Hans Schmid: "Sie nannten mich den weißen Riesen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hans Schmid war einst Werber. Heute ist er nicht nur der größte Winzer Wiens, sondern auch Besitzer einer Eishockeymannschaft. Mit der "Presse" sprach der Unternehmer über Bescheidenheit und Existenzängste.

Die Presse: Sie wollten eigentlich Wirtschaftsjournalist werden. Gekommen ist es ganz anders. Sind Sie froh darüber?

Hans Schmid: Ich wollte Wirtschaftsjournalist werden und war mich sogar bei der „Presse“ vorstellen. Damals hat man mir gesagt, dass man im Augenblick niemanden benötige. Ich bekam aber den Rat, trotzdem Zeitungsluft zu schnuppern. Die „Kronen Zeitung“ hat dann einen Mitarbeiter in der Anzeigenabteilung gesucht, dort habe ich angefangen. Ich durfte nur Wortanzeigen verkaufen. Später habe ich als Anzeigenvertreter Texte für die Leute geschrieben. Ich hatte einen Freund, Walter Posch, der hat Werbung studiert. Zusammen haben wir dann eine kleine Werbeagentur eröffnet.

Hatten Sie keine Angst, sich selbstständig zu machen? Österreich ist ja nicht gerade unternehmerfreundlich.

Mein Ziehvater war Eisenbahner, meine Mutter hatte eine Jausenstation. Wir haben von Kind auf nur arbeiten müssen, ich kannte nichts anderes. Ich wollte nie Wirt werden, weil ich die Arbeit gehasst habe. Als Schüler durfte ich erst ab 22 Uhr mit den Leuten schwimmen gehen. Im Sommer, als alle braun waren, war ich käseweiß. Sie haben mich den weißen Riesen genannt.

Was hat Sie an der Tätigkeit so abgestoßen?

Wenn Sie als Kind keine Freizeit haben, mittags an der Badekassa sitzen und Tschick arretieren – da entwickelt man einen Widerwillen. In Villach war es vorbestimmt, wer was wird. Der Sohn von einem Arzt wird Arzt. Wer Hackler ist, soll Hackler bleiben; so war es auch bei uns. Darum gibt es ja immer Leute, die gegen die neue Schulreform sind. Bei uns gab es da Tragödien, auch Selbstmorde. Ich durfte nach Wien gehen und studieren. Ich habe im ersten Stock beim Westbahnhof gewohnt, an der meistbefahrenen Straße Österreichs. Unser Gasthaus war damals hingegen ein Idyll. Mit der Umstellung ging's mir nicht gut. Ich bin oft nach Hause gefahren, weil ich aus Wien rauswollte.

Ganz zurück nach Kärnten wollten Sie nie?

Zurück wollte ich nie. Das wäre ein Versagen gewesen. Ich habe in Wien am Anfang schon gelitten. Aber ich dachte mir: Ich habe das angefangen und ziehe es auch durch. Außerdem habe ich nebenbei als Kellner oder auch mit Kartenspielen Geld verdient. Es war nicht so, dass ich gehungert hätte.

Als Sie Ihre erste Werbeagentur hatten, haben Sie quasi im Hinterzimmer Ihres Arbeitszimmers gewohnt. Muss man als Unternehmer bescheiden sein?

Man muss gar nichts sein. Ich hatte das Motto, bescheiden zu sein. Ich habe im Lauf der Jahre viele Werbeleute scheitern gesehen. Sie hatten alle schöne Büros, zu viel Aufwand, zu viel Spesen. Ich dachte mir, ich mache etwas falsch. Mein Vater hat mir später, als wir ein neues Büro bezogen haben, in dem ich wohnte, ein Bett gebaut. Das war das wertvollste Stück, das ich hatte. Die Kleiderstange bekam ich von einem Freund, der für Kleider Bauer arbeitete, meine Hemden hatte ich in Schuhschachteln. Ich habe mir nur ein Fixum rausgenommen.

Wie sind Sie bei der Schweizer Werbeagentur GGK gelandet?

Ich habe damals im „Spiegel“ eine Geschichte über die Firma gelesen, die von einem Künstler, einem Werbeleiter und einem Architekten gegründet wurde. Ich habe angerufen und gesagt, dass ich unzufrieden bin, weil wir nicht zu Präsentationen eingeladen werden. Wir haben uns dann getroffen und uns zusammengeschlossen. Wir haben die Mehrheit unserer Anteile an die GGK verkauft, uns aber die Stimmrechte gesichert. Später ist es der Gruppe finanziell nicht gut gegangen, und wir haben sie gekauft. Es war die Chance, die siebtgrößte Werbegruppe der Welt zu werden. Letzten Endes habe ich mich dann von der GGK getrennt. Bis zum endgültigen Verkauf der Agentur hatte ich aber Existenzängste. Ich hatte Angst, es nicht zu schaffen. Ich habe immer fürs Geschäft gelebt. Das war vielleicht ein Fehler. Meine Kollegen haben damals schon Villen gehabt und toll gelebt. Ich habe immer Angst gehabt, etwas zu verlieren. Deswegen habe ich stets Geld auf die Seite gelegt. Davon hätte ich eine Zeit lang leben können.

