Haiden: „Ich habe nie gewusst, was ein Burn-out ist“

René Alfons Haiden
René Alfons HaidenDie Presse
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René Alfons Haiden, ehemaliger Chef der Bank Austria, über seinen einstigen Fremdwährungskredit, das schlechte Image „seiner“ Branche – und warum es dort früher seiner Meinung nach „menschlicher“ zugegangen ist.

Die Presse: Wären Sie heute noch gern der Bankgeneraldirektor?

René Alfons Haiden: Na ja, früher war es schon angenehmer. Auf der einen Seite war es innerhalb der Bank bis zur Spitze hinauf menschlicher. Und das Bankenimage war ein anderes als heute. Früher sind die Politiker hinter den Bankern gestanden.

Sind Sie traurig, dass das Image der Banker seit der Krise sehr stark gelitten hat?

Ja sicher, wenn man sein ganzes Leben in einer Branche gearbeitet hat, dann fühlt man sich mit ihr natürlich verbunden.

Sind Banker zu Unrecht in ein falsches Licht gerückt worden?

Heute geht man auf alles los, was Kapital und Bank ist. Man vergisst aber, dass es ohne Banken nicht geht. Ich sage dann immer: Schaffen wir die Banken doch ab. Dann muss man sich halt die Frage stellen, wie man überhaupt zu Geld kommt.

Wieso glauben Sie, dass es den Banken nicht gelingt, ihre Rolle zu transportieren?

Weil Eigenlob bekanntlich stinkt. Aber die Banken sollten sich nicht in eine Verteidigungsposition begeben, sondern ihre Leistungen und Bedeutung für die Wirtschaft stärker darstellen.

Was war früher „menschlicher“?

In der „Z“ haben wir gesagt, wir sind eine hemdsärmelige Bank, das ist aber nichts Negatives. Als Chef der Bank Austria war meine Tür immer offen. Die Mitarbeiter haben gewusst, dass ich zwischen viertel und halb acht morgens in der Bank bin. Sie mussten also vor acht kommen, weil danach die Termine angefangen haben.

Stichwort menschlich: Die Gehälter waren damals ja auch ganz anders.

Ich kann mich erinnern, Kontrollbank-Chef Helmut Haschek hat eine Studie gemacht, in der sich herausgestellt hat, dass die Mitarbeiter der Kontrollbank und der „Z“ die relativ niedrigsten Gehälter bekommen.

Und die Arbeitsbedingungen?

Wir hatten damals eine Sechs-Tage-Woche. Wir hatten am Samstag um neun Uhr Direktionssitzung. Um ein Uhr war das aus, und um zwei Uhr konnte man nach Hause gehen. Heute sehe ich beim Autofahren, dass die Stadt am Donnerstagabend ausrinnt, was auch okay ist, wenn jemand viermal zehn Stunden arbeitet. Dann hat man ein schönes Wochenende. Ich habe auch nie gewusst, was ein Burn-out ist. Ich wundere mich heute, wie man mit 30 ein Burn-out bekommen kann.

Wollten Sie immer schon Banker werden?

Ich habe als junger Mann Veranstaltungen im ÖGB-Haus in Neuwaldegg besucht. Da habe ich einen gewissen Franz Rauscher kennengelernt, er war Staatssekretär und Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der „Z“. Ich habe ihm gesagt, dass ich mein Studium abgeschlossen habe und auf Jobsuche bin. Dann habe ich Gesuche an die Zentralsparkasse und an die Post- und Telegraphenverwaltung geschickt. Die „Z“ war die Erste, die sich gemeldet hat. Am 16.Dezember1953 habe ich dann begonnen.

Sie hatten also gar nicht vor, in das Bankgeschäft einzusteigen?

Nein, die „Z“ war einfach am schnellsten.

Hätten Sie je gedacht, dass Sie eines Tages der Chef des Hauses sein werden?

Nein.

Welche Beziehung hatten Sie damals zu Geld?

Wenn man kein Geld hat, kann man keine Beziehung dazu haben. Ich war Werkstudent, habe Nachhilfestunden gegeben und habe jahrelang bei der Post am Franz-Josefs-Bahnhof von 18 bis 22 Uhr gearbeitet.

Haben Sie bei der „Z“ gut verdient?

