Ursula Strauss: "Existenzängste sind ständiger Begleiter"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schauspielerin Ursula Strauss erzählt der "Presse", warum sie gern einmal in einem anderen Land arbeiten würde, warum man in Österreich nur selten privat ist und Zahlen etwas Schreckliches für sie sind.

Die Presse: Sie sind eigentlich gelernte Kindergärtnerin. Das wäre ein sicherer Job gewesen. Wieso haben Sie sich für die Schauspielerei entschieden?

Ursula Strauss: Das ist lustig. Meine Waldviertler Oma hat das auch immer gesagt: „Schauspielerin will sie werden, dabei hätte sie Kindergärtnerin werden können, das wäre so sicher.“ Aber ich habe früher und regelmäßiger zu arbeiten begonnen als alle meine Mitschülerinnen, weil es damals für Kindergärtnerinnen wenig freie fixe Stellen gab.

Wann sind Sie auf die Idee mit der Schauspielerei gekommen?

Auf die Idee gekommen bin ich mit vier. Doch als ich mit 14 die Entscheidung getroffen habe, vom Gymnasium in eine berufsbildende Schule zu wechseln – da habe ich diesen Wunsch verdrängt und mich für die Kindergartenpädagogik entschieden. Mit 17 habe ich gemerkt, es gibt zu viele Dinge, die mich an der Ausbildung stören, und war unsicher, ob das der richtige Beruf für mich ist. Und dann hat es sich einmal im Gespräch mit einem Freund ergeben, dass sich der Berufswunsch Schauspielerin plötzlich aus mir heraussprach. Das war kein Gedanke, den ich mir vorher überlegt habe. Als er aber ausgesprochen war, gab es kein Zurück mehr.

Haben Sie gewusst, wie man Schauspielerin wird?

Gar nicht, ich hatte mit dieser Welt ja keine Berührungspunkte. Ich hatte das große Glück, dass mich mein Bruder, der Musiker ist, motiviert hat, zu Aufnahmeprüfungen zu gehen. Parallel zur Matura habe ich dann in Melk die Lady Macbeth gespielt. Im Herbst darauf habe ich die erste Aufnahmeprüfung im Volkstheater geschafft.

Sie konnten gleich davon leben?

Ja, mal besser, mal schlechter. Lange Zeit nicht zu wissen, wie es weitergeht, das hatte ich zum Glück nie. Es gab natürlich immer Pausen, allerdings waren sie nie länger als zwei, drei Monate. Aber Existenzängste sind dein ständiger Begleiter.

Jetzt haben Sie wohl keine solche Sorgen mehr, oder?

Doch, das geht nie weg. Man lernt, damit umzugehen. Aber sie existieren eigentlich immer wieder. Man muss ständig damit rechnen, dass es von einem Tag auf den anderen vorbei ist und man keine Angebote mehr bekommt. Man hört nie auf, auf den nächsten Job zu warten. Die Arbeit beim Film ist ja eine zeitlich begrenzte und dauert in den meisten Fällen nur fünf bis sieben Wochen. Und so ein Jahr ist ganz schön lang.

Können Sie es sich leisten, Angebote abzulehnen?

Ja, das muss man sich manchmal leisten, denn das hat mit dem Respekt zu tun, den man seiner Arbeit entgegenbringt: wenn nicht die Zeit da ist, um konzentriert zu arbeiten, Geschichten inhaltsleer erzählt werden oder Projekte einfach nicht spannend sind. Man gibt in dem Beruf sehr viel von sich her. Wenn keine Fantasie zu einer Figur entsteht, wird es schwierig, eine Geschichte zu erzählen.

Haben Sie Lust, einmal in einem anderen Land zu arbeiten?

Ich habe voll Lust darauf, aber weniger, weil ich hier nicht zufrieden bin – ich lebe gern in Österreich und arbeite sehr gern hier, weil es viele gute Leute gibt. Ich würde aber gern einmal auf Englisch arbeiten.

Haben Sie schon Angebote?

Nein, ich muss mir einmal die Zeit nehmen, nach England zu fahren, besser Englisch zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Man kann nicht in Wien in der Wohnung sitzen und sich fragen, warum keiner anruft. Man muss schon etwas tun, es ist ein aktiver Beruf, und er fordert gewisse Dinge von einem. Das ist auch gut so.

Und Hollywood reizt Sie nicht?

