Ertler-Brüder: "Die ersten Jahre haben wir gratis gearbeitet"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Vor 20 Jahren haben die Ertler-Brüder die Online-Plattform Immobilien.net gegründet. Nun haben sie das Unternehmen verkauft und sprachen mit der "Presse" über Sparsamkeit, Reichtum und durchkreuzte väterliche Pläne.

Die Presse: Vor einem Monat waren Sie Eigentümer einer der größten Immobilienplattformen Österreichs, jetzt sind Sie Privatiers. Wie fühlt sich das an?

Markus Ertler: Wir haben das Unternehmen zwanzig Jahre lang aufgebaut. Nun ist es mit einem Schlag aus unserer Verantwortung verschwunden. Das richtig zu verarbeiten, wird eine Zeitlang dauern.

Denken Sie manchmal, ich müsste noch das und das tun für Immobilien.net?

Alexander Ertler: Nein. Der Verkauf war ja lange geplant. Es wurde vereinbart, dass die Eigentümer sich zurückziehen, und wir halten uns immer an Vereinbarungen. Wir haben in der Vergangenheit 14 bis 16 Stunden am Tag gearbeitet. Jetzt bleibt viel Zeit für Liegengebliebenes. Sehen Sie sich diese Wohnung an, da fehlen die Bilder. Ich bin Mitte des letzten Jahres eingezogen und nie dazu gekommen, Bilder aufzuhängen.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Sie haben jedenfalls viel Geld bekommen. Was machen Sie damit?

Alexander Ertler: Einen Teil investiere ich in Immobilien, einen weiteren in Wohnbauanleihen. Eine Wohnbauanleihe hat den Zweck, den Wohnbau zu fördern. Mir ist es wichtig, sinnvolle, ethisch korrekte und nachhaltige Investitionen zu tätigen.

Markus Ertler: Geld muss sinnstiftend verwendet werden. Ich will Menschen unterstützen, die heute in einer ähnlichen Situation sind wie wir 1994. Als wir jung und naiv in den Markt gingen mit einer Idee, die kaum jemand toll fand außer uns. Für uns wäre es hilfreich gewesen, hätte uns jemand mit seiner Erfahrung unterstützt.

Welche Art von Unterstützung hätten Sie gebraucht?

Markus Ertler: Wir hatten schon Unterstützung von der Familie, moralisch und finanziell. Das erste Investment kam von unserem Vater.

Alexander Ertler: Das waren 20.000 Schilling in einem GmbH-Mantel. Wenn uns damals jemand gesagt hätte, ich habe etwas Ähnliches erlebt vor 30 Jahren, das hätte uns einige Fehler erspart. Markus hatte viel Ahnung von Technik und Programmierung, und ich hatte von der WU viel theoretische Ahnung über Marketing und Rechnungswesen, aber wir hatten beide keine Ahnung von Mitarbeiterführung. Wir haben uns dann mit Coaches umgeben, um uns und unsere Mitarbeiter zum Beispiel vor Mitarbeitergesprächen zu unterstützen.

Markus Ertler: Das wäre ein Tipp für junge Unternehmen, Coaches einzuführen. Oder: Macht nie eure beste Fachkraft zur Führungskraft. Eine Fachkraft kann auch mehr verdienen als eine Führungskraft.

Ihr Vater war Makler. Wollte er nicht, dass Sie sein Unternehmen übernehmen?

Alexander Ertler: Doch, unbedingt. Die Generation, die in den vierziger Jahren geboren wurde und im Wiederaufbau ihre Unternehmen geschaffen hat, stand im Stress, etwas an die nächste Generation weiterzugeben, denn es könnte ja wieder einmal so schlecht werden. Es war für unsere Eltern selbstverständlich, dass mindestens einer der Söhne in ihre Fußstapfen tritt. Plan war, dass Markus Immobilienmakler wird und ich Hausverwalter. Ich war eher schüchtern und zahlenorientiert.

Markus Ertler: Ich war mehr der Kommunikationsmensch. Ganz falsch war die Idee nicht.

Alexander Ertler: Dann hast du eine abstruse Idee gehabt.

Markus Ertler: Auf der Uni haben die Kollegen immer gesagt: „Ich hätte gerne eine billige Mietwohnung, kann da dein Papa nichts machen?“ Ich habe gesagt: „Kein Problem, gib mir deine Daten.“ Irgendwann hat Papa dann gesagt: „Deine Studienkollegen wollen alle keine Provision zahlen. Wenn es keine wirklich guten Freunde sind, wäre es mir lieber, du schickst mir diese Kontakte nicht weiter. Noch dazu, wo sie billige Wohnungen um ein paar hundert Schilling suchen, die es gar nicht gibt.“ Da war ich in der Bredouille. Also habe ich mir überlegt: Ich könnte die Immobilien aus seiner Maklersoftware in das neue Web stellen, um meinen Kollegen zu zeigen, welche Immobilien sie für ihr Studentenbudget bekommen können.