Mein Anfangsgehalt war 1048 Schilling brutto, 948 netto. Mein Vater hat gesagt: „Das ist wenig, aber das hast du sicher.“ Unser Marketingchef hat einmal zu mir gesagt: „Wenn ein Kunde hereinkommt, der mehr als eine Million Schilling Kredit hat, dann stehen Sie auf.“

Als Sozialdemokrat hatten Sie keine Probleme mit dem „urkapitalistischen Bankgeschäft“?

Die Nähe zur SPÖ habe ich vom Elternhaus. Mein Vater war Werkzeugmacher. Die Mama war im Haushalt, wie es damals mehr oder weniger üblich war. Dann bin ich zu den Sozialistischen Studenten, war sogar eine Zeit lang Personalreferent bei der Österreichischen Hochschülerschaft.

Wann hatten Sie das Gefühl, zu den Gutverdienern zu gehören? War das erst als Generaldirektor?

Das war sicher schon vorher.

Haben Sie je einen Kredit aufgenommen?

Ja, einmal, für den Wohnungskauf. Den habe ich in Schweizer Franken gehabt. Da habe ich sogar weniger zurückgezahlt.

Sie haben Ihr Berufsleben in einer Bank verbracht. Wie wichtig war Ihnen Geld persönlich?

Wenn Sie jahrzehntelang für das Kreditgeschäft zuständig waren und Milliarden in Schilling vergeben und abgelehnt haben – da hat man schon einen ganz anderen Zugang zu Geld als die Frau oder der Mann von der Straße. Allerdings bin ich aus kleinen Verhältnissen gekommen. Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und weiß, dass man nur durch Arbeit zu etwas kommen kann. Ich habe aber auch nie gejammert, dass ich mehr Steuern zahlen muss.

Sind Sie für eine Millionärssteuer?

Ich würde so sagen: Klar ist, dass der Faktor Arbeit zu hoch belastet ist. Ein Eingangssteuersatz von 36,5 Prozent ist eine Schweinerei.

Und die Bankensteuer?

Wir haben eine Bankenabgabe von 640 Millionen Euro. Und die Deutschen haben im Vorjahr, ich glaube, 530Millionen Euro gezahlt. Das kann man vielleicht noch akzeptieren. Was man aber nicht akzeptieren kann, ist, dass unsere Bankenabgabe dazu dient, die Budgetlöcher zu stopfen, weil sich keiner traut, harte Maßnahmen zu setzen. Wenn man bedenkt, dass jetzt noch ein Fonds für Bankeninsolvenzen dazukommt, die Einlagensicherung und die Stresstests– wenn das alles so kommt, dann zahlen die Banken nächstes Jahr eine Milliarde Euro.

Aber die SPÖ ist ja dafür.

Das zeigt ja, dass die Politik von den Banken nichts hält. Oder dass man die Funktion der Banken nicht richtig einschätzt. Die ÖVP zieht ja auch mit. All das bedeutet jedenfalls eine unheimliche Wettbewerbsverzerrung zulasten der österreichischen Unternehmen. Und was ich auch nicht verstehe: Wieso wird die Börse nicht forciert? Es gibt offenbar noch immer Leute, die der Meinung sind, dass alles, was Kapital ist, schlecht ist.

Ihr Faible für Banken haben Sie offenbar Ihren Söhnen weitergegeben.

Der ältere Sohn ist in die Girozentrale eingetreten und arbeitet jetzt in der Bausparkasse. Der Jüngere ist in meiner Exbank – ohne mein Zutun. Er hat sich bei der Länderbank beworben.

Haben Sie Ihren Söhnen Tipps für diesen Beruf gegeben?

Ja schon. Aber letztlich muss jeder seinen eigenen Weg gehen.

Sie sind mit Ihren bald 84 Jahren heute immer noch sehr umtriebig. Arbeiten Sie überhaupt weniger als früher?

Ich bin täglich im Büro und Konsulent für die Wiener Privatbank und für zig andere Sachen. [ Fabry]

ZUR PERSON

René Alfons Haiden, Jahrgang 1930, studierte an der Uni Wien Staatswissenschaften. Er promovierte 1953 und wurde Mitarbeiter der Zentralsparkasse („Z“). 20 Jahre später wurde er dort Vorstandsmitglied, 1990 Generaldirektor.

Die Fusion der „Z“ mit der Länderbank zur Bank Austria erfolgte ein Jahr später. Haiden war von 1991 bis 1995 Generaldirektor des Instituts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2014)

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