Aber ging es Ihnen geschäftlich denn jemals schlecht?

Nach dem Kauf der „Arbeiter-Zeitung“ hatte ich große Sorgen. Zu der Zeit war ich einmal mit meiner Frau beim Braun am Graben, um einen Pullover zu kaufen. Als ich den Preis gesehen habe, 450 Schilling, habe ich gesagt, ich überlege es mir. Dann hat meine Frau gesagt: „Du bist verrückt. Du erzählst mir, dass du am Tag über 100.000 Schilling mit der ,Arbeiter-Zeitung‘ verlierst, und dann kaufst du dir keinen Pullover.“ Später wurde die Zeitung dann eingestellt.

Heute sind Sie der größte Winzer Wiens, sind im Besitz des Kaufhauses Steffl auf der Kärntner Straße, mit den Vienna Capitals gehört Ihnen eine Eishockeymannschaft. Alles Dinge, die eigentlich nicht zusammenpassen.

Ja, es reizt mich immer, neue Dinge zu machen. Das kommt aus der Werbung. Da hatte ich alle zwei Stunden andere Kunden, andere Termine. Diese Abwechslung habe ich unbewusst mitgenommen. Aber meist bin ich in die Sachen hineingeschlittert. Wie beim Wein. Ich war hie und da beim Weingut im „Roten Haus am Nussberg“. Ich habe damals gesagt: „Wenn ihr das hier je verkaufen solltet, dann kaufe ich es.“ Fünf Jahre später haben sie mich angerufen, und ich habe es gekauft. Damals waren 1,7 Hektar Weingärten dabei. Mittlerweile habe ich über 70 Hektar und bin die Nummer eins in Wien.

Würden Sie sich als reich bezeichnen?

Ich würde mich nie als reich bezeichnen. Ich habe reiche Leute kennengelernt. Aber das ist eine ganz andere Ebene, weit weg von dem, was ich bin. Ich könnte im Vermögen wahrscheinlich doppelt so weit sein, wenn ich nicht immer diese Investitionen getätigt hätte, die oft gut ausgegangen sind.

Wie oft haben Sie Ihre Investitionen durchgerechnet?

Bei den kleineren Dingen habe ich nicht gerechnet. Ich wusste, wenn es schiefgeht, kann ich das bezahlen. Mein Credo war immer: Kein Konkurs. Ein Konkurs kann passieren, viele Leute können oft nichts dafür. Aber auf dem Land geht man nicht in Konkurs. Bei anderen Dingen wie dem Steffl, da haben wir gerechnet. Da sind ja auch andere Dimensionen.

Machen Sie mit Ihrem ganzen Geld auch etwas für sich?

Ich habe ein sehr schönes Haus, das ich heute genau so bauen würde. Nur die Steckdosen und die Anschlüsse für den Fernseher würde ich anders machen. Ich lebe auf einem guten Niveau. Ich kann essen, was ich will, trinken, was ich will. Ich habe drei Oldtimer, die ich allerdings günstig gekauft habe. Meine Vision für die Zukunft war immer ein kleiner Jaguar und 5000Schilling netto. Heute fahre ich einen elf Jahre alten Jaguar. Einen Porsche wollte ich nie.

Und sonst?

Ich habe mir alle paar Jahre ein paar Schuhe und einen Anzug machen lassen. Heute ist die Hälfte meiner Garderobe von der Stange. Meine Tochter sagt oft: „Papa, kauf dir doch bitte etwas Neues.“ Aber ich sage dann, dass ich nichts brauche und alles habe. Seit einiger Zeit leiste ich mir mehr Urlaub. Ich war zum Beispiel noch nie an der Westküste Amerikas, obwohl meine Leute damals dort Werbeaufnahmen gemacht haben. In Afrika bin ich nur bis nach Tunesien gekommen. Wenn ich heute reise, leiste ich mir einen First-Class-Flug und Limousinenservice. Ich war einmal in New York mit Freunden, die wohlhabend sind. Wir sind Economy geflogen. Ich saß vor der Toilette und konnte meinen Sitz nicht ausfahren. [ Fabry]

ZUR PERSON

Hans Schmid (*1940) begann als Anzeigenverkäufer bei der „Kronen Zeitung“ und machte sich dann mit einer Werbeagentur selbstständig. Später schloss er sich mit der Schweizer Werbeagentur GGK zusammen und gründete 1972 die GGK Wien. Er kaufte Jahre danach die Mutter und trennte sich 2000 von seinen Anteilen. Mittlerweile ist Schmid Wiens größter Winzer, Eigentümer des Kaufhauses Steffl und der Eishockeymannschaft Vienna Capitals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2014)

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