Modeschöpferin Ploier:„In Österreich verkaufe ich null“

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Symbolbild Mode(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Ute Ploier zählt zu den erfolgreichsten Modeschöpferinnen Österreichs. Der „Presse“ erzählt sie, warum Japaner ihre besten Kunden sind und Designerkleidung auch mal teuer sein darf.

Die Presse: Die Wiener werden oft als Modemuffel bezeichnet. Ist es schwer, hier als Modedesignerin Geld zu verdienen?

Ute Ploier: Zum Arbeiten ist Wien super. Ich mag es, abseits des ganzen Trubels zu sein. Aber es ist natürlich total wichtig, nach Mailand oder Paris auf Modemessen zu gehen und zu exportieren. Ich verkaufe in Österreich praktisch null. Mein Hauptmarkt ist Japan.

Wieso ausgerechnet Japan?

Wenn man im Avantgardesegment unterwegs ist, ist Japan immer einer der wichtigsten Märkte. Dort sparen selbst junge Leute, um sich ein Kleidungsstück kaufen zu können. An den Bestellungen merke ich auch, dass in Japan gern die verrückteren Teile meiner Kollektion gekauft werden.

Lohnt es sich, auf ein Kleidungsstück zu sparen?

Designerkleidung hat oft einen Fetisch-Charakter. Man kauft nicht nur das Kleidungsstück, sondern glaubt zumindest, mehr dazukaufen zu können. Du kaufst dir ein Stück von der Welt, die der Designer schafft. Das ist es, was die Leute dazu bringt, so viel Geld für ein Kleidungsstück auszugeben. Mein Ziel ist es, auch so eine Welt zu schaffen.

Halten Sie die Preise von Designerstücken für gerechtfertigt?

Das ist schwer zu generalisieren. Bei manchen Stücken frage auch ich mich, wie der Preis zustande kommt. Aber wenn das Material hochwertig und technisch perfekt verarbeitet ist, dann sind auch hohe Preise mit Sicherheit gerechtfertigt.

Wie stellen Sie sich Ihre Käufer vor? Sparen die auf die Kleidung oder sind das Leute, die so etwas schnell mal bezahlen können?

Ganz gemischt. Ich weiß, dass es in Japan einen berühmten Baseballspieler gibt, der jede Saison meine Sachen kauft. Aber es gibt auch junge Kunden, die nicht so viel Geld haben. Auf bestimmte Strickwesten stehen dann wiederum Ältere.

Wenn Sie etwas entwerfen, haben Sie dann die Kosten im Blick?

Schon. Die Geschäfte suchen sich ja auch Designer, die in einem bestimmten Preissegment gut arbeiten. Und wenn jemand eine Jeans kauft, bei der die Qualität stimmt und der Preis passt, geht er wieder dorthin. Früher habe ich mich gar nicht um Kosten geschert. Wenn der Stoff schön war, habe ich ihn genommen. Ich habe viel gelernt, als ich für große Firmen gearbeitet habe. Auch als ich eine Familie gegründet habe, habe ich angefangen, darüber nachzudenken, ob die Teile für meine Kunden auch so funktionieren.

Heißt das, Sie mussten erst lernen, was ein angemessener Preis ist?

Ja, das geht durch Learning by Doing und auf Auf-die-Schnauze-Fallen. Ich hatte auch schon Produkte in Kollektionen, die überhaupt nicht funktioniert haben. Der Preis kann da ein Grund gewesen sein. In meiner Ausbildung an der Modeschule war das alles überhaupt kein Thema.

Und jetzt wissen Sie schon beim Entwerfen, was ein Stück am Ende kosten wird?

Ja. Man weiß, wie teuer die Materialien sind und holt sich Kostenvoranschläge von Firmen. Die Shops in Japan multiplizieren diesen Preis dann ungefähr dreimal. So kann man sich ausrechnen, ob das Stück noch im Rahmen ist oder nicht.

Was war das Teuerste, das Sie je zum Verkauf angeboten haben?

