Winzer Hillinger: „Ich war ganz unten in der Hölle“

Leo Hillinger
Leo HillingerDie Presse
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Society-Winzer Leo Hillinger spricht mit der „Presse“ über jugendliche Blödheit, schlaflose Nächte und seine zahlreichen Neider.

Die Presse: Sie haben ein großes Geschäft, das schaut nach viel Arbeit aus. Dafür wirken Sie ziemlich entspannt.

Leo Hillinger: Ich bin immer entspannt. Weil ich seit drei Jahren keine Schulden mehr habe.

Aber früher hatten Sie ziemlich viele. Können Sie sich an die Nächte von damals erinnern?

Das glauben Sie gar nicht, wie gut ich mich daran erinnern kann. Deswegen bin ich so auf dem Boden geblieben, weil ich weiß, wie es 20 Zentimeter unter dem Teppich ausschaut. Ich war ganz unten in der Hölle.

Wie schaut es dort aus?

Ganz schlimm. Wenn du nicht schlafen kannst, wenn du nicht weißt, wie der nächste Tag sein wird oder ob es einen nächsten Tag gibt. Da geht es dir schlecht. Als ich 1990 angefangen habe, hatte ich 400.000 Euro Schulden, zu 17 Prozent Verzinsung.

Sie haben den Betrieb Ihrer Eltern übernommen. War es damals keine Option, sich von der Firma zu trennen?

Mit 21 Jahren ist man einfach dumm. Man hat ganz andere Prioritäten. Aber das gibt sich mit der Zeit. Heute würde ich die Firma nicht mehr übernehmen.

Aber es hat ja alles gut funktioniert.

Nichts hat funktioniert. Es war alles alt, mein Vater hatte keine Weingärten, keine Geräte, es war nichts da. Einfach nichts.

Und was hat Sie geritten, dass Sie sich das trotzdem angetan haben?

Jugendliche Naivität. Einfach Blödheit, Idealismus, der Glaube an das Gute.

Was haben Sie gegen die Schulden getan?

Tag und Nacht gearbeitet, ohne Schlaf. Wir hatten einen Heurigen, den ich wieder aktiviert habe. Meine Person, unermüdlicher Fleiß, Konsequenz bis zum Umfallen. Ideen durchziehen. Und da musst du wirklich tough sein. Vor allem darf dir nichts zu blöd sein. Ich bin in die Restaurants vorne reingegangen, sie haben mich rausgeschmissen, dann bin ich hinten wieder reingegangen. So lange, bis sie meinen Wein gekauft haben.

Wer hat die erste Flasche gekauft?

Meine erste Kohle habe ich mir durch das Abfüllen für andere verdient. Ich habe den Heurigen um zwei in der Früh zugesperrt, danach habe ich mich auf den Traktor gesetzt und bin ins Marchfeld füllen gefahren.

Und wann haben Sie gemerkt, dass das Ganze funktioniert?

1997 habe ich mein erstes Weingut gekauft, mit Traktor und Gärten.

Mit Ihrem Ersparten, oder haben Sie noch mehr Schulden aufgenommen?

Was für ein Erspartes? Mit 17 Prozent Zinsen kannst du dir nichts ersparen. Das ist gar nicht möglich. Ich habe damals nur die billigste Wurst gegessen. Die ersten Weingärten habe ich auf Pump gekauft. Dann habe ich angefangen, selber Wein zu produzieren. Ich musste alles zukaufen, die Traktoren und das ganze Rundherum. Da gab es einen Traubenproduzenten, er und seine Kinder wollten nicht mehr, da hat er das Gut mir verkauft. Und ich habe wieder eine Bank gefunden, die an mich geglaubt hat. Und so habe ich wieder neue Schulden gehabt.

Sind Sie glücklich darüber, dass Ihnen die Bank das Geld gegeben hat?

Heutzutage wäre das nicht möglich, keine Bank auf der Welt würde dir auf ein schönes Gesicht oder eine gute Idee einen Kredit geben.

Sie haben sieben Mio. Euro mithilfe von EU-Förderungen in Ihr Gut investiert. Haben Sie viele Neider?

Wenn Sie ein paar wollen, kann ich Ihnen gerne welche abgeben. Ich habe bis heute unglaubliche Neider. Wenn du gut bist, hast du immer Neider. Wenn du keine hast, machst du etwas falsch. Ich hatte eine Zeit, da war es ein Jahr lang ziemlich ruhig. Da habe ich gedacht, irgendetwas stimmt nicht.

Was haben Sie dann gemacht?

Ich habe neue Ideen entwickelt, ich bin ein kreatives Bürschchen. Aber mit einer Armee von fleißigen Bienen geht das natürlich auch leichter. Meine Mitarbeiter sind Weltklasse.

