Hannes Androsch: „Die Politik war ein Verlustgeschäft“

Hannes Androsch
Hannes Androsch Die Presse
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Interview. Ex-Finanzminister Hannes Androsch investiert sein Geld in Bücher und Unternehmen. Die Politik hat ihn wegen der Gestaltungsmöglichkeiten gereizt. An den heutigen Politikern stört ihn der Mangel an Fachkenntnissen.

Die Presse: Sie erregten als junger Politiker Aufsehen, weil Sie mehr als 100 Maßanzüge besaßen. Wie viele haben Sie jetzt?

Hannes Androsch: Ich lege aus Respekt vor anderen Wert darauf, gut gekleidet zu sein. Das hat mir meine Großmutter, eine einfache, aber sehr energische Frau aus Südmähren, die als Hausmeisterin in Fünfhaus begonnen hat, eingebläut.

Ist das immer noch eine Sache der guten Erziehung oder Luxus?

Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich nicht ordentlich angezogen bin. Jetzt kann man sagen, ich übertreibe – das mag stimmen.

Wofür geben Sie gerne und am meisten Geld aus?

Für Bücher. Mir fehlt langsam der Platz, aber das ist meine Leidenschaft. Und ich habe ein, zwei Autos zu viel.

Hier hängen auch Bilder.

Das hat mich auch immer interessiert, so wie Literatur und Musik.


Sind das alles Fachbücher zum Thema Geld?

Es ist auch Belletristik. Ich habe rund 30.000 Bücher. Jetzt werden Sie fragen, ob ich sie alle gelesen hab. Nein. Aber ich weiß, wo ich nachschauen kann.

Haben Sie sich schon als Kind für das Thema Geld interessiert?

Sie werden überrascht sein, aber Geld interessiert mich überhaupt nicht. Auch nicht mein Bankkonto oder mein Vermögensstand. Geld ist ein nützliches Instrument, um etwas zu bewegen. Aber nicht etwas, das man auf dem Konto hat. Ich folge Dostojewski: Geld ist gedruckte Freiheit. Das ist Luxus.

Tut man sich nicht leichter, sich nicht für Geld zu interessieren, wenn man viel davon hat?

Natürlich. Ich habe nach dem Krieg Mangel kennengelernt, das will ich nicht mehr. Aber Geiz und Gier belästigen mich so wenig wie Hass oder Rache.

Ihnen war der Wohlstand nicht in die Wiege gelegt. Was war der Anstoß zu Ihrer Berufswahl?

Meine Eltern: Mein Vater war behindert und wurde deshalb Steuerberater, weil er das gut ausüben konnte. Daraus ist die Steuerberaterkanzlei entstanden, die in die Consultatio mündete. Mit zehn Jahren wollte ich Zahnarzt, mit 15 Atomphysiker werden. Es war meine eigene Entscheidung, Steuerberater zu werden. Ich war das aber nicht lange, weil ich rasch in die Politik gegangen bin. Dabei habe ich mir den Rat meines Professors zu eigen gemacht, der sagte, man müsse kein Oberbuchhalter sein, aber so viel wissen, dass einem dieser nichts vormachen kann.

An der Politik hat Sie doch nicht das Geld gereizt?

Das war ein Verlustgeschäft, das Geld war's sicher nicht. Eher schon: Halb zog es ihn, halb sank er hin. Ich wollte eigentlich zu Daimler-Benz. Da bekam ich das Angebot, Sekretär für Wirtschaftsfragen in der SPÖ zu werden. Ich stellte keine Gehaltsforderung, ich wollte die berufliche Freiheit behalten. Angefangen habe ich mit 2700 Schilling brutto, das war ein Akademikergehalt. Das stieg rasch, ich war kein Sozialfall. Als mein Vater starb, machte ich die Steuerberaterprüfung und dann das Doktorat. Dann war ich auf einmal Abgeordneter und Finanzminister. War auch kein Geschäft.

Inwiefern?

Gemessen an dem, was ich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer verdient habe.

Wenn Sie Ihre Berufsstationen Revue passieren lassen – Steuerberater, Politiker, Banker, Unternehmer: Was war das Beste?

(Lacht.) Die Kombination. Das Spannendste war sicher die Politik. Mit dem Hintergrund des Wirtschaftsprüfers und des abgeschlossenen Studiums – was heute bei vielen Politikern nicht als Kriterium gilt. Früher wurde das gefordert. Das ist verloren gegangen.

Was war so spannend?

Die Gestaltungsmöglichkeiten. Ich hatte daher ein großes Problem, mich vom Finanzminister auf den Chef der Creditanstalt umzustellen. Es hat mich geschmerzt, auch diesen Posten vorzeitig verlassen zu müssen.