Ich glaube, Amerika ist mir zu anstrengend. Es gibt dort tolle Schauspieler und Schauspielerinnen. Aber es gibt auch diesen oberflächlichen Druck, nur gut sein zu können, wenn man auch schön ist. Es gibt Männer mit Ecken und Kanten, aber als Frau wird man in Hollywood sehr oft darauf reduziert, dass man faltenfrei bleibt und auf keinen Fall ein paar Kilo zu viel hat. Dieser Schönheitswahn hat mit dem Leben nichts zu tun. Ich würde gern ganz normal altern. Ich finde, dieses Recht steht uns allen zu. Wir sind alle endlich. Wir sterben alle einmal, geliftet oder nicht.

Aber Sie haben schon Hollywood-Luft geschnuppert. Vor fünf Jahren waren Sie mit dem Film „Revanche“ bei der Oscar-Verleihung. Wie war das?

Das war toll. Wir waren mittendrin und haben erlebt, das sind auch nur Menschen, die kochen auch nur mit Wasser, mit viel Wasser halt. Es war pompös und riesig, und die Sicherheitsmaßnahmen sind unglaublich.

Haben Sie sich je vorstellen können, dass Sie einmal zur Oscar-Verleihung fahren werden?

Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ich all diese Erfahrungen machen darf.

Stichwort Existenzsorgen: Hat man als Schauspielerin nicht einmal so viel auf der Seite, dass man gut leben kann, auch wenn man keine Engagements hat?

In Hollywood sicher, hier nicht.

Legen Sie etwas auf die Seite?

Ja. Denn ich bin schon einmal in der Situation gewesen, dass ich einmal am Tag ein Pizzaeck gegessen habe und mir gedacht habe, das ist jetzt mein Leben für die nächsten drei Jahre, denn mehr kann ich mir nicht leisten. Aber das war durch jugendlichen Leichtsinn selbstverschuldet.

Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe einfach mehr ausgegeben, als ich hatte. Damals ist es mir oft schlecht gegangen, und ich habe mir gedacht: Ich hole mir die Befriedigung durch Konsum, dann geht es mir für zwei Sekunden besser. An die Kontoauszüge habe ich damals nicht gedacht.

Und heute schauen Sie darauf?

Ja, das wünsche ich mir nie wieder. Und es kann mir auch so schnell nicht mehr passieren, dazu war der Schock zu groß.

Beschäftigt Sie das Thema Geldanlage?

Es beschäftigt mich schon, aber ich habe keine Ahnung davon. Zahlen sind für mich schrecklich. Ich würde gern etwas tun, bin aber zu ängstlich, weil ich mich zu wenig auskenne. Ich bin nicht wirklich investitionsmutig.

Und wo liegt die eiserne Reserve? Auf dem Sparbuch?

Verteilt. Man kann ohnehin wenig machen, es gibt ja keine Zinsen mehr. Ich habe oft erlebt, dass Leute in meinem Umfeld in Fonds investiert und alles verloren haben. Ich will aber nicht alles verlieren, was ich erarbeitet habe. Aber wie gesagt – ich kenne mich nicht aus, und genau deswegen bin ich nicht in der Wirtschaft.

Durch die Serie „Schnell ermittelt“ sind Sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Wie ist das, ständig erkannt zu werden?

Ungewohnt. Man merkt, dass man einer ständigen Beurteilung ausgesetzt ist. Aber die Leute, die mich nicht mögen, sagen mir das ja nicht ins Gesicht. Und von den anderen bekommt man viel Offenheit und Zuneigung. Das ist etwas sehr Schönes. Natürlich ist man selten wirklich privat. Aber sich darüber zu beschweren wäre absurd, denn ich habe mir diesen Weg ja ausgesucht. In dem Beruf braucht man einerseits die Haut eines Elefanten und die Durchlässigkeit eines – was ist besonders durchlässig?

Ein Sieb.

Die Durchlässigkeit eines Nudelsiebs. Ein schöner Vergleich. Das ist die Mischung, die es ausmacht.

ZUR PERSON

Ursula Strauss (*1974) stammt aus Pöchlarn im Bezirk Melk (Niederösterreich). Die gelernte Kindergärtnerin ist heute eine der bekanntesten österreichischen Schauspielerinnen. Strauss spielte unter anderem die Hauptrolle in der ORF-Fernsehserie „Schnell ermittelt“ und war in zahlreichen Filmen wie „Oktober November“ oder in Götz Spielmanns „Revanche“ zu sehen, der im Jahr 2009 für den Auslands-Oscar nominiert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2014)

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