„Diese Luxusdinge sind bedeutungslos“

 Reinhold Baudisch und Michael Doberer
Reinhold Baudisch und Michael DobererDie Presse
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Interview. Reinhold Baudisch und Michael Doberer verdienten viel Geld bei McKinsey, bevor sie das Vergleichsportal Durchblicker gründeten. Sie erzählen von ihrer Investorensuche– und warum sie keine Lebensversicherung haben.

Die Presse: Sie waren beide bei McKinsey beschäftigt. Dort kann man gut Karriere machen. Warum sind Sie weggegangen?

Reinhold Baudisch: Ein treibendes Motiv war, dass ich Dinge machen wollte, die mir taugen und die mir wichtig sind. Ich wollte etwas gestalten. Ich bin auch mit Unternehmereltern aufgewachsen.
Michael Doberer: Bei mir war es nicht primär die Entscheidung für die Selbstständigkeit, sondern die Entscheidung, von der Beratung wegzugehen. Ich wollte nicht nur für die Kunden, sondern für mich selbst Entscheidungen treffen und dafür auch verantwortlich sein.

Aber das Gehalt bei McKinsey war doch sicher sehr gut?

Doberer: Natürlich. Aber nur für Geld Dinge zu machen, die man nicht mit Herz macht, ist falsch.

Hatten Sie Geld auf der Seite, als Sie McKinsey verlassen haben?

Doberer: Ein bisschen. Welche Rolle spielt Geld? Es bringt Zeit: Ich kann aus einem Job weggehen und habe die Zeit herauszufinden, was ich in weiterer Folge will. Dafür ist eine Reserve notwendig.

Wann haben Sie angefangen, Reserven anzulegen?

Doberer: Sie ergibt sich von allein, wenn man mehr verdient, als man zum Leben braucht.

Baudisch: Als wir uns selbstständig gemacht haben, haben wir über ein Jahr lang nichts verdient und unsere privaten Reserven abgeschmolzen. Aber man darf Geld nicht überbewerten. Die Zeit bei McKinsey hat mir gezeigt, dass diese Luxusdinge bedeutungslos sind. Wenn man ein typischer McKinsey-Berater ist, wird man von einem Mercedes abgeholt, zum Flughafen gebracht, fliegt Businessclass und schläft im Fünf-Sterne-Hotel. Das findet man am Anfang irrsinnig aufregend, dann aber langweilig und austauschbar.

Aber wenn man diese Dinge einmal hatte, gehen sie einem dann nicht ab?

Baudisch: Der Lifestyle des Beraters geht mir gar nicht ab. Der Tag, als ich meine Lufthansa-Senator-Karte abgegeben habe, war für mich ein Feiertag, weil ich gewusst habe, dass ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen kann.

Mussten Sie keine Abstriche machen?

Baudisch: Viele. Bei McKinsey hätte ich jetzt ein tolles Auto und ein Haus am Stadtrand. Das habe ich nicht. Dafür kann ich machen, was ich will. Und meine Kinder sind nicht unglücklicher, weil sie in eine öffentliche Schule gehen.

Doberer: Es war eine Lernerfahrung. Damals hat Geld keine Rolle gespielt. Jetzt tut man Dinge nicht mehr, die man früher gemacht hat, aber man merkt, dass man um nichts unglücklicher ist.

Was tun Sie jetzt nicht mehr?

Doberer: Teuer essen geht man nur zu Anlässen, die es wert sind.

Baudisch: Ich kaufe weniger Kleidung, mache günstigere Urlaube.

Was haben Sie in dem Jahr getan, in dem Sie nichts verdient haben?

Baudisch: Gearbeitet. Durchblicker ist das Ergebnis eines gescheiterten Start-ups. Ich bin im Zuge von Beratungsprojekten draufgekommen, dass Österreich ein unfassbar profitabler Versicherungsmarkt mit relativ hohem Preisniveau ist. Da ist der Gedanke entstanden: Warum nicht Österreichern die Möglichkeit geben, Versicherungen günstig im Internet zu kaufen? Ein McKinsey-Kollege hat gemeint, dass er jemanden kennt, der den gleichen Gedanken hat.

Das heißt, Sie beide kannten sich gar nicht?

Doberer: Wir kannten uns schon, haben aber nie gemeinsam an einem Projekt gearbeitet.

Baudisch: Aber wir hatten die gleiche Werthaltung. Dann haben wir uns überlegt, wie man einen Versicherer aufbaut und haben schnell gesehen, dass das eine teure Angelegenheit ist. Also haben wir einen Businessplan gemacht und sind zu Investoren gegangen. Sie haben gesagt, wir sind zu unerfahren, und es geht um zu viel Geld.

Um wie viel Geld ging es?

