Andreas Kaufmann: "Ich habe kein Geld, das herumliegt"

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Seine Familie verdiente mit der Papierfabrik Frantschach Millionen, er selbst arbeitete als Lehrer an einer Waldorf-Schule. Dann riskierte Andreas Kaufmann viel und steckte sein Geld in den angeschlagenen Kamerahersteller Leica.

Die Presse: Sie sind leidenschaftlicher Amateurfotograf. War Ihr Einstieg bei Leica 2004 mehr ein Investment oder eine Leidenschaft?

Andreas Kaufmann: Am Anfang war es ein Investment, es ist dann schnell zu einer Leidenschaft geworden.

Das Investment war anfangs ja nicht allzu gut, wenn man verschiedenen Geschichten glauben kann. Sie sollen nach Durchsicht der Bücher festgestellt haben: We are in deep shit.

Das war nicht nach Durchsicht der Bücher, sondern nach der ersten Aufsichtsratssitzung. Wir dachten, dass wir bei einem Unternehmen einsteigen, bei dem der Aktionär Hermès für Güte und Qualität sorgt. Aber dann mussten wir feststellen, dass dieses Unternehmen in viel größeren Schwierigkeiten ist als aus den Büchern zu entnehmen war.

Haben Sie um Ihr Geld gezittert?

Eigentlich nicht. Das, was man hineingesteckt hat, wird am Ende Produktionskapital. Es geht ja nicht um „mein Geld“ in dem Sinn, sondern es ist etwas, mit dem man umgeht. Man will mit Geld Dinge bewegen. Das ist etwas anderes, als wenn man denkt, das ist Geld auf meinem Sparbuch.

Ist es eigentlich leichter, Millionen zu investieren, wenn man weiß, dass man nicht in seiner Existenz bedroht ist, auch wenn man dieses Geld verliert?

Nein, überhaupt nicht. Das Thema Erfolg/Misserfolg ist ja immer ein ganz schwieriges. Ob es um wenig Geld oder viel Geld geht, man wird nach dem Erfolg, den man damit hat, bewertet.

Aber man investiert doch leichter, wenn man den Verlust des Geldes finanziell verkraften kann und als Folge nicht auf der Straße steht.

Nein, überhaupt nicht. Geld ist ein Hebel, mit dem Verlust ist der Hebel weg. Mein Hebel, mein Geld, hat bei Leica geholfen, ein Unternehmen grundlegend neu aufzubauen. Die Bestandteile waren zwar vorhanden, aber es fehlten einfach die Mittel, um Innovationen umzusetzen. Geld ist damit nicht Geld im Sinne von „Ich kann es rauswerfen“, sondern Geld ist der Hebel, um Dinge in der Wirtschaft zu bewegen.

Ein sehr altruistischer Zugang.

Das ist nicht altruistisch, es ist auch nicht egoistisch. Geld ist ein Mittel zum Zweck.

Aber der Zweck einer Investition ist es doch üblicherweise, sein Geld zu vermehren.

Stimmt. Ich hab auch noch keinen anderen Weg gefunden, wie man Erfolg nachweisen kann.

Warum haben Sie bei Leica eigentlich einen Hedegfonds hereingenommen – ausgerechnet bei Leica eine Heuschrecke, wie manche kritisieren.

Ich kann mit dem Begriff Heuschrecke nichts anfangen. Es ist ganz einfach: Unternehmensfinanzierungen der Zukunft werden viel stärker Private Equity sein als heute und viel weniger Banken. Warum? Basel II, Basel III. Wenn alle Bedingungen von Basel III umgesetzt sind, wird ein Teil der Unternehmensfinanzierung durch Banken gar nicht mehr stattfinden können. Wo soll dann das Geld herkommen? Nur von Private Equity.

Warum sind Leica-Kameras eigentlich so unverschämt teuer?

Sie sind nicht unverschämt teuer, der Preis ist angemessen, Qualität hat ihren Preis. Schauen Sie sich an, wie bei uns produziert wird und was produziert wird. Wir sind der letzte Kameraproduzent in Europa; wir stellen in Kleinserien her, wir haben völlig andere Stückzahlen als große Hersteller und damit völlig andere Stückkostenzahlen. Und die Kameras und die Objektive, die wir herstellen, sind aufwendiger als die der Konkurrenz.

Sollten Sie sich als Gründungsmitglied der Grünen in Deutschland nicht ideologisch für eine leistbare Leica einsetzen?

