Agnes Husslein-Arco: „Ich zahle nie zu viel, das kann ich sagen“

Agnes Husslein-Arco
Agnes Husslein-ArcoDie Presse
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Agnes Husslein-Arco, die Direktorin des Belvedere, ist Herrin der größten Klimt-Gemäldesammlung. Der „Presse“ verrät sie, warum sie noch nie ein Gemälde verkauft hat – und Kunst nicht zwangsläufig elitär sein muss.

DiePresse: Können Sie sich noch an das erste Bild erinnern, das Sie sich gekauft haben?

Agnes Husslein-Arco: Nein.

War das Bild nicht wichtig genug, oder liegt der Kauf zu lange zurück?

Weder noch. Als ich begonnen habe, Geld zu verdienen, habe ich angefangen, Kunst zu kaufen. Als ich bei Sotheby's arbeitete, bin ich immer mal wieder in die Galerie von Peter Pakesch gegangen, um dort ein Bild von Herbert Brandl, Otto Zitko oder Franz West zu erwerben. Auch bei Auktionen habe ich immer wieder kleine Beträge ausgegeben.

Mussten Sie dafür auch sparen?

Ja, eine große Anschaffung, für die mein Mann und ich gespart haben, war ein Esszimmer von Koloman Moser. Das war für uns wirklich ein Opfer.

Besitzen Sie das heute noch?

Ich habe noch nie etwas verkauft, das ich mir einmal gekauft habe.

Warum nicht?

Weil ich die Dinge alle liebe. Wenn man sich etwas kauft, sollte man Freude daran haben. Anscheinend habe ich damals schon ein ganz gutes Auge gehabt. Denn alle Werke haben einen enormen Wertzuwachs erfahren. Aber deswegen habe ich sie nicht gekauft.

Haben Sie noch nie einen Kauf bereut?

Nein, noch nie. Ich habe ein gutes Gespür und kenne mich im Markt aus. Das ist von Vorteil.

Haben Sie zu den Bildern, die bei Ihnen zu Hause hängen, eine andere Beziehung als zu denen im Museum?

Ich glaube schon. Bei mir zu Hause hatte ich einmal einen furchtbaren, glosenden Brand. Da musste alles ausgeräumt werden. Interessanterweise habe ich alles wieder an seinen alten Platz zurückgehängt. Mein Beruf ist meine Passion, ich bin mit Kunst aufgewachsen. Meine Mutter hat schöne Objekte geliebt. Sonntags wurde der Tisch stets schön gedeckt. Man muss früh an Qualität herangeführt werden.

Ist das jedem möglich? Kunst ist nicht selten auch etwas Elitäres.

Das sehe ich nicht so. Kunst muss nicht elitär sein. Einen Gustav Klimt zu besitzen ist vielleicht elitär, aber man kann genauso gut zum Altwarenhändler oder auf den Flohmarkt gehen. Kunst hat viel mit Interesse zu tun. Man kann die tollsten Dinge finden, wenn man sie nur sucht. Gute Kunst muss nicht teuer sein. Wir können hier im Museum zum Beispiel keine teure Kunst kaufen, weil wir uns das nicht leisten können. Wir kaufen junge, interessante Kunst. Dazu hat jeder den Zugang. Das Problem ist eher die Bildung und das Hinführen der Kinder zur Kunst. Das fängt im Elternhaus und in der Schule an.

Sind die Preise, die heute am Kunstmarkt erzielt werden, noch gerechtfertigt?

Man kann den Kunstmarkt von heute nicht mit dem von vor ein paar Jahren vergleichen. Kunst ist heute für viele Leute ein Investment. Es sind Menschen im Markt, die vorher nie Kunst gekauft haben. Die wollen Geld anlegen. Auch der Prestige-Aspekt hat zugenommen. Außerdem gibt es neue Märkte: Heute sind Russen, Chinesen und Inder ganz groß als Käufer dabei. Der Kunstmarkt ist ein richtiges Business geworden.

Wird man da als Normalverbraucher nicht abgeschreckt?