Baudisch: 30 bis 40 Millionen Euro. Wenn zwei 30-Jährige mit einer lustigen Idee kommen, ist es schwer, Investoren zu überzeugen. Wir waren kurz davor, die Idee an den Nagel zu hängen, als wir von einer US-Versicherung erfahren haben, die wir für dieses Projekt interessieren konnten. Wir haben zunächst ein Beratungsprojekt mit ihnen gemacht. Dann kam die Finanzkrise, und die Amerikaner sind abgesprungen. Beim zweiten Mal haben wir uns einfach hingesetzt, einen Techniker an Bord geholt und mit einem Vergleichsportal losgelegt. Dann haben wir uns Johann Hansmann angelacht, unser Business Angel der zweiten Stunde.

Gab es Widerstand von Maklern oder Versicherungen?

Doberer: Vereinzelt wurde uns zugetragen, dass man wenig Freude mit uns hat. Inzwischen hat man gemerkt, dass die Welt nicht untergeht. Der Markt ist sehr groß.

Manche Versicherungen wollen nach wie vor nicht mit Ihnen zusammenarbeiten. Warum?

Baudisch: Viele sind mit unterschiedlichen Preisniveaus in unterschiedlichen Vertriebskanälen unterwegs. Geld wird verdient mit den Außendiensten, die höherpreisig sind. Die Cashcow versucht man zu schützen.

Als Sie mit dem ersten Projekt gescheitert sind, hatten Sie Zweifel?

Doberer: Wir sind positiv aus dem Abenteuer ausgestiegen. Scheitern war es keines. Wir mussten uns nur neu orientieren. Natürlich gibt es Rückschläge, aber das führt nicht dazu, dass man alles infrage stellt.
Baudisch: Ich bin mit einer gewissen Unbekümmertheit an den Start gegangen. Es war mehr ein Spiel.

Was hat die Familie gesagt?

Baudisch: Meine Frau unterstützt das. Sonst könnte ich nicht so entspannt ein Unternehmen aufbauen.

Doberer: Was auch wichtig ist: Wir wollten Zeit und Geld investieren, aber wenn es nichts wird, ohne Schulden aussteigen. Das haben wir konsequent eingehalten.

Ein Kredit bei einer Bank wäre nie infrage gekommen?

Doberer: Nein. Das ist eine Prinzipsache. Deswegen haben wir uns um einen Investor umgesehen.

Tragen Sie sich nie mit dem Gedanken zu verkaufen? Die Firma wäre sicher einiges wert...

Doberer: Es gibt sicher Unternehmen, die uns einen signifikanten Wert beimessen würden. Aber wir sind noch nicht dort, wo wir hinwollen. Doch ein Leben lang muss ich es auch nicht machen.

Baudisch: Ich sehe das relativ emotionslos. Wir sind nicht so verheiratet mit Durchblicker, dass wir damit in Pension gehen und es an die Kinder vererben wollen. Es ist ein Lebensabschnittsprojekt. Wenn der Zeitpunkt passt, hätte ich nicht so viel dagegen, es zu verkaufen.

Gibt es Sparten, die sich für den Onlinebereich nicht so eignen?

Doberer: Es gibt ein Segment, das wir nicht auf der Plattform haben: Geldanlageprodukte im Bereich der Versicherung. Versicherungen sind gut darin, Risken abzusichern, aber weniger beim Kombinieren von Risiko mit Geldanlage.

Lebensversicherung haben Sie keine? Wie legen Sie ihr Geld an?

Baudisch: Wir haben keines, unser größtes Investment ist Durchblicker. Ich bin auch ein Finanzvertriebsopfer: Ich habe vor 15 Jahren ein klassisches Bündelprodukt abgeschlossen mit Ab- und Erleben und Berufsunfähigkeitsschutz und bin draufgekommen: Das ist ein kompletter Topfen. Denn dann hat man einen Schutz, den man gar nicht braucht, und einen anderen, der nicht ausreicht. Das bisschen an Erspartem, das ich habe, lege ich auf Festgeld- und Tageskonten. Das klingt unsexy und ist es auch. Mir ist das Risiko zu groß, weil es relativ wenig Geld ist und weil meine Zukunft nicht planbar ist.

Doberer: Bei mir ist das ähnlich. Das Geld, das da ist, ist kurzfristig verfügbar.

[ Clemens Fabry ]

ZUR PERSON

Michael Doberer (*1975) und Reinhold Baudisch (*1976) haben 2010 das Internet-Vergleichsportal Durchblicker.at gegründet, auf dem man Versicherungen, Finanzprodukte und Energietarife vergleichen kann. Sie lernten einander bei der Unternehmensberatung McKinsey kennen. Durchblicker.at beschäftigt zwei Dutzend Mitarbeiter und ist zum Marktführer in dem Bereich avanciert. Die US-Firma White Mountains Insurance ist mit
45 Prozent an Durchblicker beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

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