Das kann nicht Aufgabe eines kleinen Unternehmens sein, das in Deutschland produziert, während alle anderen der Industrie in Fernost sitzen. Wir können uns das einfach nicht leisten. Fuji oder Sony können das vielleicht hinkriegen mit ihrer Riesenproduktion, das wird dann halt keine Leica-Qualität sein.

Wie viele Leica-Kameras besitzen Sie eigentlich?

Schon ein paar, wenn ich mich hier umschaue.

Muss man eigentlich als Aufsichtsratsvorsitzender und Mehrheitseigentümer für die Kameras bezahlen?

Ja, klar. Ich gehe sogar bei ganz normalen Händlern einkaufen. Manches bekomme ich zum Testen von der Firma zur Verfügung gestellt, aber wenn ich damit auf Dauer fotografieren will, dann kaufe ich es mir oft im Geschäft.

Was bedeutet Geld für Sie?

Die Freiheit, Dinge gestalten zu können.

Lebt es sich entspannter, wenn man so viel Geld auf der Seite hat, dass man sich eigentlich für den Rest des Lebens auf die berühmte Insel zurückziehen könnte?

Geld auf der Seite ist ein schöner Begriff. Das funktioniert aber nur, wenn man Dagobert Duck ist und einen großen Geldspeicher besitzt. De facto ist mein Geld überall in Firmen investiert, ich habe kein Geld, das herumliegt.

Sie kommen aus einer wohlhabenden Familie und haben trotzdem als Lehrer an einer Waldorf-Schule unterrichtet. War das ein Zeichen für Rebellion?

Nein, ein Zeichen für Sinn. Es hat Sinn, auch andere Dinge zu tun. Und als das vorbei war, habe ich wieder etwas anderes gemacht.

Aber Sie hätten ja nicht arbeiten müssen. War der Lehrerjob mehr ein Hobby?

Nein, überhaupt nicht. Arbeit hat Sinn. Ich war mit Leib und Seele Lehrer. Außerdem war ich damals kurzgehalten.

Sie kommen aus einer der wohlhabendsten Familien Österreichs und mussten damals für Ihren Lebensunterhalt arbeiten?

Ich weiß nicht, welche Vorstellung Sie von wohlhabend besitzen. Ich halte das für eine gute Übung. Man muss auch mit Geld umgehen lernen.

Wie bringen Sie das Ihren Kindern bei?

Ich hoffe, ich bringe es ihnen so bei, dass sie wissen, was Geld bedeutet.

Wie zieht man das als Vater durch? Da ist man doch zwiegespalten zwischen dem, dass man seine Kinder verwöhnen möchte, und dem, dass man sie nicht verziehen will.

Man muss darauf achten, dass die Kinder mit 18 Jahren nicht Dinge haben, die vielleicht erst mit 60 Jahren sinnvoll sind.

Zum Beispiel?

Um mit Fontane zu sprechen, das ist ein weites Feld. Das sprengt den Platz des Interviews hier.

Ich denke jetzt an Autos. Welche Autos leisten Sie sich?

Ich habe ein paar Oldtimer, die sind ganz lustig. Aber ich habe nicht allzu viel Geld dafür ausgeben. Das sind Alfa Romeo. Alfa Romeo ist mir als Marke sympathisch, und die haben auch nicht so viel gekostet.

Wofür geben Sie Geld aus, außer für Leica-Kameras?

Gute Frage (denkt lange nach). Ich sammle Fotos, von den wunderbaren österreichischen Fotografen Franz Hubmann und Stefan Kruckenhauser etwa. Das ist in Europa noch ein ziemlich leistbares Hobby, in den USA sind die Preise schon ganz andere. Dabei sind die Bilder von Kruckenhauser wirklich beeindruckend, da verblasst daneben ein Ansel Adams. [ Günther Peroutka]

ZUR PERSON

Andreas Kaufmanns Familie gehörte einst die Papierfabrik Frantschach. Nach deren Verkauf stieg Kaufmann mit seinen Brüdern 2004 beim deutschen Kamerahersteller Leica ein, später übernahm er die Anteile und besaß für einige Zeit 97,5 Prozent von Leica. Unter der Ägide des 60-Jährigen schaffte das Traditionsunternehmen den Turnaround und verdient mittlerweile wieder Geld. 2011 verkaufte Kaufmann 44 Prozent an den Finanzinvestor Blackstone.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2014)

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