Elisabeth Gürtler: „Ich hätte auch umsonst gearbeitet“

INTERVIEW: ELISABTH GUeRTLER
INTERVIEW: ELISABTH GUeRTLERAPA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken

Sacher-Chefin Gürtler erklärt, warum sie früher oder später die Zügel aus der Hand geben wird, nur in guten Hotels nächtigt und ein englisches Landleben auch schön gewesen wäre.

Die Presse: Bei all den Jobs, die Sie machen, müssen Sie ja viel verdienen. War Geld je ein Antrieb für Sie?

Elisabeth Gürtler: Überhaupt nicht. Ich mache das, weil ich gern arbeite. Ich hätte in der Spanischen Hofreitschule auch umsonst gearbeitet. Dann hat man mir aber mitgeteilt, dass das nicht geht. Ich sehe mich eher als Unternehmer, der eben nicht nach Stunden und nicht nach Tagen arbeitet, sondern weil es spannend ist, etwas zu bewirken. Ich brauche so viel Geld, dass ich mir mein Haus, in dem ich mit meiner Familie und meinem Hund lebe, leisten kann. Aber Luxus benötige ich absolut nicht. Mir ist das ziemlich egal, ob ich dieses Kleid habe oder nicht. Ich mache ja auch keinen klassischen Vierzehn-Tage-Urlaub. Natürlich reise ich ab und an ins Ausland, meist beruflich, oder wenn mein Mann woanders ein Engagement hat.

Und in welchen Hotels steigen Sie ab?

Da bin ich natürlich in sehr guten Hotels. Schon aus beruflichem Interesse. Ich sehe mir an, wie andere Luxushotels arbeiten, wie ihre Dienstleistungen aussehen, wie sie ausgestattet sind oder welche speziellen Möglichkeiten sie ihren Gästen anbieten.

Wissen die Hotels im Ausland denn, wer Sie sind?

Natürlich! Das Hotel Sacher ist Teil der „Leading Hotels of the World“. Wenn ich zu einem anderen „Leading Hotel“ reise, möchte ich auch bestimmte Zimmer sehen und eine Führung durch das Haus erhalten.

In Wien öffnet ein Fünfsternehotel nach dem anderen. Wie stark ist der Wettbewerb in dieser Preisklasse?

Der ist groß und wird noch größer. Im Vier-Sterne-Bereich hat das zu einem Preiskampf geführt. Aber im Fünf-Sterne-Bereich gibt es einen Snob-Faktor. Die Leute, die bereit sind, Geld auszugeben, wollen in das allerbeste Hotel. Deswegen muss man versuchen, der Allerbeste zu sein. Ich möchte auf keinen Fall über einen günstigeren Preis Marktanteile bekommen. Da verzichte ich lieber etwas auf die Auslastung. Wenn ich beim Umsatz pro verfügbarem Zimmer der Beste bin, weiß ich, dass meine Strategie stimmt.

Und stimmt sie?

Sie stimmt. Es kann sein, dass wir in manchen Monaten unter den Wiener Hotels nur Platz zwei beim Umsatz pro verfügbarem Zimmer (RevPar, Anm.) belegen, aber über das Jahr gesehen muss die Strategie stimmen. Wir haben in den vergangenen Jahren viel ins Hotel Sacher investiert. Wären wir mit dem Produkt am Markt, das wir 2005 hatten, wären wir von all den neuen Häusern zurückgedrängt worden.

Sie führen das Sacher seit über 20 Jahren. Wollen Sie nicht in Pension gehen?

Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, wie alt man ist. Ich möchte auf keinen Fall blockieren. Das Hotel gehört nicht mir, es gehört meinen Kindern. Als ich es 1990 übernommen habe, waren sie 15 und elf Jahre alt. Damals bestand die Notwendigkeit, dass ich den Betrieb führe. Aber jetzt sind meine Kinder erwachsen und können ihr Eigentum selbst managen. Ob ich mich ein Jahr früher oder später zurückziehe, macht keinen großen Unterschied. Ewig werde ich nicht den Lauf der Dinge bestimmen können.

