiker und Autor Dimitri Speck hat schon lange vor den US-Wissenschaftlern Anomalien beim Goldpreis festgestellt. Sein Buch „Geheime Goldpolitik“ ist kürzlich in einer aktualisierten Aufgabe erschienen. Speck hat die Preisbewegungen über viele Jahre untersucht und ein deutliches Muster der Preisdrückung feststellen können. Und er vermutet dahinter nicht nur die privaten Goldbanken – sondern vor allem die Zentralbanken. Denn Gold war immer schon ein Fieberthermometer der Wirtschaft – vor allem der Inflationsangst in der Bevölkerung. „Es geht um den Gegenspieler des Goldes, um die Währungen– es geht um die Zinssätze, um die Festigkeit des Dollars“, sagt Speck im Gespräch mit der „Presse“.

Er hat auf Basis seiner Analysen eines der nüchternsten Bücher geschrieben, das es zum Thema Gold gibt. Es ist ein Stück investigativer Journalismus, das jetzt an Brisanz gewinnt. Denn er hat anhand der Daten sogar den Tag feststellen können, an dem die Manipulationen begannen: den 5. August 1993.

Manipulation in drei Phasen

„Die US-Notenbank hat damals einen weiteren Anstieg des Goldpreises gefürchtet, weil das die Inflationserwartungen hätte steigen lassen“, so Speck. Das hätte das Vertrauen in den Dollar geschwächt. Fed-Chef Alan Greenspan hätte damals die Idee gehabt, Gold zu verkaufen. Ob das je geschehen ist, sei unklar. Aber Speck ist sich sicher: Im August 1993 starteten die systematischen Interventionen beim Goldpreis. Das kann er nicht nur durch die Analyse der Preisbewegungen untermauern, er hat sich auch durch unzählige Sitzungsdokumente der Notenbanken gearbeitet. Er teilt die Manipulationen in drei Phasen.

Phase eins lief demnach von 1993 bis 1996 – die Notenbanken hätten ihr Ziel, den Preis unter 400 Dollar zu halten, damals vor allem durch direkte Goldverkäufe erreicht. Wenn sie aber so weitergemacht hätten, stünden die Währungshüter heute ohne Gold da. Deswegen griffen sie für Phase zwei (1996 bis Mai 2001) zum „Goldleasing“. Die Zentralbanken verliehen immer mehr Gold an die Geschäftsbanken. Die zahlten einen geringen Zins, verkauften das Gold (was den Preis drückt) und legten den Erlös hochverzinst an. Später kaufte die Geschäftsbank das Gold zu einem niedrigeren Preis und gab es an die verleihende Zentralbank zurück.

Die Leasing-Geschäfte waren aber auch nicht ohne Risiko für die Notenbanken – sie liefen aus. Phase drei begann 2001. „Seitdem finden die Manipulationen überwiegend auf der New Yorker Terminbörse Comex statt. Der Preis geht in Minuten, manchmal in Sekunden hinunter. Und weil Gold kein Gebrauchsgegenstand ist, hat das eine abschreckende Wirkung auf Investoren“, erklärt Speck. Ein Schokoladeproduzent braucht Kakao – egal, wie der Preis steht. Ein Investor „braucht“ Gold in dem Sinne nicht.

Ultimativ – und das ist die große Überraschung – hätten die Notenbanken aber doch ein starkes Interesse an einem „deutlich höheren“ Goldpreis, sagt Speck. Prognose will er keine machen. Aber Speck rechnet damit, dass Gold als Währungsreserve an Bedeutung gewinnen wird, weil Staatsanleihen wegen der Schulden immer unsicherer werden. „Das kann aber ein Übergang sein, der viele Jahre dauert.“

DAS BUCH

Geheime Goldpolitik.Autor Dimitri Speck kommt ohne abgedroschene Gold-Anekdoten aus. Sein Buch ist eine nüchterne Analyse des Goldpreises und sein Schluss glasklar: Der Preis werde gedrückt. Speck schreibt sachlich und hat eine enorme Rechercheleistung abgeliefert. (Finanzbuchverlag) [ FBV]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2014)

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