Attersee:"Bevor ich die Miete zahle, kaufe ich Farbe"

(c) APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Geldsorgen habe er seit seinem 40er keine mehr, sagt Christian Ludwig Attersee - ihm sei es nur wichtig, dass sein Leben als "Kunstmaschine" finanziert ist. Den Künstlerberuf würde er trotzdem nicht weiterempfehlen.

Die Presse: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Geld beschreiben?

Christian Ludwig Attersee: Das ist ganz einfach: Mich interessiert Geld nur insoweit, als ich damit mein Leben, meinen Beruf finanzieren kann. Ich bin eine Kunstmaschine. Dieser Lebensinhalt gehört finanziert. Meine Ateliermieten müssen bezahlt werden, das Geld für Material, Kataloge, Ausstellungen muss da sein. Ich habe keine Familie, und meine Frau kann sich als Leiterin des Kunstforums gut selbst erhalten. Ich muss nur mein Leben finanzieren. Das ist meine Beziehung zu Geld.

Geld war für Sie also immer nur Mittel zum Zweck?

Mein Beruf ist ein schöpferischer, in dem ich jeden Tag mein Leben erneuern kann. Eine Jagd nach Erfahrungen und Ersterlebnissen– das ist das Wichtigste. Dafür verschwende ich die Zeit meines Lebens. Man kann auch gern angeln gehen. Aber ich tauche meine Pinsel lieber in die Welt und male sie um. Ich habe einmal ein Bild gemalt, auf dem ein Butterbrot mit Eiszapfen zu sehen war. Das wollte jeder haben. Nach dem siebten habe ich aufgehört. Da lernte ich, dass ich so etwas nie wieder machen will. Ich will nicht, dass andere Leute bestimmen, was ich male, damit man es verkaufen kann. Geld bestimmt natürlich das Leben jedes Menschen, auch meines. Aber mit 40 war diese Angst, keines oder zu wenig zu verdienen, weg: weil mein Leben finanziert war. Ist es bis heute.

Ist Wien heute ein gutes Pflaster, um Kunst zu verkaufen?

Es gibt zu viele Künstler, die der Markt nicht auffangen kann. So gesehen ist es keine leichte Zeit für die Jungen. Ich komme aus einer Generation, die zuletzt viel gesammelt hat. Von 1980 bis 1997 habe ich jedes Bild verkauft. Das war die Zeit des Kunstmarkts, wie ich ihn kenne. Dann gab es immer mehr Aufstiege und Abstürze in der Kunst. Heute ist es gleich schwer wie in den 1960er-Jahren, nur unter ganz anderen Umständen.

Ist Kunst eine gute Geldanlage?

Man kann sein Geld in Kunst investieren, aber man muss eine Generation warten können. Man kann ein Bild nicht sofort umsetzen, nachdem man es gekauft hat. Aber Kunst ist mehr als Geldanlage. Sammler wollen der Welt etwas entziehen, das ihnen gefällt, das sie für sich allein haben wollen. Das ist das Grundprinzip des Kunstkaufs. Es gibt natürlich auch Sammler, die Bilder in der Schweiz in Safes liegen haben.

Wenn jemand ein Bild von Ihnen kauft und wegsperrt, stört Sie das?

Ich habe über 8000 Bilder verkauft, ich weiß nicht, wo sie alle sind. Die Bilder werden weitergegeben, Sammlungen aufgelassen, Eltern sterben, und Kinder können damit nichts anfangen. Es kommt wieder auf den Markt. Das ist das Leben.

Ist Geld das geeignete Mittel, die Qualität eines Bilds widerzuspiegeln?

Das ist ein Blödsinn. Es gibt auch Dekorationskünstler und künstlich hochgeschobene Künstler. Für ein Bild kann man in Österreich nicht 500.000Euro verlangen, weil das niemand zahlt. In New York, wenn ein Händler gut ist, findet er jemanden. Den Leuten ist Geld wurscht, wenn sie welches haben.

Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre Preise auf dem Markt steigen?

Mir ist das völlig egal. Mir reicht es, dass ich etwas zum Leben habe.

Was machen Sie mit dem Geld, das Sie nicht brauchen, um Ihr Leben zu bestreiten?

Derzeit finanziere ich zum Beispiel ein Buch über moderne Mosaikkunst, das kostet 30.000 bis 40.000Euro. Ich lege mir immer für zwei Jahre mein gesamtes Arbeitsmaterial auf Lager, das sind auch 30.000 bis 50.000 Euro. Ein Holzrahmen kostet 1000 bis 2000Euro. Das ist kanadisches Eichenholz. Die teuersten Farben, die teuersten Leinwände. Ich habe nie gespart. Bevor ich die Miete zahle, kaufe ich lieber Farbe. Hie und da mache ich Abenteuer, fahre in die Sahara. Und ich spende sehr viel Geld.