Das teuerste Stück war ein Militärparka aus Leder. Im Laden hing der für 1600 Euro. Mit Leder arbeite ich jetzt aber nicht mehr so viel, das ist eine eigene Wissenschaft.

Können Sie zwischen dem reinen Entwerfen und der geschäftlichen Seite noch trennen?

Nein, überhaupt nicht. Sehr viel Zeit fließt in diese geschäftliche Seite hinein. Bei kleinen Unternehmen fällt das alles auf eine Person.

Wie wichtig ist es, beides zu können?

Sehr wichtig. Bei ganz vielen Designern, die sich selbstständig machen wollen, ist das der große Knackpunkt. Es gibt ganz viele, die kreativ und talentiert sind, aber wenige, die auch organisieren können. Bei mir hat eine Kollektion 60 bis 80 Einzelteile. Wenn man das noch einmal in die jeweiligen Bestandsteile zerlegt, kann man sich vorstellen, dass das eine komplexe Angelegenheit ist.

Wie haben Sie das gelernt?

Mit viel Schweiß und Tränen. Es war aber auch schwierig, weil ich kein Praktikum nach der Uni gemacht habe. Das empfehle ich meinen Studenten jetzt immer.

Sie haben sich sehr früh selbstständig gemacht, kurz nachdem Sie einen Nachwuchspreis in Frankreich gewonnen haben.

Genau, eigentlich wollte ich mich gar nicht so schnell selbstständig machen, aber dann habe ich diesen Preis gewonnen. Und dann auch noch den Modepreis der Stadt Wien, für den ich 10.000 Euro bekommen habe, also einen Haufen Geld. Dann dachte ich: Jetzt hast du das Geld für die erste Kollektion und noch dazu eine PR-Agentur in Paris. Das musst du ausnutzen.

Bereuen Sie etwas?

Ich würde viele Dinge anders machen, zum Beispiel würde ich ein Praktikum machen, bevor ich mein eigenes Label gründe. Aber andererseits: Wenn ich nicht alles so gemacht hätte, wie ich es gemacht habe, hätte ich nicht so viel gelernt.

Später sind Sie dann unter anderem eine Kooperation mit der englischen Kette Topman eingegangen. Würden Sie das nochmal machen?

Nein. Das war schlecht bezahlt und es hat extrem lange gedauert, bis ich das Geld hatte. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass mit meiner Arbeit respektvoll umgegangen wird. Es wurde ins Design eingegriffen, ohne mich zu fragen.

War es für Sie jemals eine Option, für eine große Marke zu arbeiten?

Als Studentin habe ich mir eingebildet, ich müsste unbedingt mein eigenes Label machen. Jetzt, nach zehn Jahren, kenne ich auch die Schattenseiten. Ich rate meinen Studenten, sich gut zu überlegen, ob sie selbstständig sein wollen. Davon abraten würde ich aber niemanden. Seine eigene Welt zu kreieren ist ja auch etwas sehr Schönes.

Was sind denn die Schattenseiten?

Man hat das Risiko durch die Selbstständigkeit, man kann nicht in Karenz gehen, man muss alles selbst machen: Design, Schnitte, Buchhaltung, Produktmanagement, alles. Freizeit gibt es kaum, bezahlten Urlaub auch nicht. Am Anfang ist das noch egal, mit der Zeit lernt man diese Dinge aber zu schätzen.

Auf einen Blick

Ute Ploier wurde 1976 in Linz geboren. Sie absolvierte die Modeklasse an der Universität für angewandte Kunst in Wien und gründete 2003 ihr Männermodelabel. Gleich zu Beginn ihrer Karriere gewann sie ein wichtiges Newcomer-Festival in Hyères. Ihr Ruf bescherte ihr nicht nur einen Lehrauftrag an der Kunst-Uni in Basel, sondern brachte ihr auch eine Professur für den Bachelorstudiengang an der Modeschule Hetzendorf ein. Ploier entwarf außerdem eine Kollektion für die britische Kette Topman und arbeitete mit dem Trachtenherstelller Gössl zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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