Wurm: "Als Künstler kann man nicht in Pension gehen"

Kuenstler kann nicht Pension
Kuenstler kann nicht Pension(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der österreichische Künstler Erwin Wurm konnte bereits in jungen Jahren von seiner Arbeit leben. Seine Werke sind aber im Vergleich zu denen ausländischer Kollegen billig, sagt er.

Die Presse: Können Sie sich an das teuerste Werk erinnern, das von Ihnen verkauft wurde?

Erwin Wurm: Ja, das waren die großen Häuser und die großen Autos, „The Fat House“ und „The Fat Car“.

Wie viel haben die eingebracht?

Ich sage ungern Beträge. Aber es war mehr als ein Einfamilienhaus.

Wer hat das gekauft?

Das Haus haben wir dreimal verkauft. Eines ging nach Japan, eines nach Amerika. Das dritte hat mein Galerist gekauft und wieder zurückgegeben. Er wollte es bei sich aufstellen, das war aufgrund bestimmter Auflagen aber nicht möglich. Jetzt steht es hier bei mir und wartet auf einen Käufer.

Waren Sie ob der Summe überrascht?

Nein, weil geplant war, dass es so und so viel kostet. Es steckt ja viel Arbeit darin.

Also wissen Sie so etwas schon zu Beginn?

Nein, wenn ein Werk fertig ist, wird zusammen mit dem Galeristen entschieden, was es kostet. Wenn es jemand kauft: gut. Wenn nicht: nicht gut. Mein Galerist Thaddaeus Ropac gibt maximal 20 Prozent Rabatt. Meine alten Galeristen habe ich im Übrigen ausgetauscht.

Warum?

Ropac ist einer der Besten. Es gibt verschiedene Galerie-Levels, und ich wollte einfach an die Spitze. Das ist wichtig, weil die Topgaleristen ein ganz anderes Netzwerk haben und anders vermitteln.

War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie einen guten Galeristen brauchen?

Klar, das war mein Ziel. Ich wollte nicht von Subventionen leben und auch keinen Job nebenbei haben. Ich wollte nur Kunst machen und meine ganze Kraft hineinstecken.

Ab wann konnten Sie von der Kunst leben?

Mit 29 Jahren konnte ich schon von der Kunst leben. Natürlich auf einem anderen Level. Aber ich konnte meine Brötchen und meine Miete zahlen.

Wer hat Ihre Sachen damals gekauft?

Das waren primär Wiener. Ich hatte schon ganz früh einen Sammler, der mich gefördert hat. Das war der Erste, der eine große Serie von Zeichnungen und Skulpturen von mir gekauft hat. So hat sich das dann ausgeweitet. Ich hatte recht schnell Erfolg, aber als ich mich künstlerisch verändert habe, gab es einen tiefen Fall. Alle dachten: Jetzt spinnt er. Nur meine ehemalige Galeristin, die Frau Krinzinger, hat an mich geglaubt. Sie hat mir zwei Jahre lang monatlich Geld gegeben.

Haben Sie je Subventionen erhalten?

Die Stadt Wien hat mir, glaube ich, zwei- oder dreimal etwas abgekauft. Da gab es so eine Politik, wo die Stadt Wien jedem Künstler etwas um 15.000 oder 30.000 Schilling abgekauft hat. Damals war das ganz okay, heute ist das ja nichts mehr. Und dann habe ich einmal ein Auslandsstipendium für ein halbes Jahr in New York bekommen. Das war's dann aber auch schon.

Hatten Sie während des Studiums keine Existenzängste?

Zuerst hat mir mein Vater noch etwas gezahlt, aber beim zweiten Studium habe ich schnell zu jobben angefangen. Ich habe Bildhauerei studiert und Stuckatur gelernt. Dann habe ich mit einem Freund eine Firma aufgemacht. Als dann ein paar Kunstaufträge reinkamen, habe ich sofort damit aufgehört.

Sie haben einmal gesagt, Sie hätten sich zehn Jahre gegeben, um es zum Erfolg zu bringen. War das Geld der Grund dafür?

Weniger. Wenn man als Künstler keinen Erfolg hat, hat man in gewisser Weise auch keine Achtung. Die künstlerische Arbeit ist so nahe an einem selbst, dass man sich ohne Erfolg als Person abgelehnt fühlt. Als schlechter Künstler bist du nichts.