Und Investments?

Ich verwende keine Kreditkarten, ich kann nicht einmal eine Bankomatkarte bedienen. Das interessiert mich nicht. Ich bin für Bargeld, und ich bin für Gegenstände.

Haben Sie es angestrebt, ein berühmter Künstler zu werden?

Man wünscht sich immer eine Karriere, das ist klar, da bin ich nicht der Einzige. Aber sie kommt von selbst. Ich befand mich ein paar Mal in der Möglichkeit des Weltstars. Aber ich habe das immer zurückgedrängt, auch weil ich große Probleme habe, Sprachen zu lernen, weil ich fast taub bin. Meine Karriere kam plötzlich, nach langen Kämpfen. 1980 war ich plötzlich der Erfinder der neuen Malerei in Österreich. Auf einmal waren binnen weniger Monate alle Bilder verkauft. Dann ist es dahin gegangen. Ich stand vor der Wahl: Nimmst du dir 50 Angestellte, wie die amerikanischen Künstler, oder malst du alle Bilder selbst? Das war die erste Entscheidung gegen eine Weltkarriere. Ich habe noch nie jemand anderen ein Bild von mir malen lassen. Das ist ja mein Leben.

Woher weiß man als Künstler, dass der Erfolg eines Tages kommen wird? Wie lang soll man warten, bis man den Beruf wechselt?

Das weiß man nie. Ich würde heute überhaupt niemandem mehr raten, Künstler zu werden. Wir wissen ja gar nicht, ob es in zehn Jahren noch Kunst gibt. Die alte wird es immer geben, die in der Geldwelt vorhanden ist, sie wird immer wertvoller werden. Kunst ist sehr kommerziell geworden, die Bildung des Kunstinteressierten geht rasant zurück, was schrecklich ist für die Künstler. Wir haben Chinesen, Russen, die Bilder kaufen, aber sie kaufen sie wegen des Namens. Die Menschen sind nicht mehr scheu. Sie kaufen Kunst wie Eiskästen. An solche Leute verkaufe ich nicht gern. Die Galeristen schon. Aber ich nicht. Weil ich einfach weiß, dass da meine Kunst nicht mehr richtig am Platz ist.

Und wenn ein junger Künstler lang nichts verkauft: Wann würden Sie ihm raten, sich einen anderen Beruf zu suchen?

Das passiert doch dauernd, von 1000 Künstlern überlebt einer ein Leben lang. In meiner Generation war die Regel: Bis 50 musst du es schaffen, heute würde ich sagen bis 35, 40, dann kommen schon die nächsten. Der Beruf ist sehr, sehr schwer. Am besten, man hat reiche Eltern, einen reichen Ehepartner oder einen reichen Sammler, der einen ein Leben lang fördert.

Sie konnten sich bis heute auf einem hohen Niveau halten.

Ich bin ja auch kein schlechter PR-Mann. Ich bin präsent, in vielen Bereichen. Am liebsten natürlich mit meiner Arbeit und nicht in einer Opernballloge. Obwohl mir das leider auch passiert, weil ich eine Person der Öffentlichkeit bin. So gerät man auch in den Klatschspaltenbereich. Ich habe nichts dagegen, aber es ist nicht das, was mich interessiert. Es gibt zwei Attersees: den Künstler und den Attersee in der Öffentlichkeit. Das ist ein völlig anderer Mensch, das bin nicht ich. Klar, ich bin erfolgreich genug, um so reden zu können.

Sie waren mehrfacher Staatsmeister im Segeln. Warum haben Sie aufgehört?

Ich war ein guter Segler, hatte Angebote von berühmten Yachtbesitzern aus den USA. Die Frage war: Wirst du jetzt Künstler oder einer der großen, erfolgreichen Segler der Welt? Aber ich hielt es unter Seglern nicht aus. Ich habe noch nie so wenig kunstinteressierte Menschen kennengelernt. Sie kümmern sich Tag und Nacht nur um ihre Boote. Aber ich habe unheimlich viel aus dieser Welt für die Kunst gelernt. Wasser und Wetter sind ja noch immer die Hauptinhalte meiner Malerei. Wenn ich nur über damals rede, spüre ich schon den Attersee und den Wind an mir vorbeiziehen. [ Roßboth ]

ZUR PERSON

Christian Ludwig Attersee wurde 1940 in Pressburg geboren und übersiedelte als Jugendlicher mit seiner Familie an den Attersee. Vor seiner Künstlerkarriere war er mehrfacher österreichischer Staatsmeister im Segeln. 1966 nahm er den Künstlernamen Christian Ludwig Attersee an. Anlässlich des Richard-Strauss-Jahres zeigt die Galerie Heike Curtze und Petra Seiser, bei der Attersee unter Vertrag ist, ab 26.Juli in Salzburg die Ausstellung Salome.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.