Naked Lunch: "Wenn wir Geld haben, ballern wir es raus"

Oliver Welter und Herwig Zamernik
Oliver Welter und Herwig Zamernik(c) Fabry
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Oliver Welter und Herwig Zamernik von der österreichischen Rockband Naked Lunch über das Privileg, von der Musik leben zu können – und warum sie so mancher Gutverdiener beneidet.

Die Presse: Sie gehören zu den renommiertesten österreichischen Bands, sind auch im Ausland sehr bekannt. Spiegelt sich das in den Einnahmen wider?

Herwig Zamernik: Auf Umwegen, ja. Die Musikindustrie ist bekannterweise tot. Das trifft unmittelbar Menschen wie uns, die von der Musik leben. Aber ja, je bekannter man ist, desto besser kann man Geld verdienen. Heißt es.

Was heißt das?

Zamernik: Dass der Schein manchmal trügt. Von außen glauben viele: oft in den Medien ist gleich reich. Dass das nicht eins zu eins ummünzbar ist, ist klar für jeden, der sich ein bissl damit auskennt.

Oliver Welter: Aber natürlich, eine Form der Medienpräsenz generiert Publikum, und das Publikum kauft Naturalien. In Form von Platten, Eintrittskarten, T-Shirts. Wenn man so wie wir Feuilletonliebling ist, wird man dann auch noch interessant für andere Bereiche, wie etwa Theater oder Film.

Was bringt am meisten ein?

Welter: Bis vor zehn Jahren konnte eine Band mit unserem Standing mit Plattenverkäufen ein bisschen Geld machen. Da der CD-Markt darniederliegt, ist das kaum mehr möglich, außer für die Lady Gagas dieser Welt. Der Live-Sektor wird zunehmend interessant. Der ist komischerweise gar nicht rückläufig.

Zamernik: Heute lebt man über Umwege von den vielen Standbeinen, die jeder von uns für sich hat. Man ist in der privilegierten Situation, von Musik leben zu können. Aber nicht als Band.

Unter dem Strich ist es heute mehr Arbeit für das gleiche Geld?

Welter: Das kann man so nicht sagen. Wir kommen aus einer Zeit, in der es eine unfassbare Flut an Plattenfirmen gab und einen florierenden CD-Markt. Bis zum Anfang der Nullerjahre hat man für zwei oder drei Platten bei einer großen Firma unterschrieben und recht viel Geld dafür bekommen. Damit waren die Produktionskosten gedeckt und im besten Fall das Überleben der Musiker garantiert. Abgesehen von einigen Gegenbeispielen gibt es das heute nicht mehr.

Zamernik: Die großen Plattenfirmen haben früher viel Geld ausgegeben, wenn sie an etwas geglaubt haben. Sie wussten, dass sich der Markt verändert: Es ist ja 15 Jahre her, dass die notwendigen Verkäufe für eine Goldene Schallplatte halbiert wurden. Aber sie haben es verschlafen, etwas zu machen. Daher ist die Musikindustrie auch als Erstes zusammengebrochen.

In den vergangenen zehn Jahren sind Bands vermehrt auf Tour gegangen, weil sie neue Einnahmequellen benötigt haben. Es hat immer geheißen, dass die Gagen gestiegen sind.

Welter: Die Gagen steigen zwar, aber wenn wir ehrlich sind: Mit unserer neuen Platte sind wir in den Charts auf Nummer fünf eingestiegen. Das heißt in einer Woche vielleicht 800 verkaufte Platten, in einem Land mit acht Millionen Menschen. So dunkel sieht es aus. Vor 15 Jahren hätte man die gleiche Zahl über ein Independent-Label verkauft, und es wäre nicht einmal ein Achtungserfolg gewesen.

Sie waren gerade auf Tour. Haben Sie jetzt bis Jahresende ausgesorgt?

Zamernik: Ich habe mein ganzes Leben noch nie etwas anderes gemacht als Musik. Das weiß ich sehr zu schätzen und jammere deswegen auch nicht herum. Trotz der Bekanntheit kämpft man sich aber dazwischen durch wie jeder andere Unternehmer, als der ich mich aber eigentlich nicht sehe.

Haben Sie Existenzängste?

Welter: Von so etwas ist man ja nie befreit. Uns plagt das vielleicht etwas weniger, weil wir uns an die Jahre der Dürre gewöhnt haben. Worum uns wahrscheinlich einige beneiden, ist die selbstständige Zeiteinteilung. Das ist ein hohes Gut. Ich bin jetzt ganz fatal. Wenn Griechenland Österreich erreichen sollte, sind wir gewappnet, weil wir kennen uns damit aus.

Was können wir uns darunter vorstellen?

Welter: Wir wissen, wie es ist, mit wenig Geld auszukommen und ohne jede Absicherung zu sein.

Oliver Welter und Herwig Zamernik
Oliver Welter und Herwig Zamernik(c) Fabry

Und wie sorgen Sie für das Alter vor?

Welter: Also ich habe seit zehn Jahren eine private Pensionsversicherung. Als das erste Kind auf die Welt kam, hat sich bei mir ein Schalter umgelegt.

Zamernik: Echt, du hast eine private Vorsorge?

Welter: Mich beruhigt das. Ich habe aber auch nicht vor, mich mit 60 zurückzuziehen und nichts mehr zu tun.

Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Zamernik: In Wahrheit sagen immer die Menschen, dass Geld nicht wichtig ist, die total viel haben. Es ist wichtig, aber nicht in der Form, dass wir uns darum kümmern. Wir ballern es ja gedankenlos raus, wenn wir es haben. Aber bei uns dreht sich die Sache nicht ums Geld.

Welter: Und die paar CEOs, die wir kennengelernt haben, beneiden uns.

Zamernik: Aber auch nur theoretisch.

Welter: Wir besitzen etwas, was man mit Geld nicht kaufen kann: die Möglichkeit, uns künstlerisch darzustellen. Der kann mich mit seinem Landrover und seiner Seevilla vielleicht kurzfristig beeindrucken, aber nicht langfristig.

Zamernik: Aber das sind doch genau die Leute, die sagen, Geld ist nicht so wichtig, das, was du hast, ist wichtig. Und dann fahren sie mit ihrem fetten Auto heim. Während du schaust, wie es sich ausgeht.

Aber es gibt ja auch Künstler, die künstlerische Freiheit haben und trotzdem reich sind...

Welter: Das ist auch vollkommen in Ordnung.

Beneiden Sie solche Menschen?

Welter: Fallweise.

Sie haben ja vor Jahren bei einem großen Label unterschrieben, aber damals offenbar die Chance nicht genutzt, sich große Häuser zu kaufen. Warum?

Zamernik: Wir haben uns damals einfach nicht darum gekümmert und alles verpulvert.

Wofür?

Zamernik: Dafür, dass wir New York aufgemischt haben.

Zur Person

Naked Lunch gründeten sich 1991 in Klagenfurt und wurden bald als Kandidaten für den internationalen Durchbruch gehandelt. Trotz eines Vertrags bei einem Major Label blieb der ganz große Erfolg aber aus. Zuletzt erschien das Album „All is Fever“ (Label: Tapete/Indigo). Naked Lunch sind: Oliver Welter (Gesang, Gitarre), Herwig Zamernik (Bass, Gesang), Stefan Deisenberger (Keyboard), Alex Jezdinsky (Schlagzeug).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2013)

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