Wein ist ein traditionelles Produkt. Bei Ihnen hat man aber das Gefühl, dass es oft eher mehr um Sie geht als um den Wein. Man sieht Sie häufig auf Society-Veranstaltungen.

Manche Leute sagen, der ist nur auf Partys, der arbeitet nichts. Aber wenn ich die mal eine Woche zur Arbeit mitnehme, müssten sie sich danach vier Wochen Urlaub nehmen. Ich bin von halb fünf in der Früh bis um Mitternacht auf den Beinen. Ich bin 280 Tage im Jahr nicht zu Hause.

Wie halten Sie das durch?

Das ist einfach die Motivation. Mit mir zu tauschen, das ist kein Freispiel. Ich halte viele Vorträge. Letztens ist danach jemand zu mir gekommen und hat gesagt: Wissen Sie, eigentlich habe ich mir immer gedacht, dass Sie ein Arschloch sind. Aber jetzt nach dem Vortrag bin ich einer ihrer Jünger. So etwas passiert mir immer wieder. Es gibt viele, die sagen, so sieht kein Weinbauer aus. Viele warten nur auf einen Fehler von mir.

Wie viele Flaschen verkaufen Sie jährlich?

500.000 unter dem Namen Hillinger. Wir haben aber noch andere Projekte. Unter dem Namen Small Hill arbeiten Traubenproduzenten, die nur für uns produzieren. Und dann gibt es die Marke Flat Lake bei Hofer. Das ist ein Projekt, bei dem ich Winzergenossenschaften berate.

Bis zu welchem Grad hängt der Erfolg Ihrer Weine von Ihnen als Person ab?

Sie müssen eines verstehen: Schlechtes Produkt und gutes Marketing ist gleich schneller Tod. Nur ein gutes Produkt verdient ein gutes Marketing. Wenn du ein gutes Produkt hast und kein Marketing, dann weiß es aber auch keiner.

Und die Society-Auftritte gehören zu Ihrem Marketing dazu?

Nicht nur, aber es gehört halt auch dazu. Man muss einfach auch in der Öffentlichkeit präsent sein.

Gehen Sie denn zu jeder Veranstaltung?

Man muss konsequent auswählen. Am Anfang habe ich alles gemacht. Jetzt gibt es ein paar Sachen, die wichtig sind. Man muss aufpassen, dass man nicht inflationär wird.

Sie haben gesagt, Sie sind seit drei Jahren schuldenfrei. Was machen Sie mit dem Geld, das übrig bleibt?

Investieren. Hauptsächlich in die Qualität. Der Umstieg auf das Biologische hat mich eine Million Euro gekostet.

Geben Sie selbst auch etwas aus oder geht alles in den Betrieb?

Ich habe Beteiligungen an Immobilien und in der Gastronomie. Aber ich bin sehr sparsam. Ich habe bis vor zwei Jahren noch mit meinen Eltern zusammengewohnt, samt meiner Familie. Jetzt habe ich mir einmal ein Haus gekauft. Als Unternehmer ist es wichtig, zuerst auf die Firma zu schauen und dann erst auf das Private. Wenn die Firma schuldenfrei ist, dann kannst du auf dich schauen.

Also Urlaub mit der Familie gönnen Sie sich nicht?

Natürlich, ich versuche alle Ferien mit meiner Familie zu verbringen – um Kraft und Energie zu tanken.

Wollen Sie irgendwann kürzer treten?

Ja, vielleicht schon nächstes Jahr. Ich will nicht mehr wachsen. Jetzt habe ich alles so fesch beieinander. Mein Sohn ist zehn, meine Tochter acht. Was ich mir gönne, ist Kitesurfen. Wenn ein Wind geht, bin ich draußen.

Ihre Work-Life-Balance stimmt?

Für mich schon, für andere nicht. Ich bin süchtig nach Perfektion. Ich mache das alles aber auch für meine Familie. Meine Mitarbeiter sind auch Familie.

Wie viel ist Ihnen eine gute Flasche Wein wert?

Diesen Preis gibt es nicht. Es geht darum, dass das Verhältnis Preis-Qualität passen muss.

Was war das meiste, das Sie je für eine Flasche ausgegeben haben?

Tausend Euro. Die liegt noch im Keller.

Auf einen Blick

Leo Hillinger (geb. 1967) stammt aus einer burgenländischen Weinhändlerfamilie. Mit 19 Jahren zog es ihn nach Kalifornien, wo er sich im Rahmen eines Stipendiums mit der Weinherstellung befasste. 1990 übernahm Hillinger den Weinhandel seines Vaters und baute das Unternehmen zu einem Weingut um und aus. 2004 errichtete Hillinger um mehrere Millionen Euro eine neue Produktionsstätte in Jois (Burgenland).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2012)

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