Wenn Sie etwas Neues machen, spüren Sie den Druck, das auch zu verkaufen?

Nein, da kann man nicht gut arbeiten, weil sich etwas im Hirn querlegt. Ich habe schon Sachen gemacht, bei denen ich dachte, das kauft sicher niemand. Und dann habe ich mich getäuscht. Genau so habe ich Arbeiten gemacht, bei denen ich davon überzeugt war, dass sie viele kaufen – und habe mich getäuscht. Man kann das nicht voraussagen.

Verfolgen Sie, welche Preise Ihre Werke erzielen?

Ja. Meine Auktionsergebnisse sind teils sehr unbefriedigend, teils sehr okay. Das ist leider bei allen österreichischen Künstlern so.

Finden Sie, Ihre Werke wären mehr wert?

Im Vergleich zu meinen ausländischen Kollegen bin ich sehr billig. Meine großen Arbeiten kosten bis zu 400.000 Euro, bei einem Engländer kosten sie drei oder vier Millionen Euro.

Wie viel von dem Geld aus einem Verkauf kommt bei Ihnen an?

Der Galerist bekommt 50 Prozent, das ist international so üblich. Dann kommt natürlich noch die Steuer. Also: Wenn ich das „Fat House“ um 400.000 Euro verkaufe, bekommt der Galerist 200.000 Euro. Und vom Rest muss ich 50 Prozent Steuer abführen.

Ist ein Erwin Wurm denn ein gutes Investment?

Ich hoffe. Ich versuche, meine Qualität zu steigern. Aber ob meine Kunst ein gutes Investment ist, kann ich nicht sagen.

Können Sie verstehen, wenn Leute statt Aktien Kunst kaufen?

Sicher. Ich kaufe auch Kunst für meine Kinder. Natürlich freut man sich, wenn man etwas kauft, das auch im Wert steigt. Aber ich kaufe Kunst nicht wegen der Wertsteigerung, sondern weil mir die Arbeiten gefallen. Es gibt Sammler, die fasziniert von der Arbeit sind, und Leute, die investieren wollen. Letztere fallen meist auf die Nase.

Legen Sie Ihr ganzes Geld in Kunst an oder haben Sie auch eine Lebensversicherung oder so etwas?

Ich glaube nicht an Versicherungen. Meine Lebensversicherung ist die Arbeit. Wenn ich abtrete, gibt es genug Arbeiten, von denen meine Kinder und meine Frau sicher noch eine Zeit lang gut leben können.

Wofür geben Sie noch Geld aus?

Ich reise sehr viel. Aber da braucht man gar nicht so viel Geld, weil ich werde meist eingeladen, auch wenn das absurd ist.

Wenn Sie heute mit der Kunst aufhören würden, hätten Sie ausgesorgt?

Diese Option kann ich nicht einmal andenken. Als Künstler kann man ja nicht in Pension gehen. Ich werde weitermachen, solange ich kann. Ob ich ausgesorgt hätte? Auf einem bestimmten Niveau vielleicht.

Hat man als kleiner Kunstliebhaber die Chance, einen guten Kauf zu machen?

Die hat man immer. Man muss junge Künstler kaufen, von denen man überzeugt ist. Ich habe vor Jahren einen italienischen Künstler– Alighiero Boetti– billig gekauft, der völlig übersehen wurde. Mittlerweile ist er gestorben und ein Weltstar. Das war aber Glück, keine Berechnung. Wenn ich etwas mit Berechnung kaufe, geht es immer in die Hose.

Sie haben das schon einmal versucht?

Ich habe einmal bei Sotheby's mitgesteigert und einen Richard Prince um 30.000 Euro gekauft. Da kosten Fotos in gleicher Größe und gleicher Auflage teilweise 800.000 Euro. Die Verkäuferin sagte zu mir: Sir, you had such a luck today. Dann bin ich draufgekommen, dass das ein Bild ist, das keiner will. Ich habe mich von dem Namen blenden lassen.

Zur Person

Erwin Wurm (geb. 1954) zählt zu den international erfolgreichsten Künstlern Österreichs und tritt vor allem durch seine Skulpturen in Erscheinung. Der große Durchbruch gelang Wurm im Jahr 1997 mit seinen „One Minute Sculptures“. Anfang der 2000er-Jahre folgte eine Professur für Bildhauerei an der Universität für angewandte Kunst in Wien, die Wurm viele Jahre lang bekleidete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2013)

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