Niavarani: "Ein Burn-out ist fast wie ein neues Auto"

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Kabarettist Michael Niavarani erzählt, wie er sich früher durch Schnorren über Wasser hielt, warum er unverschämt gut verdient und dennoch kein Haus kauft und warum er Fleiß für ein Laster hält.

Die Presse: Sie spielen oft in Filmen und TV-Produktionen (etwa „Salami Aleikum“, „Dolce Vita“), in denen es um unternehmerischen Erfolg und Scheitern geht. Beschäftigt Sie das Thema?

Michael Niavarani: Ich habe mich nie bewusst damit auseinandergesetzt, ein Unternehmen zu gründen oder Geld zu verdienen. Ich habe sechs Jahre lang in einem Kellertheater gearbeitet, wo ich nichts verdient habe. Ich habe mir gedacht, wenn es denn so sein soll, dass ich mit diesem Beruf einmal Geld verdiene, dann wird das schon kommen. Wenn nicht, dann nicht. Sehr fatalistisch eigentlich.

Und wie lange hat es gedauert, bis Sie Geld verdienen konnten?

Nach fünf, sechs Jahren konnte ich von dem Beruf leben.

Wie haben Sie sich vorher über Wasser gehalten?

Durch Schnorren. Ich bin bis heute dem Viktor Gernot noch zwei Stangen Zigaretten schuldig. Ich habe auch immer wieder kleine Sprecherjobs gehabt und 1500 Schilling verdient. Davon habe ich dann drei oder vier Monate gelebt.

Sie haben ja die Schule mit 16 abgebrochen...

Mit 18, nachdem ich zweimal sitzen geblieben bin.

Waren Ihre Eltern begeistert, als Sie Schauspieler werden wollen?

Nicht wirklich, aber meine Eltern waren, was das betrifft, sehr liberal. Ich habe ihnen auch keine andere Chance gelassen. Ich habe gesagt, ich mache das sowieso, auch wenn ihr mich raushaut. Als ich vier, fünf Jahre später halbwegs Geld verdient habe und sechs, sieben Jahre später davon leben konnte, war das kein Thema mehr.

Inzwischen sind Sie fast immer ausverkauft. Haben Sie Angst, dass das einmal nicht mehr so sein wird?

Wenn es mir gelingt, die Menschen zum Lachen zu bringen, ist es wahrscheinlich, dass das nächste Programm wieder ausverkauft ist. Wenn nicht, wird es im Programm darauf viel schwieriger, die Leute zu überzeugen, dass das wieder so ist. Das erhöht auch den Druck. Früher waren die Leute überrascht: Schau, der ist lustig. Jetzt gehen sie davon aus: Der ist lustig.

Fürchten Sie manchmal, dass Sie nur einen Zeitgeschmack treffen und Sie irgendwann keiner mehr lustig findet?

Ob sich in hundert Jahren jemand meine DVDs anschaut und sagt, Wahnsinn, ist der komisch? Daran denke ich nicht. Und wenn ich einmal etwas mache, was nur zehn Leute interessiert, dann mache ich es eben für diese zehn Leute. Dann muss ich mich halt fragen, wie ich damit Geld verdienen kann.

Haben Sie nicht finanziell ausgesorgt?

Ich verdiene unverschämt gut dafür, dass ich nur drei Stunden am Tag arbeite. Aber ausgesorgt in dem Sinn habe ich nicht. Wenn das heißt, dass ich nicht mehr arbeiten muss– das will ich auch gar nicht. Und so, wie ich das Geld rausschmeiße, muss ich lange arbeiten.

Wie schmeißen Sie das Geld raus?

Ich kaufe mir unwahrscheinlich viele DVDs und wahnsinnig viele Bücher, reise, bleibe vier, fünf Wochen in irgendwelchen Städten. Ich bin keiner, der das Geld hortet, habe nichts in Aktien angelegt. Ich habe einmal in einem Interview gesagt, ich habe das Geld angelegt in Prostituierte, Alkohol und Drogen, denn Aktien sind mir zu ordinär.

Sparbuch und Immobilien auch?

Ich besitze nichts. Mir erklären immer irgendwelche Leute: Nimm doch eine große Wohnung, da gibt es Finanzierungsmodelle. Ich schlafe dabei regelmäßig ein. Ich miete lieber drei Monate ein Haus in Griechenland.