Ärgern Sie sich manchmal über die heutige Politik?

Man muss sich fragen, ob die Politiker den Anforderungen entsprechen. Ein Schäuble macht das aus dem Rollstuhl, ein unglaublicher Kraft- und Willensakt. Aber wenn jemand null Kenntnisse hat? Das wäre so, als ob mich jemand fragte, ob ich, weil ich gerne in die Oper gehe, dirigieren möchte. Das wäre eine Katastrophe. Es gibt jetzt Leute, die sich einbilden, dass sie das können. So schaut die Politik auch aus. Ich ärgere mich aber nicht, darüber bin ich hinaus. Ich wäre jedenfalls mit den hochqualifizierten Beamten im Finanzministerium anders umgegangen. Führungsqualität ist nicht Autorität, sondern Leadership.

Einen solchen Wechsel von der Wirtschaft in die Politik und zurück gibt es kaum noch.

In der Ära Kreisky war man zwölf, 13 Jahre im Amt. Jetzt sind die Anforderungen so hoch, dass die intellektuelle, mentale und physische Materialermüdung sehr zunimmt. Allerdings kann man kein Fußballmatch gewinnen, wenn man ununterbrochen neue Spieler hat. Eine Regierung ist kein Durchhaus – und keine Lehrwerkstätte.

Zurück zum Geld, wo liegt Ihres?

Das steckt in den Unternehmen.

Wie sind Sie zu Ihrem ersten Unternehmen gekommen?

Nach dem Abgang von der CA hatte ich einen Weltbank-Auftrag in Botswana. Wieder in Wien gab es viele Angebote. Man suchte für den Kauf der AT&S einen Berater. Dann fragte man mich, ob ich mitmachen wollte. Das Geld gab uns der Scharinger (Ex-Chef der Raiffeisenlandesbank OÖ, Anm.). Bei einem Bier und einem Schnaps haben wir 90 Mio. Schilling Kredit ausgehandelt. Ich habe an das Unternehmen geglaubt.

Da hatten Sie Blut geleckt?

Ja. Die Salinen wollte ich selbst. Die habe ich als Finanzminister saniert. Der Rest ist bekannt. Es ist die Freude, etwas zu bewegen und zu gestalten. Mir fehlen die künstlerisch-musischen Fähigkeiten. Aber ich gestalte die Wirtschaft und versuche auch, die Wissenschaft mitzuprägen.

Reizt es Sie noch immer, Unternehmen zu kaufen?

Jetzt unterstütze ich meine Tochter bei dem 30-Millionen-Investment für das Hotelprojekt in Altaussee.

Was haben Sie sich von Ihrem ersten Geld gekauft?

Das weiß ich nicht. Aber ich war noch nicht in der Schule, da hat mich meine Mutter ins Finanzamt mitgenommen. Ich hab das quasi mit der Muttermilch aufgesogen.

Was sagen Sie einem jungen Menschen, der reich werden will?

Das ist die falsche Frage. Du musst etwas tun, das dir Freude macht, das deinen Interessen und Talenten entspricht und dich befriedigt, und nach Möglichkeit solltest du so viel verdienen, dass du dir die Krawatten, die du eh nicht brauchst, kaufen kannst. Aber Reichtum? Das ist kein Ziel.

Gehen die Menschen heutzutage mit Geld schlechter um?

Im Zuge der Entkoppelung der Finanz- von der Realwirtschaft hat eine Casinomentalität Platz gegriffen. Die eitle Gier, verbunden mit Geiz. Auch unser Sozialstaat hat gröbste Ungerechtigkeiten entstehen lassen. Das sieht man zu Schulbeginn: Wir geben 6,5 Mrd. Euro aus mit der Gießkanne. Nur, die Kinder sehen wenig davon. Außerdem haben wir 650.000 Frühpensionisten, das ist das Zehnfache von den 1970er-Jahren.

Sie arbeiten immer noch. Wann gehen Sie eigentlich in Pension?

Ich arbeite nicht, ich bin tätig. Arbeiten muss man, tätig ist man freiwillig. Das ist die Freiheit. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Hannes Androsch wurde 1938 in Wien geboren. Nach der Gründung der Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungskanzlei Consultatio ging er bald in die Politik und wurde in der Ära Kreisky mit 32 Jahren der jüngste Finanzminister. Nachdem er wegen Unvereinbarkeit aus der Politik ausschied, wurde er Generaldirektor der Creditanstalt. Mit dem Einstieg bei der AT&S 1994 startete der Vater von drei Kindern seine Unternehmerkarriere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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