Alexander Ertler: Das Neue war, dass das Immobiliengeschäft kein Insidergeschäft mehr war. Der Markt wurde plötzlich transparent.
Markus Ertler:Als die ersten Immobilen online gingen, haben wir geschaut, ob es so etwas schon gibt. In ganz Europa gab es keine Immobilienanzeigen-Plattform. Das war spannend, hat uns aber auch verunsichert, denn vielleicht war es ja eine dumme Idee. Nachdem es noch nicht kommerziell war, war es aber in erster Linie Spaß.

Ab wann haben Sie das professionell betrieben?

Alexander Ertler: 1996. Unser erstes Büro war das Kopierkammerl der Eltern, unser erster Vertrag ein Untermietvertrag mit dem Papa.
Markus Ertler: Damals haben wir nicht verstanden, warum wir für das Kammerl Miete zahlen sollen. Jetzt sind wir ihm dankbar, dass er uns den Ernst des Lebens vor Augen geführt hat. Aber wenn es hart auf hart gegangen wäre, hätte er uns das schon erlassen.

Alexander Ertler: Er hat sein Unternehmen weitergeführt und sich gedacht, wenn das mit dem Internet nichts wird, können die Söhne doch sein Immobilienunternehmen übernehmen. 2004 hat er gesagt: „Ich bin alt und würde mein Unternehmen gerne übergeben.“ Wir haben gesagt: „Wir wollen es nicht, wir haben jetzt mehr Umsatz und Mitarbeiter als du.“ Das hat ihn schon geschmerzt. Er hat ja jahrzehntelang Opfer gebracht. Aber wir hatten auch zehn Jahre Opfer für unser Unternehmen gebracht. 2006 hat er sein Unternehmen verkauft. Heute ist er glücklich über das, was gelaufen ist.

War es schwierig, die Makler von Ihrer Idee zu begeistern?

Markus Ertler: Ja. Ich erinnere mich an den Ausspruch: „Des mit dem Internetz, des wird nix, weil des mit dem BTX (Bildschirmtext; Anm.) ist auch nichts geworden.“ Oder: „Die Professoren auf der TU sagen, das kann nichts werden mit dem Internet, so viele Daten können nie durch einen Kupferdraht gesendet werden.“

Alexander Ertler: Einer hat gesagt: „Wozu brauche ich ein E-Mail, ich habe ein Fax.“ Die technische Infrastruktur war rudimentär, die Internetdurchdringungsrate in Österreich einstellig. Wir haben Internetzugänge, Modems und Digitalkameras an die Makler zum Selbstkostenpreis verkauft.

Wann konnten Sie davon leben?

Markus Ertler: Die ersten Jahre haben wir uns nichts ausbezahlt, haben gratis gearbeitet. Das ist wichtig für junge Unternehmer, dass man das Unternehmen nicht mit eigenen Kosten belastet. Wir hatten Nebenjobs und haben unsere Ansprüche runtergeschraubt.

Alexander Ertler: Ab 1999 haben wir uns Geschäftsführerbezüge ausbezahlt von zusammen anfangs 90.000 Schilling im Jahr. Wenn es ein erfolgreiches Jahr war, dann gab es eine Dividendenausschüttung. Aber Gewinne haben wir erst in den 2000er-Jahren geschrieben.

Ab wann haben Sie überdurchschnittlich viel verdient?

Alexander Ertler: 2000 hatten wir 10.000 Schilling Monatsgehalt. Leben konnten wir ab 2002, 2003 davon. Da haben wir uns erstmals Autos gekauft. Geld darf aber kein alleiniger Motivator sein.
Markus Ertler: Geld war nie der Motivator, aber natürlich ist es ein Vergnügen, Geld zu verdienen. Wir haben wirklich etwas Sinnvolles gemacht. Als wir einmal auf einer Roadshow in Innsbruck waren, ist eine Kundin auf uns zugekommen und hat gesagt: „Herr Ertler, danke, dass es Sie gibt. Ihr habt mein Leben wirklich erleichtert.“

Mit dem Verkauf hat es sich jedenfalls gerechnet ...

Markus Ertler: Würde man den Verkaufspreis runterrechnen auf Monatsgehälter, so wären diese schon sehr schön.

[ Fabry]

ZUR PERSON

Alexander (links) und Markus Ertler (geb. 1969 und 1972) haben im Jahr 1994 Immobilien.net gegründet, die erste Immobilienplattform im deutschsprachigen Internet. Kürzlich haben sie das Portal mit mehr als 1000 aktiven Kunden (Makler, Bauträger etc.) und 700.000 Besuchern pro Monat an ImmobilienScout24 verkauft. Markus Ertler will künftig junge Unternehmen finanziell und mit Beratung unterstützen, Alexander Ertler für eine NGO tätig sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2014)

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