Kaufen wollen Sie keines?

Ich bin so größenwahnsinnig, dass ich mir denke, wenn ich mir schon ein Haus kaufe, dann muss das ganz super sein mit eigenem Flughafen und so– das kann ich mir nicht leisten. Da müsste mich der Herr Mateschitz adoptieren und mir sein gesamtes Vermögen überschreiben. So miete ich lieber ein Haus, das so groß ist, dass man damit protzen kann.

Stimmt es, dass Sie der bestverdienende Kabarettist im Land sind?

Ich würde mich nicht als bestverdienenden Kabarettisten bezeichnen. Leider bezeichnet mich das Finanzamt als bestverdienenden Kabarettisten.

Sie haben viele Standbeine. Welches ist das einträglichste, und was tun Sie am liebsten?

Am einträglichsten ist sicher das Solokabarett. Aber ich unterstütze am liebsten junge Projekte, mit denen man nicht so viel Geld verdienen kann. Ich bewerte die Projekte nicht danach. Es gab eine Zeit, als ich angefangen habe, selbst zu produzieren und Geld vorzuschießen. Da habe ich gedacht, das muss ich jetzt ernten: noch eine Vorstellung und noch eine Vorstellung. Aber die Summe, die auf dem Lohnzettel steht, steht in keiner Relation zur Endorphinausschüttung im Körper. Geld hat die Funktion, dass man Sicherheit hat, Miete und Essen zahlen kann, Sachen, die man gern haben möchte. Aber dieser Wahn im liberalen Kapitalismus, dass die Freiheit des Menschen bedeutet, viel zu verdienen, führt zu diesen vielen Burn-outs. Dazu wollen wir heuer oder spätestens nächstes Jahr ein Theaterstück produzieren.

Warum interessiert Sie das Thema?

Weil jeder Zweite ein Burn-out hat und weil es Burn-out nicht gibt. Es ist eine Beschreibung von zehn verschiedenen Symptomen. Es ist ein Statussymbol geworden. Kein Mensch traut sich zu sagen, ich bin traurig, depressiv, ich kann nicht mehr– dann ist er ein Verlierer. Wenn er sagt, er hat ein Burn-out, das ist fast so wie ein neues Auto.

Haben Sie auch schon einmal etwas gehabt, was man als Burn-out bezeichnen kann?

Ich habe jeden Tag 14 Burn-outs. Ich bin schon überfordert, wenn ich in der Früh aufstehen muss. Ich hatte wochenlang jeden Tag Probe, da dachte ich: Um Gottes Willen, wie arm sind die Leute, die jeden Tag arbeiten gehen müssen. Wenn ich nur Vorstellung habe, denke ich: Um Gottes willen, ich kann am Abend nicht essen gehen. Nein, eigentlich kann ich kein Burn-out haben, weil ich mir etwas herausnehme, für das mich viele Arbeitgeber erschlagen würden: Es ist okay, zu spät zu kommen. Fleiß und Disziplin sind keine Tugenden mehr, sondern Laster geworden, die den Menschen kaputt machen. Heutzutage geht man krank in die Arbeit. Früher ist man gesund zu Hause geblieben. Es ist für die menschliche Psyche besser, gesund zu Hause zu bleiben. Kranke, die arbeiten gehen, richten mehr Schaden an als Gesunde, die blaumachen.

Als junger Mensch, der auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen muss, tut man sich schwerer, so zu denken ...

Ich war immer schon so. Ich war jung und unbekannt und bin zu einer Besprechung im ORF eine Dreiviertelstunde zu spät gekommen. Ich habe einfach gedacht, dann sollen sie mich raushauen, ich kann jetzt nicht. Sie haben mich auch rausgehaut.

Heute verzeiht man Ihnen so etwas?

Nein, es wird sogar weniger verziehen, denn jetzt denkt sich jeder: Der glaubt, er ist ein Star. Wenn man der Chef ist, wird es einem als Großkotzigkeit ausgelegt.

Zur Person

Michael Niavarani (*1968) ist einer der bekanntesten österreichischen Kabarettisten und künstlerischer Leiter, Autor und Darsteller im Kabarett Simpl. Seit 2011 ist der Sohn eines Persers und einer Wienerin Intendant der Festspiele Berndorf, wo er derzeit in der Komödie „Reset“ auftritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2013)

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