Werden Sie nächstes Jahr noch Sacher-Chefin sein?

Ich werde sicher viel abgeben. Das geht aber nicht von einem Tag auf den anderen.

Wird es schwer, die Zügel abzugeben?

Da muss man sich innerlich darauf vorbereiten. Man muss sich eingestehen, dass ein großer Teil des Lebens vorbei ist. Der Prozess der Alterung ist ein schleichender. Sich das einzugestehen ist das Schwierigste. Wenn man ein Leben lang intensiv gearbeitet hat, muss man sich ein neues Leben organisieren. Ich werde aber nie nichts zu tun haben.

Wollen Sie eine Weltreise machen?

Um Gottes willen! Ich möchte lieber mein Hotel in Tirol zu einem ein Alpin-Chic-Hotspot machen.

In die Rolle der Hotelchefin sind Sie zufällig geraten. Wie schwer war das?

Ich komme nicht aus einer ganz anderen Branche, da mein Vater das Hotel in Tirol hatte. Aber ich war bereits sieben Jahre geschieden, als ich nach dem Tod meines Ex-Mannes plötzlich Sacher-Chefin wurde. In dieser Zeit hatte sich im Hotel natürlich einiges verändert. Mein Welthandel-Studium mit Schwerpunkt Tourismus war eine gute Basis.

Fühlten Sie sich zu Beginn überfordert?

Nein, ich bin eine ruhige Person und lasse mich nicht in Panik versetzen. Als ich verheiratet war, hat mein Mann seine Vorstellungen durchgesetzt. Dann trat ich an seine Stelle. Ich glaube, wenn man halbwegs klug ist, verändert man nicht alles sofort, sondern sieht sich alles einmal in Ruhe an. Dann fängt man mit Verbesserungen an.

Und welche Verbesserungen haben Sie dann gemacht?

Ein besseres System der Kostenerfassung, mehr Transparenz im Rechnungswesen. Man kann einen Betrieb nur führen, wenn man weiß, wo welche Kosten entstehen und ob man sie vermeiden kann.

Wie hätte Ihre ursprüngliche Lebensplanung eigentlich ausgesehen?

Jeder hat als Kind Lebensträume. Ich war Tieren immer sehr verbunden, vor allem Hunden und Pferden. Meine Idealvorstellung wäre gewesen, am Land mit vielen Pferden und Hunden zu leben. Ich hätte ein englisches Landleben geführt.

Sind Sie traurig, dass es anders gekommen ist?

Ich bin nicht traurig, aber es freut mich nach wie vor, wenn mich Tiere umgeben. Ich mag keine klinisch sauberen Lebensbedingungen, wo jedes Hundehaar stört. Bei mir dürfen die Hunde überall sein.

Sie haben sich Ihre Träume ja zum Teil mit der Leitung der Spanischen Hofreitschule verwirklicht. Ist es schwer, bei so traditionellen Einrichtungen Neuerungen einzuführen?

Wenn ich von einer Sache überzeugt bin, gebe ich nicht nach. Ich bin eine schlechte Teamspielerin, mache keine Kompromisse, wenn ich glaube, dass der Kompromiss falsch ist. Ich lasse mich auch von Ziffern leiten. Da gibt es aber auch Dinge, bei denen ich spüre, die bringen nicht sofort, aber mittelfristig etwas. Wie in der Spanischen Hofreitschule, die wir in die schwarzen Zahlen geführt haben: Dort haben wir mit dem Ball, der Fête Impériale, ein neues Zielpublikum erreicht. Ich würde den Ball nicht veranstalten, wenn er nur Verluste brächte. Aber er hilft uns, die Immobilie als Event-Location bekannt zu machen.

Zur Person

Elisabeth Gürtler (Jahrgang 1950) studierte Handelswissenschaften an der Hochschule für Welthandel. Nach dem Tod ihres Ex-Mannes übernahm sie 1990 die Führung des Hotels Sacher in Wien und Salzburg. Zwischen 1999 und 2007 war sie für die Organisation des Wiener Opernballs verantwortlich. Seit Ende 2007 ist Elisabeth Gürtler Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.