Man muss sich ja keinen Mark Rothko kaufen, es kann auch ein junger, zeitgenössischer Künstler sein. Wenn jemand bereit ist, viel Geld für einen berühmten Künstler zu zahlen, ist das aber völlig legitim.

Ist es richtig, Kunst als Investment zu sehen?

Ich würde das nie tun. Man sollte sich immer Dinge kaufen, die einem gefallen. Was man tun sollte, ist, den Wert zu überprüfen. Dafür gibt es ja Instrumente: Es gibt Art-Sales-Indizes, oder man kann sich beraten lassen.

Wie viel Geld muss man in die Hand nehmen, um Kunst zu kaufen, die wertstabil ist?

Wenn Sie Kunst als Investment kaufen, dann müssen Sie etablierte Künstler kaufen. Nolde, Schiele, Klimt und so weiter. Wenn ich hier Kunst für das Belvedere kaufe, kann ich auch keine Garantie darüber abgeben, wie viel ein Werk einmal wert sein wird. Ich kann für ein Bild nur ein paar tausend Euro ausgeben. Hoffentlich kaufe ich das Richtige, so wie meine Vorgänger, die Schiele und Klimt gekauft haben. Ich kann nur auf meine Erfahrung vertrauen, und dafür muss man reisen, viel sehen, etwas wissen und sich informieren. Es ist ein Unterschied, ob ich ein Kleid oder ein Bild kaufe.

War es eine Umstellung für Sie, Steuergeld für Kunst auszugeben?

Da denke ich nicht so drüber nach. Ich mache das sehr verantwortungsbewusst und evaluiere sehr genau. Für das Belvedere ist es für manche Gebiete sogar leichter, wie zum Beispiel für das 19. Jahrhundert: Hier gibt es riesige Bestände etablierter Kunst. Wenn ich eine günstige Ergänzung finde, freue ich mich. Bei der zeitgenössischen Kunst ist es viel schwieriger.

Gibt es ein Bild, das Sie im Nachhinein nicht mehr kaufen würden oder für das Sie zu viel bezahlt haben?

Ich zahle nie zu viel, das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Dafür kenne ich mich zu gut aus, mir kann niemand ein X für ein U vormachen. Und ich bin auch eine gute Verhandlerin.

Ist es denn die Aufgabe des Staates, Geld für Kunst auszugeben?

Ja sicher, der Staat muss dafür sorgen, dass sich die kommenden Generationen auch noch mit Kunst beschäftigen können. Aber diese Aufgabe nimmt er viel zu wenig wahr. Wir (das Belvedere, Anm.) sind zu knapp 60 Prozent eigenfinanziert. Der Staat gibt uns im Jahr vielleicht 200.000 Euro für Ankäufe. Damit kann man keine Sammlung für die Zukunft aufbauen.

Wenn Sie eine Ausstellung konzipieren, welche Rolle spielt es, ob ein wirtschaftlicher Erfolg eintritt?

Überhaupt keine. Ich würde nie eine Ausstellung machen, nur weil sie gut ankommt. Wir haben ein klares Programm, und das wollen wir durchziehen. Carl Schuch, dem gerade eine große Ausstellung gewidmet ist, kennen nicht viele Menschen. Trotzdem ist er ein großartiger Künstler, und gerade deshalb müssen wir ihm eine Ausstellung widmen – auch wenn es kein Blockbuster wird. Aber wir haben natürlich auch das große Glück, die größte Klimt-Gemäldesammlung der Welt zu besitzen.

Zur Person

Agnes Husslein-Arco, Jahrgang 1954, studierte Kunstgeschichte und Archäologie in Wien und an der Sorbonne. Zunächst arbeitete Husslein im Dorotheum, später bei Sotheby's in New York. Für das Auktionshaus war sie dann rund 20 Jahre lang in Wien tätig. Im Laufe ihrer Karriere war Husslein Direktorin des Rupertinums und des Museums der Moderne in Salzburg. Seit 2007 steht sie der Galerie Belvedere vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2012)

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