Schweizer Gipfelstürmer

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Der erste Schock nach der Freigabe der Franken-Bindung an den Euro scheint an der Zürcher Börse vorerst verdaut zu sein. Ein Blick auf solide Titel bei den Eidgenossen lohnt sich allemal.

Wien. Vor einer mächtigen Lawinengefahr hätte heuer im Winter wohl auch im Finanzzentrum Zürichs gewarnt werden sollen. Denn als die SNB (Schweizer Nationalbank) am 15. Jänner die Franken-Bindung an den Euro beendet hatte, schoss die eidgenössische Währung steil nach oben – während der Schweizer Aktienmarkt (zumindest aus Sicht eines Franken-Anlegers) kräftig aufgewirbelt wurde. Groß war schließlich die Sorge über die Folgen – allen voran für die Schweizer Exportwirtschaft.

Doch der erste Anlegerschock scheint verdaut. Der Franken pendelt sich derzeit in einer Bandbreite zwischen 1,03 und 1,05 zum Euro ein. Wobei „letztere Marke unserer Jahresprognose entspricht“, hält RBI-Volkswirt Valentin Hofstätter fest. Denn ganz tatenlos wolle die SNB einem weiteren Franken-Anstieg dann doch nicht zusehen. „Offizielle Zahlen zu möglichen Interventionen gibt es zwar noch nicht. Es wird aber vermutet, dass auch jetzt die SNB den Kurs zum Euro stützt“, so Hofstätter.

Selbst der Leitindex SMI (Swiss Market Index) nähert sich allmählich alten Höchstständen von knapp mehr als 9000 Punkten– was allerdings wenig verwundert. Denn mehr als 50 Prozent des Index machen lediglich drei der insgesamt 20 im SMI enthaltenen Titel aus: Roche, Novartis und Nestlé. Und diese sind längst global diversifiziert. Allein beim Lebensmittelgiganten wurde zuletzt ein Rekordhoch an der Börse erreicht – und zwar nicht nur auf Euro- sondern auch auf Franken-Basis.

Nestlé wächst in Amerika

Immerhin steigerte der weltgrößte Lebensmittelkonzern den Gewinn 2014 um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert auf 14,5 Mrd. Schweizer Franken, wenngleich ein Teil des Anstiegs auf einen Spartenverkauf an den Kosmetikkonzern L'Oreal zurückzuführen ist. Regional erzielte der Konzern das größte Wachstum in Nord- und Südamerika. Für Celine Pannuti von JP Morgan jedenfalls Grund genug, die Aktie mit „Übergewichten“ einzustufen. Das Kursziel hob die Analystin vor wenigen Tagen auf 70 Franken an; inzwischen ist der Kurs darüber gestiegen.

Gut aufgestellt sieht Thomas Kellner, Fondsmanager des P.I.A. Swiss Stock, den Luxuskonzern Richemont. Während in der Schweiz edle Uhrwerke hergestellt werden, stammen etwa Cartier-Produkte aus Frankreich. „Insgesamt neutralisiert sich der Währungseffekt“, so Kellner. Wobei, Richemont erzielt rund 40 Prozent der Umsätze jeweils in Asien und in Europa, den Rest auf dem amerikanischen Kontinent. Zuletzt dämpften allerdings die Hongkong-Demonstrationen und Chinas Kampf gegen die Korruption die Umsätze in der Region. In Europa legten sie hingegen weiter zu, was Analysten wiederum teils auch auf den wachsenden chinesischen Tourismus zurückführen.

Vom Fremdenverkehr dürfte Kellner zufolge auch der Flughafen Zürich profitieren. Allein im Vorjahr verzeichnete der Konzern einen neuen Rekord mit 25 Millionen Passagieren. „Nun könnten aufgrund des starken Franken vermehrt Schweizer Touristen ins Ausland fliegen“, so der Pioneer-Profi. Doch das ist nicht der einzige Wert abseits der Big Players auf dem Schweizer Aktienmarkt, der bei Experten Gefallen findet.

Auch Kleine unter Gewinnern

Marco Garzetti, Chef der Swiss Fund Management, wittert gute Chancen bei dem kleinen Pharmatitel Basilea, dessen Produktpipeline gut aufgestellt sei. Ende 2014 wurde zudem das Breitbandantibiotikum Zevtera in Deutschland zugelassen, in anderen Ländern Europas kommt es bereits zum Einsatz. „Zahlreiche Krankenhäuser zählen zu den Abnehmern“, unterstreicht Garzetti, der das Kursziel bei 200 Franken sieht.

Weiterer Favorit ist ebenfalls ein Pharmawert, Siegfried Holding: „Das Unternehmen produziert Medikamente im Auftrag von großen Pharmakonzernen.“ In China soll zudem noch heuer eine Produktionsstätte gebaut werden, in den USA sowie in Malta gibt es bereits Werke. „Der Konzern ist damit geografisch breit diversifiziert“, so Garzetti. Der Swiss-Experte traut der Aktie jedenfalls noch einen Anstieg auf rund 240 Franken zu.

„Wobei wir bei all unseren Positionen einen Investmenthorizont von zwei bis drei Jahren anpeilen“, warnt Garzetti vor kurzfristigen Spekulationen, insbesondere auf dem Schweizer Markt: „In der Eurozone sind die Probleme längst nicht gelöst. Weitere Turbulenzen würden dem Franken neuen Auftrieb verpassen.“ Und damit könnte zumindest kurzfristig eine neue Verkaufslawine auf dem Schweizer Aktienmarkt losgetreten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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